Kennung: 64

Schaffhausen, 31. Januar 1882 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Olga

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mein lieber Franklin!

Mit Vergnügen habe ich wiederholt vernommen, daß Du nunmehr Deine StudienWedekind, der im Frühjahr die Versetzung in die dritte Klasse des Gymnasiums nicht geschafft und ein halbes Jahr Privatunterricht auf Schloss Lenzburg erhalten hatte, war nach Ende der Herbstferien (Anfang November) an die Kantonsschule Aarau zurückgekehrt, wo er das zweite Schulhalbjahr der II. Gymnasialklasse wiederholte. in Aarau mit Freude und Intresse aufgenommen hast. Halte nun fest am Strange, laß’ Dir keine Mühe zu viel sein; die Natur (oder Gott, oder das Unbewußte, oder wie immer wir das „Große X“, welches hinter allem steht und sich dabei immer selbst im Lichte steht, nennen wollen) hat Dir einen guten Kopf mit auf die Lebensreise mitgegeben, und wenn Du nun das Deine mit Fleiß und Ausdauer dazu thust, so zweifle ich nicht, daß Du Etwas wirst woran wir, die wir Dich lieb haben unsere Freude haben können.

Du erinnerst Dich | vielleicht noch unseres Gespräches über das Kriterion des Sittlichen; ich hatte im Laufe meiner SchriftOlga Plümachers philosophische Abhandlung „Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichtliches und Kritisches“, die im Frühjahr 1884 in Heidelberg bei Georg Weiss erschien. an der ich jetzt arbeite (nota bene(lat.) wohlgemerkt. wenn ich nicht Strümpfe flicken, Kinder „gaumen(schweiz.) Kinder hüten [vgl. Schweizerisches Idiotikon Bd. II, 1887, Sp. 300]. – Olga Plümacher dürfte in Schaffhausen ein Mädchenpensionat unterhalten haben, so wie 1885 in Stein am Rhein [vgl. Züricherische Freitagszeitung, Jg. 1885, Nr. 43, 23.10.1885, S. 4].“ und kochen muß) Veranlaßung dieses Thema zu behandeln. Ich dachte oft dabei an Dich und freue mich Dir einmal die Schrift (so ihr ein gütig’ Geschick die Gnade des Gedrucktwerdens zu t/T/heil werden läßt!) vorlegen zu können. Ich glaube, daß es mir gelingt Dich zu meiner Ansicht zu bekehren.
Im Auftrag Hermann‘s sende Dir die IndiandergeigeHermann Plümacher kündigte die Sendung des Instruments in seinem Brief an [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 31.1.1884]. und wünsche Dir Glück zu Deinen musikalischen Studien, Deinen Mitmenschen aber gute Geduld. Auch bitte ich Dich im Intresse euerer niedlichen Katze nicht gar | zu fleißig zu üben – es könnten sonst die Mäuse auswandern, was für Pußi doch recht traurig wäre.

Neues, was Dich intressiren könnte, weiß ich nichts, und ist der Zweck dieser Zeilen lediglich der, Dir meine Theilnahme an DeimSchreibversehen, statt: Deinem. Wohlergehen auszudrücken. Und so will ich denSchreibversehen, statt: den Brief (oder: denn). jetzt schließen, denn nun muß ich meinem „BübliHermann Plümacher.“ einen Wickel um den Hals machen und ihn zur nächtlichen Ruhe weisen. Grüße Deine liebe MamaOlga Plümacher und Frank Wedekinds Mutter Emilie waren Jugendfreundinnen und kannten sich aus dem Züricher Vorort Riesbach. herzlich von mir und ebenso alle Geschwister; Du selber aber sei herzlich gegrüßt
von Deiner Dir wohlgewogenen Tante
Olga.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. 3 Seiten beschrieben. Seitenmaß 14 x 22 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 31.1.1882 ist als Ankerdatum gesetzt – der Tag, an dem Hermann Plümacher in einem separaten Brief die Sendung der Indianergeige ankündigt, die Olga Plümacher mit dem vorliegenden Begleitbrief abschickt, zugleich das späteste mögliche Schreibdatum. Als Schreibort kann der Wohnort Olga Plümachers angenommen werden.

  • Schreibort

    Schaffhausen
    31. Januar 1882 (Dienstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    Schaffhausen
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 130
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Olga Plümacher an Frank Wedekind, 31.1.1882. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (08.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

12.03.2024 14:53