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Kennung: 1672

München, 3. Dezember 1911 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Schaukal, Richard
 
 

Inhalt

Sehr geehrter Herr SchaukalDr. jur. Richard Schaukal wohnte als Schriftsteller, Essayist und Kritiker in Wien (I, Spiegelgasse 1) [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1911, Teil II, Sp. 1446] und hatte einen Ruf als Repräsentant der Wiener Moderne des Fin de Siècle.!

Sie haben mich unsagbar beschämt. Danken kann ich Ihnen nicht, denn das hieße irgend etwas von Ihrem LobWedekind bezieht sich auf einen einige Monate zuvor erschienenen Artikel Richard Schaukals über ihn in der Wiener Zweiwochenschrift „Der Merker. Österreichische Zeitschrift für Musik und Theater“ (Herausgeber: Richard Batka und Richard Specht), in dem es heißt: „Wedekinds ästhetische Bedeutung liegt in der moralischen Persönlichkeit. [...] Die schwerfällige Bühnenformel ‚Wedekind‘ bedeutet eine der bedeutsamsten Entwicklungsphasen der Bühne überhaupt. [...] Der dramatische Dichter Wedekind tritt als Revolutionär des szenischen Gehalts auf [...]. ‚Frühlings Erwachen‘ ist eines der genialsten Dramen der deutschen Literatur. [...] die Vorgänge sind scheinbar so realistisch momentan, als wäre ein Kinematograph am Werke, aber der lebendige Gehalt ist über und über mit bedrucktem Papier verklebt. [...] Das eigentümliche Phänomen der Wedekindschen Dichtung ist die romantische Ironie [...]. Wedekind ist aus dem Geschlecht der Romantiker [...]. Wedekind ist ein vollendeter Schauspieler seiner Dramen. [...] Sein Schauspielertum ist Mission. [...] Und man darf es ruhig sagen: das ist Seelenwirkung.“ [Richard Schaukal: Frank Wedekind. Skizze zu einem Porträt. In: Der Merker, Jg. 2, Heft 17, 1. Juni-Heft 1911, S. 722-729]. wirklich auf mich beziehen. Und dabei vermeiden Sie noch sorgfältig den Ton des Gönners oder den Anschein persönlichen Wohlwollens. Erlauben Sie mir nur, Sie von Herzen zu dem farbenglühenden Porträt zu beglückwünschen, das Sie für die Leser des Merker geschaffen. Wenn ich wieder nach | WienWedekind brach am 23.2.1912 zu den Proben von „Schloß Wetterstein“ (die geplante Uraufführung fand dann aber nicht in Wien statt) sowie zwei Vortragsabenden wieder nach Wien auf und reiste am 4.3.1912 zurück nach München [vgl. Tb]. Eine Begegnung mit Richard Schaukal hat er nicht notiert. komme, werde ich mir die Freude machen Sie aufzusuchen, wenn Sie mir erlauben. Es sind jetzt sieben JahreWedekind hat Richard Schaukal demnach 1904 zuletzt gesehen (da er in diesem Jahr nicht in Wien war wahrscheinlich in München)., daß wir uns nicht gesehen. Damals hoffte ich daß die ScharfrichterGedichte von Richard Schaukal sind im Repertoire der Elf Scharfrichter nicht vertreten, die sich im Herbst 1904 auflösten. Ihre prachtvolle Lyrik künstlerisch zur Geltung bringen könnten. Leider waren die Scharfrichter schon zu altersschwach.

Mit verehrungsvollem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


München
3.12.11.


[Kuvert:]


Herrn Dr. Richard Schaukal
tit Redaktion „Der Merker“
Wien IX 3.
Schwarzspanierhof. |


bitte ergebenst um gefällige ZusendungWedekind hat den Brief an die Redaktionsadresse der Wiener Zeitschrift „Der Merker“ adressiert, die er dem Heft entnehmen konnte, in dem er den Aufsatz Richard Schaukals (siehe oben) las: „Österreichischer Verlag, Wien IX/3 Schwarzspanierhof. Chef-Redakteur: Richard Specht – für die Redaktion verantwortlich: Otto König.“ [Der Merker, Jg. 2, Heft 17, 1. Juni-Heft 1911, S. 744] Wie von ihm erbeten wurde der Brief den Postzustellvermerken zufolge (siehe die Hinweise zur Materialität) an die Wohnadresse von Richard Schaukal weitergeleitet: Wien I, Spiegelgasse 1 [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für die k.k. Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien 1911, Teil VII, S. 1094].
Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. 2 Seiten beschrieben. Gelocht. Kuvert. 11,5 x 9,5 cm. 2 Seiten beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Das Kuvert ist mit Postzustellvermerken versehen; bei der durch Papierverlust beschädigten Empfängeradresse ist von fremder Hand mit Tinte „IX 3“ gestrichen und darüber die Angabe „I“ zum Wiener Bezirk notiert sowie „Schwarzspanierhof“ gestrichen und darunter „Spiegelgasse“ (und die nicht lesbare Hausnummer) geschrieben. Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke von 10 Pfennig frankiert (Gedenkmarke Luitpold von Bayern mit Jubiläumsdatum „12 MÄRZ 1911“).

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Postausgangsstempel München: „12 – 1 V.“ (= 24 bis 1 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Wien: „6“ (= 18 Uhr). Den Postzustellvermerken auf dem Kuvert zufolge ist der Brief am 6.12.1911 in Wien von der Redaktionsadresse der Zeitschrift „Der Merker“ (Wien IX, Schwarzspanierhof) an die Adresse von Richard Schaukal (Wien I, Spiegelgasse 1) weitergeleitet worden.

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
261-262
Briefnummer:
379
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 155a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Richard Schaukal, 3.12.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

13.06.2024 19:11
Kennung: 1672

München, 3. Dezember 1911 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Schaukal, Richard
 
 

Inhalt

Sehr geehrter Herr SchaukalDr. jur. Richard Schaukal wohnte als Schriftsteller, Essayist und Kritiker in Wien (I, Spiegelgasse 1) [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1911, Teil II, Sp. 1446] und hatte einen Ruf als Repräsentant der Wiener Moderne des Fin de Siècle.!

Sie haben mich unsagbar beschämt. Danken kann ich Ihnen nicht, denn das hieße irgend etwas von Ihrem LobWedekind bezieht sich auf einen einige Monate zuvor erschienenen Artikel Richard Schaukals über ihn in der Wiener Zweiwochenschrift „Der Merker. Österreichische Zeitschrift für Musik und Theater“ (Herausgeber: Richard Batka und Richard Specht), in dem es heißt: „Wedekinds ästhetische Bedeutung liegt in der moralischen Persönlichkeit. [...] Die schwerfällige Bühnenformel ‚Wedekind‘ bedeutet eine der bedeutsamsten Entwicklungsphasen der Bühne überhaupt. [...] Der dramatische Dichter Wedekind tritt als Revolutionär des szenischen Gehalts auf [...]. ‚Frühlings Erwachen‘ ist eines der genialsten Dramen der deutschen Literatur. [...] die Vorgänge sind scheinbar so realistisch momentan, als wäre ein Kinematograph am Werke, aber der lebendige Gehalt ist über und über mit bedrucktem Papier verklebt. [...] Das eigentümliche Phänomen der Wedekindschen Dichtung ist die romantische Ironie [...]. Wedekind ist aus dem Geschlecht der Romantiker [...]. Wedekind ist ein vollendeter Schauspieler seiner Dramen. [...] Sein Schauspielertum ist Mission. [...] Und man darf es ruhig sagen: das ist Seelenwirkung.“ [Richard Schaukal: Frank Wedekind. Skizze zu einem Porträt. In: Der Merker, Jg. 2, Heft 17, 1. Juni-Heft 1911, S. 722-729]. wirklich auf mich beziehen. Und dabei vermeiden Sie noch sorgfältig den Ton des Gönners oder den Anschein persönlichen Wohlwollens. Erlauben Sie mir nur, Sie von Herzen zu dem farbenglühenden Porträt zu beglückwünschen, das Sie für die Leser des Merker geschaffen. Wenn ich wieder nach | WienWedekind brach am 23.2.1912 zu den Proben von „Schloß Wetterstein“ (die geplante Uraufführung fand dann aber nicht in Wien statt) sowie zwei Vortragsabenden wieder nach Wien auf und reiste am 4.3.1912 zurück nach München [vgl. Tb]. Eine Begegnung mit Richard Schaukal hat er nicht notiert. komme, werde ich mir die Freude machen Sie aufzusuchen, wenn Sie mir erlauben. Es sind jetzt sieben JahreWedekind hat Richard Schaukal demnach 1904 zuletzt gesehen (da er in diesem Jahr nicht in Wien war wahrscheinlich in München)., daß wir uns nicht gesehen. Damals hoffte ich daß die ScharfrichterGedichte von Richard Schaukal sind im Repertoire der Elf Scharfrichter nicht vertreten, die sich im Herbst 1904 auflösten. Ihre prachtvolle Lyrik künstlerisch zur Geltung bringen könnten. Leider waren die Scharfrichter schon zu altersschwach.

Mit verehrungsvollem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


München
3.12.11.


[Kuvert:]


Herrn Dr. Richard Schaukal
tit Redaktion „Der Merker“
Wien IX 3.
Schwarzspanierhof. |


bitte ergebenst um gefällige ZusendungWedekind hat den Brief an die Redaktionsadresse der Wiener Zeitschrift „Der Merker“ adressiert, die er dem Heft entnehmen konnte, in dem er den Aufsatz Richard Schaukals (siehe oben) las: „Österreichischer Verlag, Wien IX/3 Schwarzspanierhof. Chef-Redakteur: Richard Specht – für die Redaktion verantwortlich: Otto König.“ [Der Merker, Jg. 2, Heft 17, 1. Juni-Heft 1911, S. 744] Wie von ihm erbeten wurde der Brief den Postzustellvermerken zufolge (siehe die Hinweise zur Materialität) an die Wohnadresse von Richard Schaukal weitergeleitet: Wien I, Spiegelgasse 1 [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für die k.k. Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien 1911, Teil VII, S. 1094].
Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. 2 Seiten beschrieben. Gelocht. Kuvert. 11,5 x 9,5 cm. 2 Seiten beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Das Kuvert ist mit Postzustellvermerken versehen; bei der durch Papierverlust beschädigten Empfängeradresse ist von fremder Hand mit Tinte „IX 3“ gestrichen und darüber die Angabe „I“ zum Wiener Bezirk notiert sowie „Schwarzspanierhof“ gestrichen und darunter „Spiegelgasse“ (und die nicht lesbare Hausnummer) geschrieben. Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke von 10 Pfennig frankiert (Gedenkmarke Luitpold von Bayern mit Jubiläumsdatum „12 MÄRZ 1911“).

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Postausgangsstempel München: „12 – 1 V.“ (= 24 bis 1 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Wien: „6“ (= 18 Uhr). Den Postzustellvermerken auf dem Kuvert zufolge ist der Brief am 6.12.1911 in Wien von der Redaktionsadresse der Zeitschrift „Der Merker“ (Wien IX, Schwarzspanierhof) an die Adresse von Richard Schaukal (Wien I, Spiegelgasse 1) weitergeleitet worden.

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
261-262
Briefnummer:
379
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 155a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Richard Schaukal, 3.12.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

13.06.2024 19:11