Kennung: 564

München, 1. Januar 1905 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Blei, Franz

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Lieber Frank, in einem Büchel: Launenhafte, zärtliche und moralische Gedichte, von J. T. P. Stettin 1782 finde ich folgendes


Lied einer alten verliebten Jungfer.Franz Blei nahm das Gedicht unter dem gekürzten Titel „Lied einer alten Jungfer“ mit einigen Varianten in seine Anthologie „Fleurettens Purpurschnecke. Erotische Lieder und Gedichte aus dem achtzehnten Jahrhundert“, gesammelt und herausgegeben von Franciscus Amadeus, M. A. Er., mit Zeichnungen von Franz von Bayros, Paphos [fingiert], im Jahr der Cythere 5091 [1905] auf [S. 55-57].

Allen
in ähnlichem Zustande seufzenden Seelen
gewidmet.

Variante 1905: fehlt.
Variante 1905: fehlt.


Schon viele Jahre quäl ich mich im Stillen
Um einen Mann!
WannVariante 1782: Wenn wird AndreasAus dem Griechischen abgeleiteter Vorname: „der Männliche“ bzw. „der Mannhafte“. mein Gebet erfüllen
Und hört mich an!

Wie lange soll ich armes DingVariante 1905: Kind noch weinen
Verschmäht, veracht? –
WennVariante 1905: Wann wird der langersehnte Tag erscheinen
Mit seiner Nacht?Variante 1782: Rosts schöne Nacht. [Anspielung auf das erotische Gedicht „Schöne Nacht“ von Johann Christoph Rost.] Variante 1905: Und seine Nacht?

Wenn Jünglinge mit andern Mädchen spielen
Im Frühlingshain,
Und ihre Lust auf Rosenlippen kühlen
Bin ich allein.

Dann schmachte ich voll Sehnsucht nach dem Glücke
Geliebt zu sein;
Doch niemand sieht auf meine Liebesblicke
Und hört mein Schrein.

Wie gräm ich mich des Nachts in meinem Bette
Von Liebe tollVariante 1782, 1905: vollVariante 1782, 1905: voll
Ach! – wenn ich nur ein einzges Männchen hatteVariante 1782, 1905: hätteVariante 1782, 1905: hätte
Von siebenVariante 1782: funfzig; Variante 1905: fünfzig Zoll.

Ich putze mich, ich thürme meine Haare
Hoch in die Luft
Ich balsamiere meines Busens Waare
Mit süssem Duft.

– |

Mit Flor und BänderSchreibversehen; statt: Bändern. schmück ich mein Gesichte
Mit fremder Zier:
Und dennoch nennt mich FritzchenVariante 1782, 1905: Daphnis bei dem Lichte
Ein altes Thier.Variante 1782: Thier. || Und eine Katze hies mich jüngst Leander – | Ein Krokodill, | Ein liebend Murmelthier nennt mich voll Spott Menander | Und ein Pasquill. || Mein Stand, mein Herz, mein schmachtendes Bestreben | Wird mir verhöhnt, | Der Spötter Blick verlacht und kürzt mein Leben | Mit Schmach gekrönt. || Ach wollte sich doch Einer nur erbarmen! – | Und nehme mich, | Als Ehefrau mit süssen Hymens-Armen | Nur ganz zu sich. – ||Variante 1782: Thier. || Und eine Katze hies mich jüngst Leander – | Ein Krokodill, | Ein liebend Murmelthier nennt mich voll Spott Menander | Und ein Pasquill. || Mein Stand, mein Herz, mein schmachtendes Bestreben | Wird mir verhöhnt, | Der Spötter Blick verlacht und kürzt mein Leben | Mit Schmach gekrönt. || Ach wollte sich doch Einer nur erbarmen! – | Und nehme mich, | Als Ehefrau mit süssen Hymens-Armen | Nur ganz zu sich. – ||

Welch eine Glut durchwühlt mein armes Herze
Und zehrt es ab.
Ich diene nur den Jünglingen zum Scherze
Bis in mein Grab.

Komm CharonIn der griechischen Sage Fährmann in der Unterwelt., komm, und fahre mich von hinnen
Du alter Schnipps„in thüring.-obersächs. mundarten ein springinsfeld [...]; ein unausgewachsener naseweiser junge [...]; ein kleiner mensch“ [DWB, Bd. 15, Sp. 1341].!
Denn sonst verlier ich alle meine Sinnen
Und sterb am Pipps„die verstopfung der nase mit verhärteter zungenspitze beim federvieh, dann auch eine damit ähnliche krankheit der menschen, besonders ein den anfang einer krankheit bezeichnendes unwolsein“ [DWB, Bd. 13, Sp. 1866]..

HerGruss
Dein Blei

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 21 x 33 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Ankerdatum wurde der 1.1.1905 gesetzt. Dies beruht auf dem Jahr der Veröffentlichung von Franz Bleis Anthologie „Fleurettens Purpurschnecke. Erotische Lieder und Gedichte aus dem achtzehnten Jahrhundert“, gesammelt und herausgegeben von Franciscus Amadeus, M. A. Er., mit Zeichnungen von Franz von Bayros, Paphos [fingiert], im Jahr der Cythere 5091 [1905]. Darin findet sich das Gedicht von Johann Traugott Plant [S. 55-57]. Als Schreibort wird Franz Bleis Wohnort angenommen.

  • Schreibort

    München
    1. Januar 1905 (Sonntag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort


    Datum unbekannt

  • Empfangsort


    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 18
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Franz Blei an Frank Wedekind, 1.1.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Cordula Greinert

Zuletzt aktualisiert

31.03.2020 12:20