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Sehr verehrter Herr Wedekind!
Zu meiner großen Ueberraschung habe ich gestern von Herrn
Rechtsanwalt Adler Wedekind hat den Münchner Rechtsanwalt Siegfried Adler (Kanzlei: Briennerstraße 55) [vgl. Adreßbuch für München 1916, Teil I, S. 3] wegen der Streitigkeiten mit seinem Verleger Georg Müller am 9.12.1915 aufgesucht: „Besuch bei Dr. Adler wegen Müller“ [Tb]. Der Rechtsanwalt ist dann sofort für den Autor tätig geworden, wie der vorliegende Brief des Verlegers belegt. ein Schreiben bekommen, in dem dieser von mir als Ihr
Vertreter die Bezahlung von M. 43000.‒ als Restsumme für das dritte TausendStreitfall zwischen Autor und Verleger war die 3. Auflage der „Gesammelten Werke“ Wedekinds im Georg Müller Verlag [vgl. Georg Müller an Wedekind, 11.2.1915, 21.10.1915 und 30.10.1915]. Ihrer
gesammelten Werke fordert und zwar verlangt Herr Rechtsanwalt Adler in diesem
Schreiben, daß ich den Betrag von 600 Mark bis gestern Abend um 6 Uhrum 18 Uhr. an ihn
bezahlen solle ‒
ein Ding der Unmöglichkeit, schon allein, weil wie jederzeit nachzuweisen, der
Brief mir erst um ¾ 6 Uhrum 17.45 Uhr. von der Post zugestellt wurde. Ganz abgesehen
davon, daß ich es nicht für nötig halte, daß in unser Verhältnis ein
Rechtsanwalt sich einmengt, muß ich es aus prinzipiellen Gründen ablehnen, mit
Herrn Rechtsanwalt Adler überhaupt zu verhandeln und ich würde es nach
Darlegung dieses aus moralischen Gesichtspunkten entspringenden Bescheides als
einen direkten Affront Ihrerseits gegen mich betrachten, wenn Sie sich in Ihrer
Angelegenheit gegen mich durch Herrn Rechtsanwalt Adler weiter vertreten
ließen. Genau wie ein Angeklagter bei Gericht einen Zeugen als befangen
ablehnen kann, so lehne ich in jeder Form Herrn Rechtsanwalt Adler als in
meiner Angelegenheit befangen und gegen mich voreingenommen ab. Ich hoffe, daß
diese Angaben Ihnen genügen werden, bin aber gerne bereit Ihnen mündlich noch
weiteres in dieser Angelegenheit bekannt zu geben.
Zur Sache selbst erlaube ich mir Ihnen Folgendes
mitzuteilen: Ich habe Ihnen schon einmal und zwar in meinem Briefe vom 21.
Oktober vgl. Georg Müller an Wedekind, 21.10.1915. d.J. mitgeteilt, daß wir uns seinerzeit dahingehend geeinigt haben, daß
zunächst nur die beiden ersten Auflagen Ihrer Gesammelten Werke honoriert
werden sollen, daß das dritte Tausend aber erst dann zur Verrechnung | kommen
solle, wenn die beiden vorhergehenden Auflagen abgesetzt sind. Daß diese
Vereinbarung stattgefunden hat, ergibt sich ohne Weiteres aus der Tatsache, daß
Sie niemals von mir ein höheres Honorar für die einzelnen Bände verlangten als
die Honorierung der beiden ersten Auflagen. Es dürfte Ihrem Gedächtnis
entschwunden sein, daß wir seinerzeit vor der Indrucknahme der Gesammelten
Werke uns darüber verständigt haben, daß ich berechtigt bin, eine Auflage von
3000 Exemplaren zuzüglich der entsprechenden Frei- und Rezensionsexemplare zu
drucken, daß ich aber nur zwei Auflagen im Voraus zu honorieren habe. Das
entspricht auch unserem GeneralvertragDer Vertrag zwischen Wedekind und dem Georg Müller Verlag vom 2.9.1914 ist nicht überliefert; er wurde unmittelbar nach der Nachricht von der Verpfändung der Verlagsrechte an Wedekinds Werken [vgl. Georg Müller an Wedekind, 1.9.1914] geschlossen. vom 2. September 1914, in dem ausdrücklich
bestimmt ist, daß Sie 20 % vom Ladenpreis des broschierten Exemplares
erhalten und daß Ihnen von jedem Werke 2 Auflagen im Voraus honoriert
werden. Ich habe in diesem Vertrag nicht noch einmal die Gesamtausgabe eigens
festgelegt, weil ich der Ueberzeugung war, daß wir darüber vollständig klar
sehen würden. Aber ich möchte hiermit nochmals darauf hinweisen, daß es mir von
Fall zu Fall gerade bei neuen Werken gestattet sein muß, auch einmal höhere
Auflagen als die zu honorierenden herstellen zu dürfen und zwar aus dem
einfachen Grunde, weil zu dem umfassenden Vertrieb eines neu erscheinenden
Werkes es mitunter notwendig ist, daß gleich mehr Exemplare zur Versendung zur
Verfügung stehen als 2000 Exemplare. Ich kann aber noch vor Erscheinen eines
Buches niemals darüber orientiert sein, ob es mir möglich ist, mehr als 2000
Expl. innerhalb absehbarer Zeit abzusetzen. Von diesem Gesichtspunkte sind wir
auch bei den Gesammelten Werken ausgegangen. Ich habe Ihnen gegenüber erwähnt,
daß die Drucklegung eines derartigen großen WrkesSchreibversehen, statt: Werkes. außerordentlich kostspielig
ist und daß es im Interesse des Werkes läge, wenn gleich eine Auflage von 3000
Exemplaren hegestellt würde, weil ein Neusatz ziemlich kostspielig wäre und ich
mich zu einer Neuauflage nicht so rasch entschließen könnte. Sie werden bei
Ueberlegung diese meine Angaben auch ohne weiteres be|stätigen können.
In Ihrem Briefe vom 5. Februar 1915 nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Georg Müller, 5.2.1915. schreiben Sie mir in der
Angelegenheit der Honorierung des dritten Tausends (3. Auflage) der Gesammelten
Werke:
„Gestatten Sie daher die Frage, ob jetzt nicht vielleicht
das Honorar für die dritte Auflage der Gesamtauflage ausgezahlt werden könnte
und zwar in der Weise, daß ich in den nächsten 10 Monaten monatlich 800 Mark
erhalte.“
Aus diesem Brief ergibt sich doch auch, daß Sie der Meinung
waren, daß ein rechtliches Verlangen zur Auszahlung dieses Betrages bei Ihnen
nicht bestehen konnte.
Sie vergessen aber in der fraglichen Angelegenheit auch noch
Folgendes: Wir haben im Februar ausgemacht, daß Ihr Drama Bismarck im Neuen
Merkur erscheinen solle und zwar haben wir ein Honorar von 15 M für die Seite
ausgemacht. Daran anschließend
Unterm 12. Februar Wedekind hat sich am 12.2.1915 mit seinem Verleger Georg Müller getroffen, um sich mit ihm über die strittige Honorarfrage zu verständigen: „Verabredung mit Müller über Zahlungen“ [Tb]. besprachen wir die ganze Angelegenheit
noch einmal mündlich und unterm 15. FebruarHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Georg Müller, 15.2.1915. bestätigten sie mir meinen Brief
vom 11. und Unterredung vom 12. Februar und zwar schreiben Sie wörtlich: |
In Erwiderung Ihrer geehrten Zeilen vom 11. Februar und in
Bestätigung unserer mündlichen Verabredung vom 12. Februar erkläre ich mich
damit einverstanden, für den Monat Februar M. 800.‒ und für die folgenden 5 Monate incl. Juni monatlich
M. 600.‒ von
Ihnen zu erhalten, welche Summen zuerst mit den Honoraren für mein
Bismarckdrama verrechnet werden sollen.
Aber
Sie wissen, daß ich stets bestrebt bin, Ihnen entgegenzukommen und auch immer
Ihren Wünschen nach Möglichkeit Rechnung getragen habe und ich hätte Ihnen auch
jetzt wieder eine größere Zahlung überwiesen, wenn nicht größere Zahlungen in
den letzten Tagen ausgeblieben wären. Es läßt sich eben mit dem besten Willen
nicht immer so disponieren wie man disponieren will. Ich bin nun bereit, mit
Ihnen eine Vereinbarung zu treffen, wonach Sie auch in den nächsten Monaten
eine des Näheren noch zu bestimmende Summe erhalten. Wir müssen uns aber dann
einigen, in welcher Weise diese Summen verrechnet werden sollen. Ich übersende
Ihnen zunächst in der Anlage einen Chek von 500
Bestehend aus 5 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben
Der Schreibort ist durch den Sitz des Georg Müller Verlags in München belegt.
München
11. Dezember 1915 (Samstag)
Sicher
München
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Georg Müller an Frank Wedekind, 11.12.1915. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (16.11.2025).
Ariane Martin