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Kennung: 1508

München, 16. Januar 1915 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Kutscher, Artur

Inhalt

München 16. Januar 1915.


Lieber Artur!

Du wirst wohl etwas ungehalten sein, seit 7 Wochen keine Nachricht von mirvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.11.1914. erhalten zu haben. Ich bin heuteWedekind notierte am 16.1.1915: „Premiere M. v. Keith im Residenztheater“ [Tb], die unter der Regie von Albert Steinrück [vgl. Albert Steinrück an Wedekind, 10.1.1915] am Königlichen Residenztheater (Generalintendant: Clemens von Franckenstein) in München stattfand [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 28, 16.1.1915, Generalanzeiger, S. 2]; den Besuch einer Vorstellung dieser Inszenierung vermerkte er am 4.2.1915: „Im Residenztheater in M. von Keith. Tilly begleitet mich hin und holt mich ab.“ [Tb] zum ersten Mal auf, nachdem ich 6 Wochen lang das Bett hüten mußte wegen einer komplizierten Blinddarmangelegenheit. In den ersten 4 Wochen wurde ich von den Ärzten stets auf baldige Heilung | vertröstet, damit ich nicht auf Operation drang die damals sehr gefährlich gewesen wäre. Das ist der Grund, weshalb ich Dir kein Wort schrieb weil ich von Tag zu Tag auf rasche Besserung hoffte. Vor drei WochenWedekind wurde am 29.12.1914 in der Chirurgischen Privatheilanstalt (Werneckstraße 16) von Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 590] erstmals am Blinddarm operiert: „Werde mit dem Sanitätswagen in die Klinik gebracht und operiert.“ [Tb] Er wurde am 9.1.1915 wieder aus der Klinik entlassen: „Mit dem Sanitätswagen nach Hause gebracht.“ [Tb] war ich dann zur Operation reif und seitdem erhole ich mich ganz allmälig. Aber nun genug von mir. Du hast schwereres zu tragen, eine Thatsache mit der ich auch immer von den Ärzten zu Ruhe gewiesen wurde. Deinen ausführlichen | Brief vom 5.XInicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 5.11.1914. habe ich wohl schon beantwortetvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.11.1914.. Herzlichen Dank für die ausführliche Schilderung Deiner Lebensumstände, die Du mir am 19 November schicktestHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 19.11.1914.. Dann erhielt ich noch eine Karte vom 16 Dezembernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 16.12.1914. und zuletzt die entzückende Photographie Deines Schützengrabensnicht überliefert., auf der ich Dich sofort in der Mitte der Linie erkannte. Auf der Karte schreibst Du mir noch daß es augenblicklich nicht viel für Euch zu tun gäbe. Das hat sich seitdem wohl gewaltig geändert. Die jüngstvergangenen heftigen ZuckungenArtur Kutscher griff die Formulierung „heftigen Zuckungen des gefesselten Frankreichs“ in seinem „Kriegstagebuch“ auf: „Die Angriffe der letzten Zeit, die Wedekind als die heftigen Zuckungen des gefesselten Frankreichs bezeichnet, geschahen dem geringen Mut der französischen Infanterie entsprechend fast überall nachts.“ [Kutscher 1915, S. 223] des | gefesselten Frankreichs haben Euch sicher viel ruhelose Nächte und ermüdende Tage gekostet. Und diese Kämpfe sind wohl noch lange nicht vorbei. Ich kann mir denken, wie furchtbar Du manchmal unter Zwang, Anstrengung und geistiger und körperlicher Entbehrung leiden mußt. Bei Rußland wird hier augenblicklich eine starke Friedenssehnsucht vorausgesetzt, infolge innerer Unruhen und Mangel an ausgebildeten Truppen. Man munkelt von Separat-Friedensverhandlungen mit Rußland, die in Schweden | geführt werden sollen. Leider scheinen für unsere westlichen Feinde aber noch starke Schläge nötig zu sein, bevor sie sich zum Nachgeben verstehen. Es schmerzt mich, daß ich Dir in dieser Hinsicht nicht mehr tröstliches berichten kann.

Aus dem Münchner Leben weiß ich infolge meiner Krankheit natürlich wenig neues. Ich hatte in den 6 Wochen drei BesucheWedekind hat im Tagebuch nur zwei der Besuche notiert ‒ am 9.1.1915 („Halbe meldet sich an und besucht mich“) und am 14.1.1915 („Zum Thee kommt Friedenthal“).: Martens, Halbe und Friedenthal. Allerdings sehne ich mich auch jetzt noch nicht sehr nach Menschen, da auf einen Tag um den andern der Arzt kommtWedekind wurde von Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels (siehe oben) dem Tagebuch zufolge fast täglich verbunden, zuletzt etwa am 15.1.1915 („Dann kommt Skanzoni und verbindet mich“), dann wieder am 17.1.1915 („Dr. von Skanzoni verbindet mich“)., um mich zu verbinden. Meine Frau hatte | es während der Zeit gleichfalls nicht leicht. Vor meiner Operation wurden die Kinder und dann sie von Influenza befallen und wenige Tage später bekam sie die Nachricht, daß ihre Mutter in Graz an Herzlähmung gestorbenWedekind, noch in der Klinik, notierte am 7.1.1915: „Tillys Mutter in Graz an Herzlähmung gestorben.“ [Tb] Erfahren hat er vom Tod seiner Schwiegermutter Mathilde Newes erst am Tag darauf, wie er am 8.1.1915 festhielt: „Tilly theilt mir den Tod ihrer Mutter mit.“ [Tb] sei, worauf man allerdings seit Jahren Monaten gefaßt war.

Hoffentlich treffen Dich diese Zeilen gesund und frischen Muthes! Meine Frau traf heute Mittag Frau Weißgerber, die ihr erzählte, daß es ihrem Mann, der in | FlandernAlbert Weisgerber, Maler und Grafiker aus München (Ansbacherstraße 4, Atelier: Theresienstraße 75, Rückgebäude) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 773], seit dem 2.3.1907 mit der Malerin Margarete (Grete) Weisgerber (geb. Pohl) verheiratet, fiel dann am 10.5.1915 bei Fromelles im französischen Flandern. steht, ebenfalls gut geht. Gustav Waldau soll nach Lager LechfeldLagerlechfeld war der Truppenübungsplatz für das 1. Armeekorps der bayerischen Armee, zugleich ein Militärflugplatz und ein Gefangenenlager für Kriegsgefangene. Dorthin war zuerst Albert Weisgerber (siehe oben) einberufen worden, nicht aber Gustav Waldau, Schauspieler am Münchner Hoftheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503]. kommandiert sein.

Nun leb wohl, lieber Artur! Laß es Dir ferner gut gehen. Das eine Gute wird der Krieg wenn er uns zum Siege verhilft, sicher bringen, daß unsere innerpolitischen Verhältnisse um vieles freiheitlicher werden. Bis jetzt wenigstens zeigt die Regierung bei jeder Gelegenheit, daß es ihr Ernst mit ihren Versprechungen war. Wir sehen | jetzt einem deutschen Vorstoß von SoissonsIn der Schlacht bei Soissons vom 8. bis 14.1.1915 gelang es den deutschen Truppen, Angriffe der französische Truppen zurückzuschlagen und die Frontlinie zu begradigen. Artur Kutscher schrieb in seinem „Kriegstagebuch“ dazu: „Der Sieg bei Soissons erfüllt uns mit großer Freude.“ [Kutscher 1915, S. 219] gegen Paris entgegen. Wenn der gelingt, dann könnte Frankreichs Stolz g vielleicht geknickt sein, so daß es sich zu Verhandlungen verstände. Eure Entbehrungen müssen doch endlich einmal ein Ende haben. Ihr müßt doch endlich dazu gelangen, Euch all der Aufopferungen freuen zu können. So oft ich Deiner gedenke, wiederhole ich diese sehnlichsten Wünsche.

Herzliche Grüße und auf baldiges Wiedersehn.
Dein alter
Frank Wedekind

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 19 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Artur Kutscher hat mit Bleistift auf Seite 2 einen Satz unterstrichen und Passagen auf den Seiten 2, 4 und 5 am Rand angestrichen, die er später leicht verändert und zusammenhängend präsentiert zitierte [vgl. Kutscher 1960, S. 114].

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfangsort ist nicht eindeutig auszumachen. Artur Kutscher gehörte dem Reserve-Infanterie-Regiment 92 an, das an der Westfront eingesetzt war. Er war vom 12.9.1914 bis 3.2.1915 „in wechselnder Stellung“ [Kutscher 1960, S. 106] in der Nähe von Reims stationiert, in der zweiten Januarhälfte 1915 überwiegend in Cernay, der mögliche Empfangsort des Briefes.

  • Schreibort

    München
    16. Januar 1915 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Cernay-lès-Reims
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
314-316
Briefnummer:
434
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Deutsches Literaturarchiv Marbach

Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
A: Kutscher, Artur
Signatur des Dokuments:
A: Kutscher, 57.5405/1
Standort:
Deutsches Literaturarchiv Marbach (Marbach am Neckar)

Danksagung

Wir danken dem Deutschen Literaturarchiv Marbach für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Artur Kutscher, 16.1.1915. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

31.05.2024 10:41
Kennung: 1508

München, 16. Januar 1915 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Kutscher, Artur
 
 

Inhalt

München 16. Januar 1915.


Lieber Artur!

Du wirst wohl etwas ungehalten sein, seit 7 Wochen keine Nachricht von mirvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.11.1914. erhalten zu haben. Ich bin heuteWedekind notierte am 16.1.1915: „Premiere M. v. Keith im Residenztheater“ [Tb], die unter der Regie von Albert Steinrück [vgl. Albert Steinrück an Wedekind, 10.1.1915] am Königlichen Residenztheater (Generalintendant: Clemens von Franckenstein) in München stattfand [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 28, 16.1.1915, Generalanzeiger, S. 2]; den Besuch einer Vorstellung dieser Inszenierung vermerkte er am 4.2.1915: „Im Residenztheater in M. von Keith. Tilly begleitet mich hin und holt mich ab.“ [Tb] zum ersten Mal auf, nachdem ich 6 Wochen lang das Bett hüten mußte wegen einer komplizierten Blinddarmangelegenheit. In den ersten 4 Wochen wurde ich von den Ärzten stets auf baldige Heilung | vertröstet, damit ich nicht auf Operation drang die damals sehr gefährlich gewesen wäre. Das ist der Grund, weshalb ich Dir kein Wort schrieb weil ich von Tag zu Tag auf rasche Besserung hoffte. Vor drei WochenWedekind wurde am 29.12.1914 in der Chirurgischen Privatheilanstalt (Werneckstraße 16) von Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 590] erstmals am Blinddarm operiert: „Werde mit dem Sanitätswagen in die Klinik gebracht und operiert.“ [Tb] Er wurde am 9.1.1915 wieder aus der Klinik entlassen: „Mit dem Sanitätswagen nach Hause gebracht.“ [Tb] war ich dann zur Operation reif und seitdem erhole ich mich ganz allmälig. Aber nun genug von mir. Du hast schwereres zu tragen, eine Thatsache mit der ich auch immer von den Ärzten zu Ruhe gewiesen wurde. Deinen ausführlichen | Brief vom 5.XInicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 5.11.1914. habe ich wohl schon beantwortetvgl. Wedekind an Artur Kutscher, 27.11.1914.. Herzlichen Dank für die ausführliche Schilderung Deiner Lebensumstände, die Du mir am 19 November schicktestHinweis auf einen nicht überlieferten Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 19.11.1914.. Dann erhielt ich noch eine Karte vom 16 Dezembernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Kutscher an Wedekind, 16.12.1914. und zuletzt die entzückende Photographie Deines Schützengrabensnicht überliefert., auf der ich Dich sofort in der Mitte der Linie erkannte. Auf der Karte schreibst Du mir noch daß es augenblicklich nicht viel für Euch zu tun gäbe. Das hat sich seitdem wohl gewaltig geändert. Die jüngstvergangenen heftigen ZuckungenArtur Kutscher griff die Formulierung „heftigen Zuckungen des gefesselten Frankreichs“ in seinem „Kriegstagebuch“ auf: „Die Angriffe der letzten Zeit, die Wedekind als die heftigen Zuckungen des gefesselten Frankreichs bezeichnet, geschahen dem geringen Mut der französischen Infanterie entsprechend fast überall nachts.“ [Kutscher 1915, S. 223] des | gefesselten Frankreichs haben Euch sicher viel ruhelose Nächte und ermüdende Tage gekostet. Und diese Kämpfe sind wohl noch lange nicht vorbei. Ich kann mir denken, wie furchtbar Du manchmal unter Zwang, Anstrengung und geistiger und körperlicher Entbehrung leiden mußt. Bei Rußland wird hier augenblicklich eine starke Friedenssehnsucht vorausgesetzt, infolge innerer Unruhen und Mangel an ausgebildeten Truppen. Man munkelt von Separat-Friedensverhandlungen mit Rußland, die in Schweden | geführt werden sollen. Leider scheinen für unsere westlichen Feinde aber noch starke Schläge nötig zu sein, bevor sie sich zum Nachgeben verstehen. Es schmerzt mich, daß ich Dir in dieser Hinsicht nicht mehr tröstliches berichten kann.

Aus dem Münchner Leben weiß ich infolge meiner Krankheit natürlich wenig neues. Ich hatte in den 6 Wochen drei BesucheWedekind hat im Tagebuch nur zwei der Besuche notiert ‒ am 9.1.1915 („Halbe meldet sich an und besucht mich“) und am 14.1.1915 („Zum Thee kommt Friedenthal“).: Martens, Halbe und Friedenthal. Allerdings sehne ich mich auch jetzt noch nicht sehr nach Menschen, da auf einen Tag um den andern der Arzt kommtWedekind wurde von Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels (siehe oben) dem Tagebuch zufolge fast täglich verbunden, zuletzt etwa am 15.1.1915 („Dann kommt Skanzoni und verbindet mich“), dann wieder am 17.1.1915 („Dr. von Skanzoni verbindet mich“)., um mich zu verbinden. Meine Frau hatte | es während der Zeit gleichfalls nicht leicht. Vor meiner Operation wurden die Kinder und dann sie von Influenza befallen und wenige Tage später bekam sie die Nachricht, daß ihre Mutter in Graz an Herzlähmung gestorbenWedekind, noch in der Klinik, notierte am 7.1.1915: „Tillys Mutter in Graz an Herzlähmung gestorben.“ [Tb] Erfahren hat er vom Tod seiner Schwiegermutter Mathilde Newes erst am Tag darauf, wie er am 8.1.1915 festhielt: „Tilly theilt mir den Tod ihrer Mutter mit.“ [Tb] sei, worauf man allerdings seit Jahren Monaten gefaßt war.

Hoffentlich treffen Dich diese Zeilen gesund und frischen Muthes! Meine Frau traf heute Mittag Frau Weißgerber, die ihr erzählte, daß es ihrem Mann, der in | FlandernAlbert Weisgerber, Maler und Grafiker aus München (Ansbacherstraße 4, Atelier: Theresienstraße 75, Rückgebäude) [vgl. Adreßbuch für München 1915, Teil I, S. 773], seit dem 2.3.1907 mit der Malerin Margarete (Grete) Weisgerber (geb. Pohl) verheiratet, fiel dann am 10.5.1915 bei Fromelles im französischen Flandern. steht, ebenfalls gut geht. Gustav Waldau soll nach Lager LechfeldLagerlechfeld war der Truppenübungsplatz für das 1. Armeekorps der bayerischen Armee, zugleich ein Militärflugplatz und ein Gefangenenlager für Kriegsgefangene. Dorthin war zuerst Albert Weisgerber (siehe oben) einberufen worden, nicht aber Gustav Waldau, Schauspieler am Münchner Hoftheater [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1915, S. 503]. kommandiert sein.

Nun leb wohl, lieber Artur! Laß es Dir ferner gut gehen. Das eine Gute wird der Krieg wenn er uns zum Siege verhilft, sicher bringen, daß unsere innerpolitischen Verhältnisse um vieles freiheitlicher werden. Bis jetzt wenigstens zeigt die Regierung bei jeder Gelegenheit, daß es ihr Ernst mit ihren Versprechungen war. Wir sehen | jetzt einem deutschen Vorstoß von SoissonsIn der Schlacht bei Soissons vom 8. bis 14.1.1915 gelang es den deutschen Truppen, Angriffe der französische Truppen zurückzuschlagen und die Frontlinie zu begradigen. Artur Kutscher schrieb in seinem „Kriegstagebuch“ dazu: „Der Sieg bei Soissons erfüllt uns mit großer Freude.“ [Kutscher 1915, S. 219] gegen Paris entgegen. Wenn der gelingt, dann könnte Frankreichs Stolz g vielleicht geknickt sein, so daß es sich zu Verhandlungen verstände. Eure Entbehrungen müssen doch endlich einmal ein Ende haben. Ihr müßt doch endlich dazu gelangen, Euch all der Aufopferungen freuen zu können. So oft ich Deiner gedenke, wiederhole ich diese sehnlichsten Wünsche.

Herzliche Grüße und auf baldiges Wiedersehn.
Dein alter
Frank Wedekind

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 19 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Artur Kutscher hat mit Bleistift auf Seite 2 einen Satz unterstrichen und Passagen auf den Seiten 2, 4 und 5 am Rand angestrichen, die er später leicht verändert und zusammenhängend präsentiert zitierte [vgl. Kutscher 1960, S. 114].

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfangsort ist nicht eindeutig auszumachen. Artur Kutscher gehörte dem Reserve-Infanterie-Regiment 92 an, das an der Westfront eingesetzt war. Er war vom 12.9.1914 bis 3.2.1915 „in wechselnder Stellung“ [Kutscher 1960, S. 106] in der Nähe von Reims stationiert, in der zweiten Januarhälfte 1915 überwiegend in Cernay, der mögliche Empfangsort des Briefes.

  • Schreibort

    München
    16. Januar 1915 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Cernay-lès-Reims
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
314-316
Briefnummer:
434
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Deutsches Literaturarchiv Marbach

Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
A: Kutscher, Artur
Signatur des Dokuments:
A: Kutscher, 57.5405/1
Standort:
Deutsches Literaturarchiv Marbach (Marbach am Neckar)

Danksagung

Wir danken dem Deutschen Literaturarchiv Marbach für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Artur Kutscher, 16.1.1915. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

31.05.2024 10:41