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Kennung: 1726

Charlottenburg, 16. Juni 1912 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Bassermann, Albert

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Albert Bassermann
Charlottenburg
SchlüterstrasseAlbert Bassermann, berühmter Schauspieler am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 283], wohnte nun Schlüterstraße 26 (2. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 113], davor Schlüterstraße 25 (3. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1911, Teil I, S. 110]. 25
/6/II.


16.6.12


Ser geerter herr Wedekind,

es war ser interessant und anregend, ser ergibich und ser lerraich: Ir gastschpilziklusIm Rahmen von Wedekinds Gastspiel-Zyklus vom 1. bis 16.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin (Direktion: Max Reinhardt) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 283] wurden insgesamt sechs Stücke gespielt: „So ist das Leben“ (1.6.1912, 2.6.1912, 9.6.1912), „Hidalla“ (4.6.1912, 5.6.1912, 6.6.1912), „Musik“ (7.6.1912, 8.6.1912), „Erdgeist“ (10.6.1912, 11.6.1912, 14.6.1912), „Oaha“ (12.6.1912, 13.6.1912), „Marquis von Keith“ (15.6.1912, 16.6.1912).. Manches ist mir imm ainzelnen noch nicht klar, aber imm allgemainen binn ich nun orientirt. Di darschtellung unter Irer aegideunter Wedekinds Ägide; er führte bei seinem aktuellen Gastspiel-Zyklus am Deutschen Theater in allen sechs Stücken (siehe oben) die Regie. muss natürlich plastischer wirken, als di lektüre, zu der ich mir bai der risenarbait, di di fergangenen jare auf mir lag, di zait förmlich abschtelen muste. – Main Kompliment mache ich Inen als darschteller schpeziell des „Hetmann“ u. des „Sterner“. Das waren zwei scharfumrissene | geschtalten, di ich mir kaum treffender denken kann. Mich als darschteller würden fon Iren 6 figurenWedekind spielte bei seinem aktuellen Gastspiel-Zyklus am Deutschen Theater die Rollen Nicolo („So ist das Leben“), Karl Hetmann („Hidalla“), Josef Reißner („Musik“), Dr. Schön („Erdgeist“), Georg Sterner („Oaha“), Marquis von Keith („Marquis von Keith“). „Sterner“ u. „Marquis v. Keith“ interessiren. Ich denke mir, dass aus dem lezten akt Keith doch wesentlich mer herauszuholen ist, als Si es getan haben. – „So ist das Leben“ muss ich mir noch ainmal aingehend durchlesen. Den „Nicolo“ haben Si nicht gut geschpilt: ich konte zum großen teil nicht folgen. – Mit dem „Stein d. Weisen“ will ich mich jezt auch beschäftigen: ich binn ser geschpant darauf. –

Zu dem großen erfolg, den Inen die gesamte presse heute konstatirt, sende ich Inen meine glückwünsche. Das ais ist gebrochen und selbst Ire gegner haben sich wenichstens di mühe genommen, Iren gedankengängen zu folgen, wass ich fon der beurtailung mainer geschtaltungen imm klassischen immer noch nicht behaupten kann. ‒ | Nach diesem erfolg werden wir Si inn der kommenden saison wol beschtimmt hir widersehen, und dann hoffe ich gelegenhait zu haben, mich eingehend über Ire schtükke mit Inen unterhalten zu können.

Irer fererten frau gemalin, di so rürend treu ann Irer saite kämpft und files ser schön geschpiltTilly Wedekind spielte im Rahmen des aktuellen Gastspiel-Zyklus in Berlin die Rollen Alma („So ist das Leben“), Fanny Kettler („Hidalla“), Klara Hühnerwadel („Musik“), Lulu („Erdgeist“), Leona („Oaha“), Anna Werdenfels („Marquis von Keith“). hatt, bitte ich mich bestens zu empfelen. –

Mitt frdl. grüßen fon mir u. meiner frauElse Bassermann (geb. Schiff), Schauspielerin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 717], dann auch am Deutschen Theater zu Berlin engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 291], seit 1908 mit Albert Bassermann verheiratet; Wedekind hat mir ihr früher korrespondiert (siehe seine Korrespondenz mit Else Schiff).
Ir ergebenster
Albert Baßermann


[Emendierter Text:]


Sehr geehrter Herr Wedekind,

es war sehr interessant und anregend, sehr ergiebig und sehr lehrreich: Ihr Gastspielzyklus. Manches ist mir im Einzelnen noch nicht klar, aber im Allgemeinen bin ich nun orientiert. Die Darstellung unter Ihrer Ägide muss natürlich plastischer wirken, als die Lektüre, zu der ich mir bei der Riesenarbeit, die die vergangenen Jahre auf mir lag, die Zeit förmlich abstehlen musste. – Mein Kompliment mache ich Ihnen als Darsteller speziell des „Hetmann“ u. des „Sterner“. Das waren zwei scharfumrissene | Gestalten, die ich mir kaum treffender denken kann. Mich als Darsteller würden von Ihren 6 Figuren „Sterner“ u. „Marquis v. Keith“ interessieren. Ich denke mir, dass aus dem letzten Akt Keith doch wesentlich mehr herauszuholen ist, als Sie es getan haben. – „So ist das Leben“ muss ich mir noch einmal eingehend durchlesen. Den „Nicolo“ haben Sie nicht gut gespielt: ich konnte zum großen Teil nicht folgen. – Mit dem „Stein d. Weisen“ will ich mich jetzt auch beschäftigen: ich bin sehr gespannt darauf. –

Zu dem großen Erfolg, den Ihnen die gesamte Presse heute konstatiert, sende ich Ihnen meine Glückwünsche. Das Eis ist gebrochen und selbst Ihre Gegner haben sich wenigstens die Mühe genommen, Ihren Gedankengängen zu folgen, was ich von der Beurteilung meiner Gestaltungen im Klassischen immer noch nicht behaupten kann. ‒ | Nach diesem Erfolg werden wir Sie in der kommenden Saison wohl bestimmt hier wiedersehen, und dann hoffe ich Gelegenheit zu haben, mich eingehend über Ihre Stücke mit Ihnen unterhalten zu können.

Ihrer verehrten Frau Gemahlin, die so rührend treu an Ihrer Seite kämpft und Vieles sehr schön gespielt hat, bitte ich mich bestens zu empfehlen. –

Mit freundlichen Grüßen von mir u. meiner Frau
Ihr ergebenster
Albert Bassermann

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Mischschrift (Kurrent und lateinische Schrift).
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm. Mit aufgestempeltem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief weist in der Orthographie individuelle Eigenheiten auf (darunter etwa der Verzicht auf das Dehnungs-h, um nur ein Beispiel zu nennen). Sie sind entsprechend wiedergegeben, mit Ausnahme der Geminationsstriche, die in der Umschrift nicht reproduziert, sondern die damit markierten Konsonantenverdopplungen ausgeführt sind. Der besseren Lesbarkeit wegen ist neben der Transkription ein emendierter Text zur Verfügung gestellt.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfangsort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    Charlottenburg
    16. Juni 1912 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Charlottenburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Bassermann, Albert A I/2
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Albert Bassermann an Frank Wedekind, 16.6.1912. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

20.09.2024 12:21
Kennung: 1726

Charlottenburg, 16. Juni 1912 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Bassermann, Albert

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Albert Bassermann
Charlottenburg
SchlüterstrasseAlbert Bassermann, berühmter Schauspieler am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 283], wohnte nun Schlüterstraße 26 (2. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1912, Teil I, S. 113], davor Schlüterstraße 25 (3. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1911, Teil I, S. 110]. 25
/6/II.


16.6.12


Ser geerter herr Wedekind,

es war ser interessant und anregend, ser ergibich und ser lerraich: Ir gastschpilziklusIm Rahmen von Wedekinds Gastspiel-Zyklus vom 1. bis 16.6.1912 am Deutschen Theater zu Berlin (Direktion: Max Reinhardt) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 283] wurden insgesamt sechs Stücke gespielt: „So ist das Leben“ (1.6.1912, 2.6.1912, 9.6.1912), „Hidalla“ (4.6.1912, 5.6.1912, 6.6.1912), „Musik“ (7.6.1912, 8.6.1912), „Erdgeist“ (10.6.1912, 11.6.1912, 14.6.1912), „Oaha“ (12.6.1912, 13.6.1912), „Marquis von Keith“ (15.6.1912, 16.6.1912).. Manches ist mir imm ainzelnen noch nicht klar, aber imm allgemainen binn ich nun orientirt. Di darschtellung unter Irer aegideunter Wedekinds Ägide; er führte bei seinem aktuellen Gastspiel-Zyklus am Deutschen Theater in allen sechs Stücken (siehe oben) die Regie. muss natürlich plastischer wirken, als di lektüre, zu der ich mir bai der risenarbait, di di fergangenen jare auf mir lag, di zait förmlich abschtelen muste. – Main Kompliment mache ich Inen als darschteller schpeziell des „Hetmann“ u. des „Sterner“. Das waren zwei scharfumrissene | geschtalten, di ich mir kaum treffender denken kann. Mich als darschteller würden fon Iren 6 figurenWedekind spielte bei seinem aktuellen Gastspiel-Zyklus am Deutschen Theater die Rollen Nicolo („So ist das Leben“), Karl Hetmann („Hidalla“), Josef Reißner („Musik“), Dr. Schön („Erdgeist“), Georg Sterner („Oaha“), Marquis von Keith („Marquis von Keith“). „Sterner“ u. „Marquis v. Keith“ interessiren. Ich denke mir, dass aus dem lezten akt Keith doch wesentlich mer herauszuholen ist, als Si es getan haben. – „So ist das Leben“ muss ich mir noch ainmal aingehend durchlesen. Den „Nicolo“ haben Si nicht gut geschpilt: ich konte zum großen teil nicht folgen. – Mit dem „Stein d. Weisen“ will ich mich jezt auch beschäftigen: ich binn ser geschpant darauf. –

Zu dem großen erfolg, den Inen die gesamte presse heute konstatirt, sende ich Inen meine glückwünsche. Das ais ist gebrochen und selbst Ire gegner haben sich wenichstens di mühe genommen, Iren gedankengängen zu folgen, wass ich fon der beurtailung mainer geschtaltungen imm klassischen immer noch nicht behaupten kann. ‒ | Nach diesem erfolg werden wir Si inn der kommenden saison wol beschtimmt hir widersehen, und dann hoffe ich gelegenhait zu haben, mich eingehend über Ire schtükke mit Inen unterhalten zu können.

Irer fererten frau gemalin, di so rürend treu ann Irer saite kämpft und files ser schön geschpiltTilly Wedekind spielte im Rahmen des aktuellen Gastspiel-Zyklus in Berlin die Rollen Alma („So ist das Leben“), Fanny Kettler („Hidalla“), Klara Hühnerwadel („Musik“), Lulu („Erdgeist“), Leona („Oaha“), Anna Werdenfels („Marquis von Keith“). hatt, bitte ich mich bestens zu empfelen. –

Mitt frdl. grüßen fon mir u. meiner frauElse Bassermann (geb. Schiff), Schauspielerin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 717], dann auch am Deutschen Theater zu Berlin engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1913, S. 291], seit 1908 mit Albert Bassermann verheiratet; Wedekind hat mir ihr früher korrespondiert (siehe seine Korrespondenz mit Else Schiff).
Ir ergebenster
Albert Baßermann


[Emendierter Text:]


Sehr geehrter Herr Wedekind,

es war sehr interessant und anregend, sehr ergiebig und sehr lehrreich: Ihr Gastspielzyklus. Manches ist mir im Einzelnen noch nicht klar, aber im Allgemeinen bin ich nun orientiert. Die Darstellung unter Ihrer Ägide muss natürlich plastischer wirken, als die Lektüre, zu der ich mir bei der Riesenarbeit, die die vergangenen Jahre auf mir lag, die Zeit förmlich abstehlen musste. – Mein Kompliment mache ich Ihnen als Darsteller speziell des „Hetmann“ u. des „Sterner“. Das waren zwei scharfumrissene | Gestalten, die ich mir kaum treffender denken kann. Mich als Darsteller würden von Ihren 6 Figuren „Sterner“ u. „Marquis v. Keith“ interessieren. Ich denke mir, dass aus dem letzten Akt Keith doch wesentlich mehr herauszuholen ist, als Sie es getan haben. – „So ist das Leben“ muss ich mir noch einmal eingehend durchlesen. Den „Nicolo“ haben Sie nicht gut gespielt: ich konnte zum großen Teil nicht folgen. – Mit dem „Stein d. Weisen“ will ich mich jetzt auch beschäftigen: ich bin sehr gespannt darauf. –

Zu dem großen Erfolg, den Ihnen die gesamte Presse heute konstatiert, sende ich Ihnen meine Glückwünsche. Das Eis ist gebrochen und selbst Ihre Gegner haben sich wenigstens die Mühe genommen, Ihren Gedankengängen zu folgen, was ich von der Beurteilung meiner Gestaltungen im Klassischen immer noch nicht behaupten kann. ‒ | Nach diesem Erfolg werden wir Sie in der kommenden Saison wohl bestimmt hier wiedersehen, und dann hoffe ich Gelegenheit zu haben, mich eingehend über Ihre Stücke mit Ihnen unterhalten zu können.

Ihrer verehrten Frau Gemahlin, die so rührend treu an Ihrer Seite kämpft und Vieles sehr schön gespielt hat, bitte ich mich bestens zu empfehlen. –

Mit freundlichen Grüßen von mir u. meiner Frau
Ihr ergebenster
Albert Bassermann

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Mischschrift (Kurrent und lateinische Schrift).
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm. Mit aufgestempeltem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief weist in der Orthographie individuelle Eigenheiten auf (darunter etwa der Verzicht auf das Dehnungs-h, um nur ein Beispiel zu nennen). Sie sind entsprechend wiedergegeben, mit Ausnahme der Geminationsstriche, die in der Umschrift nicht reproduziert, sondern die damit markierten Konsonantenverdopplungen ausgeführt sind. Der besseren Lesbarkeit wegen ist neben der Transkription ein emendierter Text zur Verfügung gestellt.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfangsort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    Charlottenburg
    16. Juni 1912 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Charlottenburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Bassermann, Albert A I/2
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Albert Bassermann an Frank Wedekind, 16.6.1912. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

20.09.2024 12:21