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Kennung: 164

Kopenhagen, 3. November 1904 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Brandes, Georg

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Kopenhagen 3 Nov. 04Wedekind nahm später in einer Briefbeilage auf diesen Brief Bezug („Noch am 3 November 1904 schrieb mir einer der geistvollsten Männer, die je gelebt haben“) und zitierte aus ihm [vgl. Wedekind an Georg Brandes, 10.1.1909].Wedekind nahm später in einer Briefbeilage auf diesen Brief Bezug („Noch am 3 November 1904 schrieb mir einer der geistvollsten Männer, die je gelebt haben“) und zitierte aus ihm [vgl. Wedekind an Georg Brandes, 10.1.1909].


Sehr geehrter Herr

Ihr Briefvgl. Wedekind an Georg Brandes, 24.10.1904. hat mich erstaunt und erfreut. Ich ahnte nicht, von Ihnen gekannt zu sein.

Wäre ich nicht ein mit Arbeit und Beschäftigungen verschiedener Art wahnsinnig belasteter Mann, hätte ich Ihnen gleich geschrieben.

Ich danke Ihnen für Ihre anerkennenden Worte.

Von Ihnen kenne ich drei SachenGeorg Brandes nimmt hier auf, was er 1903 in „Gestalten und Gedanken“ (siehe unten) über Wedekind geäußert hat: „Nur drei seiner Schauspiele sind mir bekannt: ‚Frühlingserwachen‘, das die Erotik Halberwachsener behandelt, ‚Marquis von Keith‘, welches das Leben von Abenteurern und Schwindlern schildert, endlich das dies Jahr erschienene Drama ‚Die Büchse der Pandora‘.“ [Georg Brandes: Gestalten und Gedanken. Essays. München 1903, S. 1] Frühlingserwachen, das mir zuwider ist, Keith und Pandora, die mich durch das grosse Talent fesseln. Ich mag nicht das SprachgemengselGeorg Brandes hat über die Mehrsprachigkeit in Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) in „Gestalten und Gedanken“ (siehe unten) bemerkt: „Als ein Beispiel unter vielen, wie rücksichtslos Wedekind sich über alles, was Brauch und Sitte, ob es auch noch so verständig ist, hinwegsetzt, sei nur erwähnt, daß man in dem Stücke abwechselnd deutsch, französisch und englisch spricht, je nach der Nationalität der Auftretenden. Die fremden Sprachen werden in der Regel so ziemlich richtig gesprochen, am unsichersten ist das Französische behandelt. Ein Wunder an mephistophelischem Humor ist die lächerliche Diktion des Schweizers im letzten Akt.“ [Georg Brandes: Gestalten und Gedanken. Essays. München 1903, S. 3] in dem letzten Schauspiel; es scheint mir, man müsse alles in seiner Sprache sagen.

Ich selbst halte sehr an meiner Sprache, | sehe nie eine Uebersetzung von mir an; und es ist mir eigentlich sehr unlieb, nur in Uebersetzungen gekannt zu sein. Aber es kann ja nicht anders sein, wenn man einer kleinen Sprachgemeinde gehörtSchreibversehen, statt: angehört..

Für IbsenAnspielung auf Wedekinds Versprechen, einen Band über Henrik Ibsen für die Reihe „Die Literatur. Sammlung illustrierter Einzeldarstellungen“ (Herausgeber: Georg Brandes) im Verlag Bard, Marquardt & Co. in Berlin abzuliefern [vgl. Wedekind an Georg Brandes, 24.10.1904], der nicht zustande kam. mit seinen kurzen Sätzen bedeutet das wenigerist das weniger wichtig.. Uebrigens vergleiche ich michGeorg Brandes war Däne, Henrik Ibsen Norweger, beide Autoren Skandinavier, die im deutschsprachigen Raum auf Übersetzungen ihrer Werke angewiesen waren. natürlich nicht mit ihm.

Hochachtungsvoll
Georg Brandes.


Ich habe ein PaarSchreibversehen, statt: paar. Worte über Sie geschriebenGeorg Brandes hat sich im ersten Kapitel „Deutsche Dramatiker“ seiner Essaysammlung „Gestalten und Gedanken“ (1903 in München im Albert Langen Verlag erschienen) ausführlich über zwei Dramatiker geäußert, über Erich Schlaikjer und über Wedekind [vgl. Georg Brandes: Gestalten und Gedanken. Essays. München 1903, S. 1-6], über den er einleitend schrieb: „Frank Wedekind, der in München lebt und dessen Erzeugnisse das Gepräge der Rücksichtslosigkeit tragen, die dem künstlerischen Zigeunerleben Süddeutschlands eigen ist, wurde in Hannover 1864 geboren. [...] Frank Wedekind ist die Mephistogestalt in Deutschlands artiger Litteratur [...]. Wedekind ist verwegen bis zur Frechheit [...]. Er handhabt das Anstößigste, als wäre es für den, der die Menschennatur kennt, das Selbstverständliche. Doch hat er die seltene Gabe, ein Individuum leibhaftig vor uns hinzustellen, und ist überdies außerordentlich geistvoll. Die Gespräche in seinen Dramen sprühen von Witz und überraschenden Einfällen.“ [S. 1] Georg Brandes hat insbesondere die Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) kommentiert, über die er einleitend bemerkte: „Sein neues Schauspiel ‚Die Büchse der Pandora‘ ist mit einer Flottheit und Frechheit ohne gleichen geschrieben. Es brennt sich der Erinnerung durch die Kraft ein, mit der die Gestalten wiedergegeben sind, wie durch den kaltblütigen Galgenhumor, durch den der äußerste Effekt in der Darstellung des Gräßlichen erzielt wird. Galgenhumor ist überhaupt die Form von Laune, auf die Wedekind das Alleinrecht besitzt.“ [S. 2] in der Sammlung ,,Gestalten und Gedanken“.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Seite 2 enthält im Nachsatz eine kleine Textlücke (verursacht durch einen Tintenfleck zwischen „Paar“ und „Worte“).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Kopenhagen
    3. November 1904 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Kopenhagen
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Euphorion

Titel des Aufsatzes:
Frank Wedekind und Georg Brandes. Unveröffentlichte Briefe
Autor:
Klaus Bohnen
Jahrgang:
1978
Seitenangabe:
109
Briefnummer:
3
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 22
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Georg Brandes an Frank Wedekind, 3.11.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.10.2023 17:15
Kennung: 164

Kopenhagen, 3. November 1904 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Brandes, Georg

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Kopenhagen 3 Nov. 04Wedekind nahm später in einer Briefbeilage auf diesen Brief Bezug („Noch am 3 November 1904 schrieb mir einer der geistvollsten Männer, die je gelebt haben“) und zitierte aus ihm [vgl. Wedekind an Georg Brandes, 10.1.1909].Wedekind nahm später in einer Briefbeilage auf diesen Brief Bezug („Noch am 3 November 1904 schrieb mir einer der geistvollsten Männer, die je gelebt haben“) und zitierte aus ihm [vgl. Wedekind an Georg Brandes, 10.1.1909].


Sehr geehrter Herr

Ihr Briefvgl. Wedekind an Georg Brandes, 24.10.1904. hat mich erstaunt und erfreut. Ich ahnte nicht, von Ihnen gekannt zu sein.

Wäre ich nicht ein mit Arbeit und Beschäftigungen verschiedener Art wahnsinnig belasteter Mann, hätte ich Ihnen gleich geschrieben.

Ich danke Ihnen für Ihre anerkennenden Worte.

Von Ihnen kenne ich drei SachenGeorg Brandes nimmt hier auf, was er 1903 in „Gestalten und Gedanken“ (siehe unten) über Wedekind geäußert hat: „Nur drei seiner Schauspiele sind mir bekannt: ‚Frühlingserwachen‘, das die Erotik Halberwachsener behandelt, ‚Marquis von Keith‘, welches das Leben von Abenteurern und Schwindlern schildert, endlich das dies Jahr erschienene Drama ‚Die Büchse der Pandora‘.“ [Georg Brandes: Gestalten und Gedanken. Essays. München 1903, S. 1] Frühlingserwachen, das mir zuwider ist, Keith und Pandora, die mich durch das grosse Talent fesseln. Ich mag nicht das SprachgemengselGeorg Brandes hat über die Mehrsprachigkeit in Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) in „Gestalten und Gedanken“ (siehe unten) bemerkt: „Als ein Beispiel unter vielen, wie rücksichtslos Wedekind sich über alles, was Brauch und Sitte, ob es auch noch so verständig ist, hinwegsetzt, sei nur erwähnt, daß man in dem Stücke abwechselnd deutsch, französisch und englisch spricht, je nach der Nationalität der Auftretenden. Die fremden Sprachen werden in der Regel so ziemlich richtig gesprochen, am unsichersten ist das Französische behandelt. Ein Wunder an mephistophelischem Humor ist die lächerliche Diktion des Schweizers im letzten Akt.“ [Georg Brandes: Gestalten und Gedanken. Essays. München 1903, S. 3] in dem letzten Schauspiel; es scheint mir, man müsse alles in seiner Sprache sagen.

Ich selbst halte sehr an meiner Sprache, | sehe nie eine Uebersetzung von mir an; und es ist mir eigentlich sehr unlieb, nur in Uebersetzungen gekannt zu sein. Aber es kann ja nicht anders sein, wenn man einer kleinen Sprachgemeinde gehörtSchreibversehen, statt: angehört..

Für IbsenAnspielung auf Wedekinds Versprechen, einen Band über Henrik Ibsen für die Reihe „Die Literatur. Sammlung illustrierter Einzeldarstellungen“ (Herausgeber: Georg Brandes) im Verlag Bard, Marquardt & Co. in Berlin abzuliefern [vgl. Wedekind an Georg Brandes, 24.10.1904], der nicht zustande kam. mit seinen kurzen Sätzen bedeutet das wenigerist das weniger wichtig.. Uebrigens vergleiche ich michGeorg Brandes war Däne, Henrik Ibsen Norweger, beide Autoren Skandinavier, die im deutschsprachigen Raum auf Übersetzungen ihrer Werke angewiesen waren. natürlich nicht mit ihm.

Hochachtungsvoll
Georg Brandes.


Ich habe ein PaarSchreibversehen, statt: paar. Worte über Sie geschriebenGeorg Brandes hat sich im ersten Kapitel „Deutsche Dramatiker“ seiner Essaysammlung „Gestalten und Gedanken“ (1903 in München im Albert Langen Verlag erschienen) ausführlich über zwei Dramatiker geäußert, über Erich Schlaikjer und über Wedekind [vgl. Georg Brandes: Gestalten und Gedanken. Essays. München 1903, S. 1-6], über den er einleitend schrieb: „Frank Wedekind, der in München lebt und dessen Erzeugnisse das Gepräge der Rücksichtslosigkeit tragen, die dem künstlerischen Zigeunerleben Süddeutschlands eigen ist, wurde in Hannover 1864 geboren. [...] Frank Wedekind ist die Mephistogestalt in Deutschlands artiger Litteratur [...]. Wedekind ist verwegen bis zur Frechheit [...]. Er handhabt das Anstößigste, als wäre es für den, der die Menschennatur kennt, das Selbstverständliche. Doch hat er die seltene Gabe, ein Individuum leibhaftig vor uns hinzustellen, und ist überdies außerordentlich geistvoll. Die Gespräche in seinen Dramen sprühen von Witz und überraschenden Einfällen.“ [S. 1] Georg Brandes hat insbesondere die Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) kommentiert, über die er einleitend bemerkte: „Sein neues Schauspiel ‚Die Büchse der Pandora‘ ist mit einer Flottheit und Frechheit ohne gleichen geschrieben. Es brennt sich der Erinnerung durch die Kraft ein, mit der die Gestalten wiedergegeben sind, wie durch den kaltblütigen Galgenhumor, durch den der äußerste Effekt in der Darstellung des Gräßlichen erzielt wird. Galgenhumor ist überhaupt die Form von Laune, auf die Wedekind das Alleinrecht besitzt.“ [S. 2] in der Sammlung ,,Gestalten und Gedanken“.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Seite 2 enthält im Nachsatz eine kleine Textlücke (verursacht durch einen Tintenfleck zwischen „Paar“ und „Worte“).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Kopenhagen
    3. November 1904 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Kopenhagen
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Euphorion

Titel des Aufsatzes:
Frank Wedekind und Georg Brandes. Unveröffentlichte Briefe
Autor:
Klaus Bohnen
Jahrgang:
1978
Seitenangabe:
109
Briefnummer:
3
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 22
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Georg Brandes an Frank Wedekind, 3.11.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
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Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.10.2023 17:15