Kennung: 466

Lenzburg, 24. Oktober 1895 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Eisenschitz, Otto

Inhalt

[1. Abgesandter Brief:]


Lenzburg 24.10.95.


Lieber Herr Eisenschitz,

verzeihen Sie, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben. Ich war vierzehn Tage mit einem Vortrage unterwegsWedekind ist in Zürich als Rezitator unter dem Namen Cornelius Mine-Haha aufgetreten.. Jetzt danke ich Ihnen für alle Ihre BemühungenEisenschitz hatte sich in Wien vergebens darum bemüht, Wedekinds Schwank „Fritz Schwigerling“ („Der Liebestrank“) beim Raimund-Theater und sein Drama „Der Erdgeist“ beim Deutschen Volkstheater unterzubringen.. Mit dem Resultat muß man sich abfinden. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich habe Ihnen von vornherein gesagt daß ich | wenig Vertrauen dareinhege, daß irgend ein Director sich so ohne weiteres an eins der Stücke wagen würde. Beim SchwiegeringVerschreibung; gemeint ist „Schwiegerling“, wie Wedekind seinen Schwank „Fritz Schwigerling“ in der Regel schrieb. schien es mir immer noch wahrscheinlicher. Glauben Sie nicht daß ich dabei irgendwie den Vortheil unterschätze den mir Ihre liebenswürdige Empfehlung bringen konnte und ja thatsächlich auch gebracht hat indem die Direction das Stück sonst jedenfalls nicht so prompt ent/r/ledigtEisenschitz erinnerte sich, er habe den „Erdgeist“, den „mir Wedekind anvertraut hatte, der Direction des Deutschen Volkstheaters (Direktor Emmerich v. Bukovics)“ übergeben. „Aber mein Versuch mißglückte gründlich. Als ich mir Bescheid holen kam, ob die Annahme erfolgen würde, sah mich der Direktor so eigentümlich an, wie wenn er erforschen wollte, ob ich mir mit ihm etwa einen schlechten Scherz hätte erlauben wollen.“ Emmerich Bukovics habe zu dem Ansinnen einer Aufführung des Stücks gemeint, er wisse „nicht, haben Sie uns für verrückt gehalten oder sollen wir Sie für verrückt halten!“ [Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3-4, hier S. 3] haben würde. | Gegenwärtig arbeite ich für eine neue ZeitschriftDas erste Heft des „Simplicissimus“ erschien am 4.4.1896, darin Wedekinds Erzählung „Die Fürstin Russalka“., die das/ie/ Albert Langen in München gründet und hoffe darin für meine Sachen Propaganda zu machen. Ich freue mich nur daß Ihnen mein Erdgeist gefallen hat. Das ist immerhin ein Sonnenstrahl.

Ich hätte garnicht geglaubt daß Sie so lange in Wien bleiben würden, da mir Donald von einer Tournée nach Paris und London erzählte, die Sie vorhätten. Ich siedle Ende dieser Woche nach Zürich über, Briefe werden mir aber nachgeschickt. | Bis Ende des Winters hoffe ich bis München vorgedrungen zu sein.

Und nun leben Sie wohl, lieber Herr Eisenschitz. Nochmal vielen Dank für alles. Das ManuscriptEs dürfte sich um „Die junge Welt“ gehandelt haben; Wedekind setzte das Manuskript dieses Stücks mehrfach für Kontakte ein, um eine Aufführung oder den Druck zu erreichen. darf ich Sie vielleicht bitten an folgende Adresse schicken zu wollen
Herrn
E. Tomarkin
Dufourstrasse 138
Zürich.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.


[2. Druck:]


Lenzburg, 24. Oktober 1895.

Lieber Herr Eisenschitz! Verzeihen Sie, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben. Ich war vierzehn Tage mit einem Vortrag unterwegs. Jetzt danke ich Ihnen für alle Ihre Bemühungen. Mit dem Resultat muß man sich abfinden. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich habe Ihnen von vornherein gesagt, daß ich wenig Vertrauen dareinsetze, daß irgendein Direktor sich so ohne weiteres an eines der Stücke wagen würde. Glauben Sie nicht, daß ich dabei irgendwie den Vortheil unterschätzte, den mir Ihre liebenswürdige Empfehlung bringen konnte und ja tatsächlich auch gebracht hat, indem die Direction das Stück sonst jedenfalls nicht so prompt erledigt haben würde. Gegenwärtig arbeite ich für eine neue Zeitschrift, die Albert Langen in München gegründetDanach steht ein Sternchen: „gegründet*)“, das auf eine Anmerkung verweist: „*) Der ‚Simplicissimus‘.“, und hoffe, darin für meine Sachen Propaganda zu machen. Ich freue mich nur, daß Ihnen mein „Erdgeist“ gefallen hat. Das ist immerhin ein Sonnenstrahl.

Ich siedle Ende dieser Woche nach Zürich über, Briefe werden mir aber nachgeschickt. Bis Ende des Winters hoffe ich bis München vorgedrungen zu sein.

Und nun leben Sie wohl, lieber Herr Eisenschitz. Nochmal vielen Dank für alles. Mit herzlichen Grüßen Ihr Frank Wedekind

Ständige Adresse: Leipzig, Langestraße 3.

p. ad. Herrn Dr. Heine.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Name und Adresse auf Seite 4 in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 17,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Neben der Handschrift ist der Erstdruck wiedergegeben, da der Brief vom Empfänger selbst veröffentlicht wurde.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Lenzburg
    24. Oktober 1895 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Neues Wiener Journal

Seitenangabe:
3-4
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3-4. Die abschließende Adressangabe gehört zu Wedekinds Brief an Otto Eisenschitz vom 24.3.1898 und ist hier irrtümlich dem Brief vom 24.10.1895 zugeordnet.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Privatbesitz

Danksagung

Wir danken für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Otto Eisenschitz, 24.10.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

17.01.2024 16:08