Vertrag.
Zwischen Herrn Frank Wedekind in München und Herrn Georg
Müller, Verlagsbuchhändler in München wurde folgender Vertrag abgeschlossen.
§ 1.
Herr Frank Wedekind übergiebt seine Werke: Die junge Welt,
Frühlings Erwachen, Der Liebestrank, Erdgeist, Die Büchse der Pandora, Der
Kammersänger, Der Marquis von Keith, So ist das Leben, Hidalla, Totentanz,
Musik, Die Zensur, Oaha und In allen Wassern gewaschen Herrn Georg Müllerdavor Ergänzungsvorschlag von fremder Hand: „sowie alle weiteren während der Dauer des Vertrags entstehenden dramatischen Werke“. zum
alleinigen und ausschließlichen Bühnenvertrieb.
§ 2.
Herr Georg Müller,
Verlagsbuchhändler in München, verpflichtet sich, zur Besorgung dieses Bühnenvertriebs,
einen in diesem Fach erfahrenen geschulten Fachmann als Leiter seines Bühnenvertriebs
anzustellen.
§ 3.
Die Firma Georg Müller hat das alleinige und ausschließliche
Recht, die Aufführungen der in §. 1 bezeichneten Stücke für sämmtliche Bühnen
des In- und Auslandes zu vergeben und Herr Frank Wedekind bevollmächtigSchreibversehen, statt: bevollmächtigt. die Firma
Georg Müller, | alle Vereinbarungen hinsichtlich Honorar und Tantiemen zu
treffen, doch verpflichtet sich der Bühnenvertrieb Georg Müller, allen
speziellen Wünschen des Herrn Wedekind in Hinsicht darauf so weit als tunlich
gerecht zu werden.
§ 4.
Die Firma Georg Müller erhält für ihre Thätigkeit im Interesse
der in §. 1 bezeichneten Werke als Provision zehn Prozentdavor Ergänzungsvorschlag von fremder Hand: „für Aufführungen in deutscher Sprache“. sämtlicher Eingänge,
die aus der Veranstaltung von öffentlichen Aufführungen dieser Werke
vereinnahmt werden und verpflichtet sich, Herrn Wedekind darüber monatlich Abrechnung
zuzustellen und nach Abzug seiner Provision Zahlung zu leisten.danach Ergänzungsvorschlag von fremder Hand: „Die Provision für Aufführungen in fremder Sprache unterliegt dann anderen Vereinbarungen“.
§ 5.
Um in etwaigen Streitfällen Herrn Frank Wedekind vor Gericht
rechtsgiltig vertreten zu können, gilt dieser Vertrag zugleich als Vollmacht
für die Firma Georg Müller.
§ 6.
Dieser Vertrag ist auf die Dauer von zehn Jahren für beide Theile
unkündbar. Ab 15 Mai | 1920 steht sowohl Herrn Frank Wedekind wie der Firma Georg
Müller das Recht zu, diesen Vertrag jederzeit zu kündigen. Nach erfolgter Kündigung
erlischt dieser Vertragdanach Ergänzungsvorschlag von fremder Hand: „soweit es sich um die Übergabe weiterer nach dem 15. Mai 1920 entstandener nicht abgegebener Werke handelt“., falls die Kündigung in der Zwischenzeit nicht zurückgenommen
wurde, ein Jahr nach dem Tage, an dem die Kündigung stattgefunden hat.danach Ergänzungsvorschlag von fremder Hand (unten auf der Seite fortgeführt): „Die bis zur Lösung dem Bühnenvertrieb G M übergebenen Werke verbleiben in dem Bühnenvertrieb G. M. auch ferner, diese ist Her Wede bereit diesem gegen eine entsprechende Entschädigung an den neuen Verleger des He Wedekind abzugeben.“
Vorstehender Vertrag wurde in zwei gleichlautenden
Exemplaren ausgefertigt, von beiden Theilen gelesen, genehmigt und unterschrieben.
München, den 14 Mai 1910Wedekind hatte im Zuge seiner Bemühungen um einen Wechsel vom Bruno Cassirer Verlag in Berlin zum Georg Müller Verlag in München (siehe seine Korrespondenz mit Maximilian Harden in dieser Angelegenheit) den Verleger Georg Müller am 9.5.1910 aufgesucht – „Besuch bei Müller der Cassirers Bedingungen annimmt“ [Tb] – und an Maximilian Harden telegrafiert, Georg Müller werde entsprechend an Bruno Cassirer schreiben [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 9.5.1910]; insofern stand Georg Müller als neuer Verleger Wedekinds fest. Der vorliegende Vertragsentwurf zu den strittigen Bühnenvertriebsrechen ist fünf Tage später entstanden, vermutlich in Absprache mit dem Verleger.
Frank Wedekind.