Berlin, 20.I.1897.
Lieber Freund,
reicher als von Ihnen kann ich von keinem Könige beschenkt
werden. Ihre Freundschaft zu mir wird für Sie zu einem theuren Luxus, so gerade
umgekehrt wie ich es wünschte. Die 30 Mk habe ich eingesteckt, ohne sie einmal
umzudrehen, und fühlte dabei nur, daß es sehr schlimm mit mir stand. Und nun
kommen Sie noch mit solchem GefolgeGemeint sind hier offenbar sowohl die gemeinsame Freundin Frida Strindberg, die einige Tage zuvor zu Wedekind nach Berlin gereist war, als auch die von ihr mitgebrachten Geschenke von Weinhöppel.. Ich rauche Ihre Cigaretten, indem ich
schreibe. Die VirginiasZigaretten aus Virginia-Tabak. habe ich schon gestern Abend angebrochen und die
Flasche Graverichtig: Graves. Wein aus dem gleichnamigen französischen Weinbaugebiet. wird heute auf Ihre Gesundheit und das Gelingen all Ihrer Plänenichts Näheres ermittelt.
geleert.
Von dem Augenblick an, da ich den Anhalter BahnhofDer Anhalter Bahnhof am Askanischen Platz war zu dieser Zeit der zentrale Fernbahnhof im Süden Berlins. betrat,
fühlte ich thatsächlich ein neues Leben in mir und heute bin ich ein neuer
Mensch. Die liebe gute Frida! Es ist um ein großes Herz doch keine Kleinigkeit.
Ich werde vielleicht meine ganze Weltanschauung ändern müssen.
Eh bien(frz.) Nun ja., ich habe doppelt doppelt so viel Vertrauen auf
einen guten Erfolg meiner Reisenach Berlin, wo Wedekind sich seit Anfang Dezember aufhielt, um in Theaterkreisen für die Aufführung seiner Stücke zu wirken [vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 17.1.1897].. Wenn mir einer hundert Besuche, die einem
solchen Ereignis vorausgehen, erleichtern kann, so ist es Frida. Wenn mir
jemand aus meiner zehnjährigen Arbeit endlich blankes Gold münzen kann, so ist
es Frida.
Und nun stellen Sie mir Ihre Reise nach BerlinDer Plan wurde vermutlich nicht ausgeführt. noch in
Aussicht. Das kann für Sie so entscheidend werden wie für mich, denn daß hier
mehr Entgegenkommen, mehr Chance ist als in München, ist gar keine Frage.
Vielleicht steigen wir wie Phönix aus der Asche als bessere und vollkommenere
Menschen aus dieser allgemeinen Pleite empor. Das möge Gott walten.
Frida sagt mir, daß Sie mein – d. h. Ihr Zimmer zu
dramatischem UnterrichtWedekinds Münchner Zimmer in der Türkenstraße 69 [vgl. Wedekinds Brief an Weinhöppel vom 17.1.1897]. benützen. Ich habe der Mühlberger, die übrigens das
unbegrenzteste Vertrauen in Sie setzt, geschriebennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Anna Mühlberger, 17.-20.1.1897. , daß sie Sie ja in Ihrem
Vortrag nicht stören soll, indem eben alles Theater sei. Ich habe ihr
geschrieben, daß Sie meistens in Gesellschaft kommen werden.
Auf baldiges Wiedersehn! Glück auf! Tausend Dank für Ihre
Herzensgüte. Ihr getreuer
Frank.