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Kennung: 1810

München, 18. April 1909 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Bahr, Hermann

Inhalt

Sehr verehrter Herr Bahr!

Eben lese ich mit größtem Genuß und wachsendem Interesse „Die RahlHermann Bahrs Roman „Die Rahl“ (1908), von dem Wedekind ein Exemplar mit handschriftlicher Widmung des Verfassers besaß [vgl. Hermann Bahr an Wedekind, 19.11.1908].“. Ich bin entzückt von der psychologischen Feinheit und der Eleganz, mit der Sie die spröden Probleme meistern. Ich bin aufs höchste auf den Schlußakord dieser verschiedenen Klänge gespannt. Ich sehe in Ihren Menschen | keine beliebigen Individuen, sondern Vertreter von Phasen der Entwicklung.

Nach meinem Wiener VortragWedekind notierte auf einer Lesereise am 18.3.1909 „Ankunft in Wien“ und „Vortrag“ [Tb], eine vom Verein für Kunst und Kultur veranstaltete Lesung im Bösendorfersaal (Beginn: 19.30 Uhr), angekündigt: „Das vollständige Programm des am 18. d. von Frank Wedekind veranstalteten Vortragsabends lautet: 1. ‚Die Zensur‘, zweite Szene (zwischen Buridan und dem Zensor). 2. ‚Totentanz‘, drei Szenen. 3. Gedichte.“ [Vorlesung Frank Wedekind. In: Die Zeit, Jg. 8, Nr. 2326, 15.3.1909, Abendblatt, S. 2] Wedekind reiste am 19.3.1909 wieder aus Wien ab und Hermann Bahr, der die Lesung am Vorabend wohl besucht hat, dürfte ihm bald darauf geschrieben haben (siehe unten). schrieben Sie mir ein paar so liebe Wortenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Bahr an Wedekind, 19.3.1909.. Gott/Ja/, ist es denn meine Schuld, daß man nicht mehr von einander hat? Als ich mit der Schriftstellerei anfing, hatte ich wenig vertrauen auf Erfolg aber ich freute mich ungemein auf den interessanten | Verkehr. Jetzt scheint es mir oft als lebten wir in einer Welt von Einsiedlern. Kommen Sie im Juli nach München? Ich würde mich wirklich ungemein freuen, wenn wir auch einmal zusammen künstlerisch arbeiten könnten. Und da sich die Kluft zwischen Reinhardt und mirWedekinds Streit mit Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 284], um seinen Schauspielervertrag [vgl. Vinçon 2014, S. 199], der kulminiert war, als er ein Dossier „Reinhardt Tagebuch“ [KSA 5/II, S. 278-281] am 17.10.1908 an die Sozietäre des Deutschen Theaters und weitere Personen der kulturellen Öffentlichkeit verschickt hatte (siehe Wedekinds Briefe unter diesem Datum an Fritz Andreae, Paul Cassirer, Maximilian Harden, Emmy Loewenfeld, Robert von Mendelssohn, Walther Rathenau und Hermann Rosenberg). wieder geschlossen hatten, ließe sich doch garnicht absehen, was für Sträucher und Bäume zwischen uns Dreien, wenn ich mich dazu rechnen darf, aufschießen könnten. |

Meine Frau und ich senden Ihrer verehrten Frau GemahlinHermann Bahr war seit dem 24.8.1909 in zweiter Ehe mit der gefeierten Wagnersängerin Anna von Mildenburg verheiratet. und Ihnen die herzlichsten Grüße.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns bald einmalEin Treffen scheint es so bald nicht gegeben zu haben. Jedenfalls notierte Wedekind erst am 26.6.1910 in München: „Hermann Bahr kommt zum Thee.“ [Tb] aussprechen könnten, auch wenn es zu keinem anderen Resultat führen sollte, als daß wir einander näher kämen.

Mit herzlichsten Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


München, 18.4.9.

Prinzregentenstraße 50.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    18. April 1909 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
222-223
Briefnummer:
331
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien

Lobkowitzplatz 2
A-1010 Wien
Österreich

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Theatermuseum Wien
Signatur des Dokuments:
AM25151Ba
Standort:
KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien (Wien)

Danksagung

Wir danken dem KHM-Museumsverband – Theatermuseum (Wien) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Hermann Bahr, 18.4.1909. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.04.2024 15:25
Kennung: 1810

München, 18. April 1909 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Bahr, Hermann
 
 

Inhalt

Sehr verehrter Herr Bahr!

Eben lese ich mit größtem Genuß und wachsendem Interesse „Die RahlHermann Bahrs Roman „Die Rahl“ (1908), von dem Wedekind ein Exemplar mit handschriftlicher Widmung des Verfassers besaß [vgl. Hermann Bahr an Wedekind, 19.11.1908].“. Ich bin entzückt von der psychologischen Feinheit und der Eleganz, mit der Sie die spröden Probleme meistern. Ich bin aufs höchste auf den Schlußakord dieser verschiedenen Klänge gespannt. Ich sehe in Ihren Menschen | keine beliebigen Individuen, sondern Vertreter von Phasen der Entwicklung.

Nach meinem Wiener VortragWedekind notierte auf einer Lesereise am 18.3.1909 „Ankunft in Wien“ und „Vortrag“ [Tb], eine vom Verein für Kunst und Kultur veranstaltete Lesung im Bösendorfersaal (Beginn: 19.30 Uhr), angekündigt: „Das vollständige Programm des am 18. d. von Frank Wedekind veranstalteten Vortragsabends lautet: 1. ‚Die Zensur‘, zweite Szene (zwischen Buridan und dem Zensor). 2. ‚Totentanz‘, drei Szenen. 3. Gedichte.“ [Vorlesung Frank Wedekind. In: Die Zeit, Jg. 8, Nr. 2326, 15.3.1909, Abendblatt, S. 2] Wedekind reiste am 19.3.1909 wieder aus Wien ab und Hermann Bahr, der die Lesung am Vorabend wohl besucht hat, dürfte ihm bald darauf geschrieben haben (siehe unten). schrieben Sie mir ein paar so liebe Wortenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Bahr an Wedekind, 19.3.1909.. Gott/Ja/, ist es denn meine Schuld, daß man nicht mehr von einander hat? Als ich mit der Schriftstellerei anfing, hatte ich wenig vertrauen auf Erfolg aber ich freute mich ungemein auf den interessanten | Verkehr. Jetzt scheint es mir oft als lebten wir in einer Welt von Einsiedlern. Kommen Sie im Juli nach München? Ich würde mich wirklich ungemein freuen, wenn wir auch einmal zusammen künstlerisch arbeiten könnten. Und da sich die Kluft zwischen Reinhardt und mirWedekinds Streit mit Max Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 284], um seinen Schauspielervertrag [vgl. Vinçon 2014, S. 199], der kulminiert war, als er ein Dossier „Reinhardt Tagebuch“ [KSA 5/II, S. 278-281] am 17.10.1908 an die Sozietäre des Deutschen Theaters und weitere Personen der kulturellen Öffentlichkeit verschickt hatte (siehe Wedekinds Briefe unter diesem Datum an Fritz Andreae, Paul Cassirer, Maximilian Harden, Emmy Loewenfeld, Robert von Mendelssohn, Walther Rathenau und Hermann Rosenberg). wieder geschlossen hatten, ließe sich doch garnicht absehen, was für Sträucher und Bäume zwischen uns Dreien, wenn ich mich dazu rechnen darf, aufschießen könnten. |

Meine Frau und ich senden Ihrer verehrten Frau GemahlinHermann Bahr war seit dem 24.8.1909 in zweiter Ehe mit der gefeierten Wagnersängerin Anna von Mildenburg verheiratet. und Ihnen die herzlichsten Grüße.

Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns bald einmalEin Treffen scheint es so bald nicht gegeben zu haben. Jedenfalls notierte Wedekind erst am 26.6.1910 in München: „Hermann Bahr kommt zum Thee.“ [Tb] aussprechen könnten, auch wenn es zu keinem anderen Resultat führen sollte, als daß wir einander näher kämen.

Mit herzlichsten Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


München, 18.4.9.

Prinzregentenstraße 50.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    18. April 1909 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
222-223
Briefnummer:
331
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien

Lobkowitzplatz 2
A-1010 Wien
Österreich

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Theatermuseum Wien
Signatur des Dokuments:
AM25151Ba
Standort:
KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien (Wien)

Danksagung

Wir danken dem KHM-Museumsverband – Theatermuseum (Wien) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Hermann Bahr, 18.4.1909. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.04.2024 15:25