Vergleichsansicht

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Kennung: 1638

Berlin, 25. Oktober 1907 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Meyer, Rosa
 
 

Inhalt

Geehrte gnädige FrauAdressatin des sarkastischen Briefes ist die Rentiere Rosa Meyer (geb. Wollmann), die mit ihrer Tochter im Stockwerk unter Wedekind wohnte: Berlin, Kurfürstenstraße 125, 2. Stock [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 1572].

Ihrer TochterAnna Meyer; ihren Namen nennt Wedekind in einem Brief an seinen Vermieter [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 28.10.1907]. ist es richtig geglückt, mich durch ihr KlavierspielWedekind hatte eine Abneigung gegen „Klaviergeklimper“ [Wedekind an Maximilian Harden, 10.9.1913; Gästebucheintrag], hier gegen das von Anna Meyer, das er als Ruhestörung empfand. Die Auseinandersetzung darüber mit den unter ihm wohnenden Damen war bereits im Frühjahr manifest und kam auch in Briefentwürfen an den Vermieter zum Ausdruck [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 12.4.1907 und 17.4.1907]. Wedekind hatte mit der Rentiere Rosa Meyer am 17.4.1907 in ihrer Wohnung ein Gespräch über den Konflikt: „Besuch bei Frau Meier wegen Klavierspielen.“ [Tb] zum Haus hinaus zu jagen. Ich habe meine Wohnung heute endgültig gekündigtWedekind, der die Wohnung im 3. Stock rechts in der Kurfürstenstraße 125 am 31.8.1906 bezogen hat [vgl. Tb], hielt am 25.10.1907 fest: „Wohnungskündigung.“ [Tb]. Der jungen Dame gratuliere wünsche ich Glück ich zu diesem großen künstlerischen Erfolg. Ich finde, daß die junge Dame auf diesen Sieg ihrer Musik ihr ganzes Leben lang stolz sein kann. Ich möchte dabei nicht mißverstanden werden, was ich bei Ihnen in diesem Fall nicht für ganz gut ausgeschlossen unmöglich halte. Ich selber habe, bevor ich Erfolg mit meiner Schriftstellerei Erfolg hatte, Jahre hindurch von meinen musikalischen Vorträgen gelebt. Es haben tausende und tausende von Menschen in ganz Deutschland meiner Musik mit Vergnügen zugehört und die höchsten Eintrittspreise dafür bezahlt. Dabei bin ich ganz sicher nie einem Menschen auch nur eine Stunde lang durch mein Musizieren zur Last gefallen zu sein. Bei Ihrer Tochter verhält sich das hoffentlich ver umgekehrt. wird sich daß Bei der jungen Dame, deren Wer/Ku/nst mich hier zum Haus hinaus jagt, wird es, so weit ich mich meines/m/ Erachtens Urtheil nach umgekehrt sein. Abgesehen davon daß ich ihr noch Jahre möglichst viele derartige künstlerische Erfolge wünsche, | wird ihre/die/ Bewunderung die sie die ihre Musik bei Fachleuten finden/t/ voraussichtlich immer ebenso gering sein, wie die Höllenqualen die ihr Studium einem musikalischen Menschen verursacht ungeheuerliche sind bleiben werden. Nun sagten Sie mir aber, gnädige Frau, daß dieses MusikStudium unumgänglich notwendig sei. Ich fragte mich nach den Gründen und glaube die Lösung gefunden zu haben. Ich will mich kurz fassen und bitte Sie, das folgende rein geschäftlich aufzufassen. Ich biete verpflichte mich Ihnen für in die/en/ nächsten Monaten, die ich noch in der Wohnung zu bleiben genötigt bin, für jeden Tag, an dem in der unter mir liegenden Wohnung nicht Klavier gespielt oder sonst musiziert wird zwei Mark, also pro Monat M. 60 bis M 62 zu bezahlen. Wenn ich eine zusagende Antwort erhalte, dann ist das/die/ Geschäft Abmachung dadurch rechtsgültig und das gnädige Fräulein hat das stolze Bewußtsein wenn in/fü/r diese Monaten das Musizieren endgültig eingestellt wird daß ihre Kunst wenigstens keine brodlose ist.

Hochachtungsvoll
FrW.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. 17 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf der Rückseite von Blatt 1 befindet sich ein Briefentwurf, der inhaltlich mit dem vorliegenden Briefentwurf korrespondiert [vgl. Wedekind an Fräulein Hamann, 12.11.1907]. Auf der Rückseite von Blatt 2 befindet sich ein Entstehungsfragment – „Verzeihen Sie, daß ich Sie erschreckt habe. Dr. Prantl (legt das Buch bei Seite, lächeln)“ – aus dem Einakter „Die Zensur“, 2. Szene [vgl. KSA 6, S. 227]. Auf der Grundlage des Briefentwurfs dürfte ein Brief geschrieben und abgesandt worden sein.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 25.10.1907 ist als Ankerdatum gesetzt – das Schreibdatum, belegt durch den Briefinhalt in Verbindung mit dem Tagebuch (siehe Erläuterungen).

  • Schreibort

    Berlin
    25. Oktober 1907 (Freitag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 208
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Rosa Meyer, 25.10.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

03.07.2024 17:09
Kennung: 1638

Berlin, 25. Oktober 1907 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Meyer, Rosa
 
 

Inhalt

Geehrte gnädige FrauAdressatin des sarkastischen Briefes ist die Rentiere Rosa Meyer (geb. Wollmann), die mit ihrer Tochter im Stockwerk unter Wedekind wohnte: Berlin, Kurfürstenstraße 125, 2. Stock [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 1572].

Ihrer TochterAnna Meyer; ihren Namen nennt Wedekind in einem Brief an seinen Vermieter [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 28.10.1907]. ist es richtig geglückt, mich durch ihr KlavierspielWedekind hatte eine Abneigung gegen „Klaviergeklimper“ [Wedekind an Maximilian Harden, 10.9.1913; Gästebucheintrag], hier gegen das von Anna Meyer, das er als Ruhestörung empfand. Die Auseinandersetzung darüber mit den unter ihm wohnenden Damen war bereits im Frühjahr manifest und kam auch in Briefentwürfen an den Vermieter zum Ausdruck [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 12.4.1907 und 17.4.1907]. Wedekind hatte mit der Rentiere Rosa Meyer am 17.4.1907 in ihrer Wohnung ein Gespräch über den Konflikt: „Besuch bei Frau Meier wegen Klavierspielen.“ [Tb] zum Haus hinaus zu jagen. Ich habe meine Wohnung heute endgültig gekündigtWedekind, der die Wohnung im 3. Stock rechts in der Kurfürstenstraße 125 am 31.8.1906 bezogen hat [vgl. Tb], hielt am 25.10.1907 fest: „Wohnungskündigung.“ [Tb]. Der jungen Dame gratuliere wünsche ich Glück ich zu diesem großen künstlerischen Erfolg. Ich finde, daß die junge Dame auf diesen Sieg ihrer Musik ihr ganzes Leben lang stolz sein kann. Ich möchte dabei nicht mißverstanden werden, was ich bei Ihnen in diesem Fall nicht für ganz gut ausgeschlossen unmöglich halte. Ich selber habe, bevor ich Erfolg mit meiner Schriftstellerei Erfolg hatte, Jahre hindurch von meinen musikalischen Vorträgen gelebt. Es haben tausende und tausende von Menschen in ganz Deutschland meiner Musik mit Vergnügen zugehört und die höchsten Eintrittspreise dafür bezahlt. Dabei bin ich ganz sicher nie einem Menschen auch nur eine Stunde lang durch mein Musizieren zur Last gefallen zu sein. Bei Ihrer Tochter verhält sich das hoffentlich ver umgekehrt. wird sich daß Bei der jungen Dame, deren Wer/Ku/nst mich hier zum Haus hinaus jagt, wird es, so weit ich mich meines/m/ Erachtens Urtheil nach umgekehrt sein. Abgesehen davon daß ich ihr noch Jahre möglichst viele derartige künstlerische Erfolge wünsche, | wird ihre/die/ Bewunderung die sie die ihre Musik bei Fachleuten finden/t/ voraussichtlich immer ebenso gering sein, wie die Höllenqualen die ihr Studium einem musikalischen Menschen verursacht ungeheuerliche sind bleiben werden. Nun sagten Sie mir aber, gnädige Frau, daß dieses MusikStudium unumgänglich notwendig sei. Ich fragte mich nach den Gründen und glaube die Lösung gefunden zu haben. Ich will mich kurz fassen und bitte Sie, das folgende rein geschäftlich aufzufassen. Ich biete verpflichte mich Ihnen für in die/en/ nächsten Monaten, die ich noch in der Wohnung zu bleiben genötigt bin, für jeden Tag, an dem in der unter mir liegenden Wohnung nicht Klavier gespielt oder sonst musiziert wird zwei Mark, also pro Monat M. 60 bis M 62 zu bezahlen. Wenn ich eine zusagende Antwort erhalte, dann ist das/die/ Geschäft Abmachung dadurch rechtsgültig und das gnädige Fräulein hat das stolze Bewußtsein wenn in/fü/r diese Monaten das Musizieren endgültig eingestellt wird daß ihre Kunst wenigstens keine brodlose ist.

Hochachtungsvoll
FrW.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. 17 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf der Rückseite von Blatt 1 befindet sich ein Briefentwurf, der inhaltlich mit dem vorliegenden Briefentwurf korrespondiert [vgl. Wedekind an Fräulein Hamann, 12.11.1907]. Auf der Rückseite von Blatt 2 befindet sich ein Entstehungsfragment – „Verzeihen Sie, daß ich Sie erschreckt habe. Dr. Prantl (legt das Buch bei Seite, lächeln)“ – aus dem Einakter „Die Zensur“, 2. Szene [vgl. KSA 6, S. 227]. Auf der Grundlage des Briefentwurfs dürfte ein Brief geschrieben und abgesandt worden sein.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 25.10.1907 ist als Ankerdatum gesetzt – das Schreibdatum, belegt durch den Briefinhalt in Verbindung mit dem Tagebuch (siehe Erläuterungen).

  • Schreibort

    Berlin
    25. Oktober 1907 (Freitag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 208
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Rosa Meyer, 25.10.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

03.07.2024 17:09