Kennung: 4895

Dresden, 15. März 1904 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt & Müller, (Firma)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst
Schmidt & Müller


DWFH
HANDELSMARKE

Goldene Plakette Dresden 1901.

Silb. Staatsmedaille Dresden 1899.

Medaillen: Paris, Turin u.s.w.


Telephon I, No. 1874.
Telegr.-Adr.: Handwerkskunst, Dresden.


Dresden-A., den 15. März 1904.

Blasewitzerstrasse 17.


Herrn
Schriftsteller Frank Wedekind
München
Franz Josefstrasse 42 II


Hochverehrter Herr!

Wir haben soeben mit recht ungünstigem Resultate die Verkäufe nach Ihren EntwürfenWedekind hatte 1902 außer einem Diskus (siehe unten) „eine Fahrradschaukel, ein Einrad für Kinder, ein für Radfahrer entwickeltes Ringelstechspiel und eine nach allen Seiten drehbare Kugel“ [KSA 6, S. 214] entworfen [vgl. Nb 15, Blatt 37r-40v], außerdem habe er „auch noch ein Kindertanzdrahtseil konstruiert, das [...] in mehr als einer Beziehung einen sehr glücklichen Gedanken zur Geschicklichkeits- und Willenserziehung auszuführen scheint“ [Der Kunstwart, Jg. 16, Heft 12, 2. Märzheft 1903, S. 667], Kinderspielzeug, das von den Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst im Dezember 1902 „fertiggestellt und durch eine Musterrolle beim Amtsgericht geschützt“ [Kutscher 2, S. 111f.], also patentiert wurde. Der Verkauf begann 1903; die Dresdener Werkstätten werden, so war im Frühjahr angekündigt, „Kinderspielzeug [...] von Frank Wedekind [...] nun in den Handel bringen“ [Der Kunstwart, Jg. 16, Heft 12, 2. Märzheft 1903, S. 666]. Wedekinds Spielzeugkonstruktionen wurden als pädagogisch sinnvoll eingeschätzt: „Diese höhere Politik der Kinderstube sieht man [...] geschickt und feinfühlig in dem Spielzeug der ‚Dresdner Werkstätten‘ berücksichtigt, und von der weiteren Entwickelung ist [...] zu hoffen, daß [...] die auf die Ausbildung der Behendigkeit und Willensstärke zielenden Entwürfe von Wedekind (Diskus, Radfahrschaukel, Ringstecher für Radfahrer, Kinderdrahtseil) Nachfolge finden werden.“ [Westermanns Illustrierte Deutsche Monatshefte, Jg. 50, Heft 592, Januar 1906, S. 593f.] zusammengestellt. Wir haben nur fünf Diskus„Frank Wedekinds ‚deutscher Diskus‘, der, im mittleren Loch angefaßt, als Farbenrad mit mächtiger Schwungkraft davonsaust“ [Der Kunstwart, Jg. 16, Heft 12, 2. Märzheft 1903, S. 667]. 1903 hat Wedekind „eine Anleitung zur Herstellung der hölzernen Scheibe seines ‚Deutschen Diskus‘“ [KSA 6, S. 214] mit Empfehlungen für Spiele verfasst [vgl. Nb 17, Blatt 22r-23r], überschrieben „Der deutsche Discus“ („von Frank Wedekind“), in der es zum Auftakt heißt: „Der deutsche Discus ist eine hölzerne Scheibe von 40 cm Durchmesser mit möglichst dünner Innenfläche und schwerem Außenrand, dazu bestimmt nicht nach einem festen Ziele sondern auf möglichst weite Entfernung hin geschleudert zu werden.“ [Nb 17, Blatt 22r] verkaufen können, von den anderen Gegenständen noch gar nichts. Wenn diese Erfahrungen auch auf einen geringen Umsatz in diesen SpielsachenWedekind hat seine Spielzeugkonstruktionen später dem Literaten Walter Buridan in seinem Einakters „Die Zensur“ (1908) zugeschrieben, zu dem Kadidja in der 1. Szene sagt: „Und schließlich hast du doch auch noch deine Kinderspielzeuge, die du erfunden hast! [...] Der deutsche Diskus, die Fahrradschaukel, das Kinderdrahtseil, die Lauftrommel.“ [KSA 6, S. 214] schliessen lassen, so werden wir uns doch die Mühe nicht verdriessen lassen und vor allen Dingen versuchen, durch billigere Herstellungpreiswerte Produktion auch guter Qualität, dem Ruf der Firma entsprechend: „Die ‚Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst‘ sind gerade das Unternehmen gewesen, welches künstlerisch und technisch gute Sachen zu mäßigen Preisen hergestellt hat.“ [Ausstellung modernen Kunstgewerbes. In: Frankenberger Tageblatt, Jg. 62, Nr. 212, 12.9.1903, S. (2)] der Gegenstände den Verkauf zu begünstigen. Wir möchten Sie aber nicht aus/f/s ungewisse lange Zeit auf eine provisionsweise Vergütung warten lassen. Wir bieten Ihnen daher als einmalige Entschädigung für Ihre freundlichen Bemühungen den Betrag von M 50.--Wedekind notierte den eingegangenen Betrag bereits am 15.3.1904: „von Schmidt und Müller Dresden, für Spielwaren erhalten M. 50.-“ [Tb] an und lassen Ihnen diese gleichzeitig per Postanweisung zugehen. Wir glauben uns so mit Ihnen in gerechter Weise in den Schaden geteilt zu haben.

Sollten sich später namhaftere Umsätze erzielen lassen, so werden Sie uns – wenn unsere Fabrikationskosten gedeckt sind, | zu einer weiteren Entschädigung gern bereit finden.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Dresdner Werkstätten
für Handwerkskunst
ppa P. Hoffmannder Kaufmann Peter Rudolf Hoffmann, ausgewiesen als Prokurist der Firma Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt & Müller [vgl. Adreßbuch für Dresden 1904, Teil I, S. 336].


Postanweisung über M 50.--

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Maschinenschrift. Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Schreibmaschine. Lila Buntstift.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 22,5 x 28 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat auf der Rückseite des Doppelblatts eine Bleistiftskizze gezeichnet, eine Schaukelkonstruktion, die an zwei Stellen mit Bleistift erläutert ist: „Der Sitz ist 13 cm tief.“ „Das Fußbrett ist 15 cm. tief.“

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Dresden
    15. März 1904 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Dresden
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind-Archiv B, Nr. 39
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

(Firma) Dresdener Werkstätten für Handwerkskunst Schmidt & Müller an Frank Wedekind, 15.3.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

09.11.2023 22:33