Kennung: 62

Stein am Rhein, 23. Dezember 1883 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Olga

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

                                                                          Stein a/Rh. 23/XII 83.

Mein lieber Franklin!
Ich komme heute mit einer Bitte zu Dir und möchte von Deiner Gefälligkeit zu Gunsten meines Mannes Gebrauch machen. Die Sache ist diese: mein Mann, der sich schon in verschiedenen Angelegenheiten der Communalität Maracaibo nützlich und gefällig erwies, ist von der dortigen Behörde ersucht worden ein Cadeten-Corps, nach Art der schweizerischen Cadeten | einzurichten. Zu dem Ende hin möchte er nun gerne die Reglemente und Statuten der verschiedenen noch bestehenden Cadeten-Organisationen, vorab also auch die von Lenzburg und Aarau. Meine Bitte an Dich geht nun dahin, mir, sei es durch einen Buchhändler, oder sei es durch die Gefälligkeit eines der "Häuptlinge" desr, das CadentenwesenSchreibversehen Olga Plümachers statt "Cadettenwesen". besorgenden Schulbehörde die nöthigen Drucksachen zu besorgen, wobei ich | natürlich für alle Kosten aufkomme, ohne mich dadurch weniger in Deiner Schuld zu wissen, wenn Du mir die Sache vermitteln kannst.
            Du bist ja auch so ein geplagter Waffenträger gewesen und kennst daher gewiß die Haupthähne auf diesem Gebiet, und wenn Du Ih ihnen den süßen Brei um den Bart streichst: es sei die Vorzüglichkeit des Lenzburger – resp. Aarauer Cadetenwesens sogar in Venezuela wohl bekannt, so werden sie Dir gewiß zum Nöthigen verhelfen. | Lieber Franklin! heute Abend, wenn Ihr Alle unter dem Christbaum in Liebe versammelt sindSchreibweise Olga Plümachers!, dann gedenkt auch freundlich meiner, die ich auch Euer Aller in herzlicher Liebe gedenke! Ich bin nun an dem mir sonst so lieben Abend ganz einsam, zum ersten Mal ohne meine lieben Kinder – ich wollte die Tage wären schon vorüber. Und doch habe ich eigentlich keinen Grund zur Klage, ist doch so weit alles in Ordnung und wie es sein soll. Von Hermann habe ich diese Woche einen Brief und eine Karte gehabt, und ist er Gott sei Dank! wohl und wohlgemuth. Auch Dagmar ist hellauf und von meinem | Manne habe ich sehr erfreuliche Nachrichten. Er ist gesund und hat im November von der Stadt Maracaibe die goldene Verdienst-Medallie erhalten, und ist bei der Gelegenheit mit Festeßen, Fackelzug, Musik u.s.w. beehrt worden.      Das muß man den Leuten von Venezuela, die jetzt am Staats-Ruder sind zugestehen: sie haben einen großen Eifer sich zu ciwil civilisiren, und wenn jemand ihnen die Wege dazu zeigt und ihnen mit gutem Rath an die Hand geht, so sind sie | dankbar und erkenntlich dafür. Geld und Gut haben sie nicht zu geben, denSchreibweise Olga Plümachers statt "denn". der Staat ist in Folge der ewigen Bürgerkriege arm, (ungeachtet seiner großen natürlichen Reichthumsquellen), aber mit Ehrenbezeugungen sparen sie nicht und die "Spitzen" schwelgen in gegenseitiger Beweihräucherung, und wenn man sich nicht gerade auf den Straßen schießt, so ist immer irgend ein Fest zu irgend jemandes Ehren im Gang.
            Lieber Franklin! grüße mir die liebe Mamma | so wie Deine Geschwister recht herzlich, und wenn der Festtrubel verrauscht ist, so möchte mir doch die liebe Mama auch wieder schreiben. Den Kaffee wird sie erhalten haben?
            Von Hamburg erhielt ich gestern die Anzeige, daß 20 Sack für mich eingetroffen und der Bahn übergeben worden sind.
            Ich recomandire mich also einem geehrten Publikum zu gefälliger Abnahme. – Einen Verleger für mein Buch habe ich noch nicht – da heißt es eben Geduld haben. Doch nun lebe | wohl und behüte der große Geist Dich gesund. Bewahre meinem Sohn und mir auch im neuen Jahr Deine Liebe; so werden wir es halten mit Dir.
                                              In Treue Deine
                                           alte Freundin O. Plümacher.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 11 x 18 cm. Klein-Oktav. Gelocht

Datum, Schreibort und Zustellweg

Nach den guten Wünschen zum Heiligen Abend im Brieftext zu schließen, wurde der Brief wahrscheinlich noch am 23.12.1883 auf die Post gegeben und traf noch am 23.12. oder spätestens am 24.12.1883 in Lenzburg ein.

  • Schreibort

    Stein am Rhein
    23. Dezember 1883 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Aarau
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek. Monacensia (München) et Olga Plümacher

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 130
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken dem Literaturarchiv der Monacensia, München, für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Olga Plümacher an Frank Wedekind, 23.12.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (08.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Prof. Dr. Hartmut Vincon

Zuletzt aktualisiert

01.07.2019 09:48