Kennung: 465

Lenzburg, 7. September 1895 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Eisenschitz, Otto

Inhalt

[1. Abgesandter Brief:]


Lenzburg 7. Sept. 95.


Lieber Herr EisenschitzDer Name ist in der Handschrift an dieser Stelle von einer unbekannten Person weggekratzt, aber noch lesbar.

mein BruderEisenschitz teilte in der Einleitung zum Erstdruck des Briefes mit: „Frank Wedekind [...] hatte ich durch seinen mir befreundeten Bruder Donald […] kennengelernt.“ [Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3-4, hier S. 3] ist noch nicht angekommen. Er muß noch in Berlin sein. Seit mehreren Wochen habe ich keine Nachricht mehr von ihm. Ihre AdresseOtto Eisenschitz ist erstmals in „Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien“ von 1896 [Band 2, S. 197] verzeichnet und als Schriftsteller ausgewiesen; Adresse: Wien VI. Getreidemarkt 17. die Sie so freundlich waren herzuschicken habe ich nach Berlin gesandt. Erlauben Sie mir jetzt vielleicht, Sie um einige Auskunft und um zwei Adressen zu bitten. Sie können es mir sehr wol auf einer Carte mittheilen. Ich habe ein Stück liegen | ‒ um es kurz zu charakterisieren ‒ in der Art von Kean von Dumas, die Abentheuer eines Kunstreiters in Rußland. Ich hatte gedacht es entweder dem Raimundtheater oder dem Volkstheater in Wien einzureichen, weiß aber von beiden nicht ob sie noch existirenBeide Wiener Bühnen, das 1893 eröffnete Raimund-Theater und das 1889 eröffnete Deutsche Volkstheater, existierten noch viele Jahre., und wie und was sie spielenAuf beiden Bühnen mit ihrem oft wechselnden Programm wurden überwiegend Schwänke und Possen mit Gesang gespielt. Der 7.9.1895 als Stichtag genommen: Zu sehen war im Raimund-Theater „Der Alpenkönig und der Menschenfeind. Romantisch-komisches Märchen in 3 Akten“ von Ferdinand Raimund (Musik von Wenzel Müller), im Deutschen Volkstheater die Premiere „Alte Wiener. Volksstück mit Gesang in 4 Akten“ von Ludwig Anzengruber (Musik von Franz Roth)., wer maßgebende PersönlichkeitDirektor des Raimund-Theaters war Adam Müller-Guttenbrunn, des Deutschen Volkstheaters Emmerich von Bucovicz. ist e.ct. Würden Sie, Herr Eisenschitz, vielleicht die Liebenswürdigkeit haben mich darüber zu unterrichten, nur einige kurze Angaben, damit ich das Manuscript nicht ins Blaue hinausschicke.

Sollte ich mit dem Stück Glück haben, so sollte es mir eine Ehre und ein Vergnügen sein, | eventuell von Ihnen übersetzt zu werden. Aber nur dann. Das Risico bleibt auch im besten Fall immer noch groß genug für Sie. Das Stück ist nicht für Berliner Verhältnisse geschrieben. Dagegen meint auch mein Bruder daß es in Italien eventuell Glück haben könnte. Ich selber habe von vornherein an Wien gedacht und es daraufhin gearbeitet. Ich werde es übrigens auch am Gärtnertheater in München einreichenWedekind reichte seinen Schwank „Fritz Schwigerling“ (Der Liebestrank) dem Gärtnertheater zu diesem Zeitpunkt vermutlich noch nicht ein, sicher aber drei Jahre später, wie aus Wedekinds Brief an Beate Heine vom 14.8.1898 hervorgeht..

Und nun leben Sie wohl, Herr Eisenschitz.Der Name mit dem Punkt danach ist in der Handschrift an dieser Stelle von einer unbekannten Person weggekratzt, aber noch lesbar. Auf baldiges Wiedersehen. Mit bestem Dank im Voraus und ergebenstem Gruß Ihr
Frank Wedekind.


[2. Druck:]


Lenzburg, 7. Sept. 95.

Lieber Herr Eisenschitz, ich habe ein Stück liegen ‒ um es kurz zu charakterisieren ‒ in der Art des Kean von Dumas, die Abenteuer eines Kunstreiters von Rußland. Ich habe gedacht, es entweder dem Raimund-Theater oder dem Volkstheater in Wien einzureichen, weiß aber von beiden nicht, ob sie noch existieren, wie und was sie spielen, wer maßgebende Persönlichkeit ist ec. Würden Sie, Herr Eisenschitz, die Liebenswürdigkeit haben, mich darüber zu unterrichten, nur einige kurze Angaben, damit ich das Manuskript nicht ins Blaue hinausschicke.

Das Stück ist nicht für Berliner Verhältnisse geschrieben. Ich habe von vornherein an Wien gedacht und es daraufhin gearbeitet. Ich werde es übrigens auch dem Gärtner-Theater in München einreichen.

Und nun leben Sie wohl, Herr Eisenschitz. Auf baldiges Wiedersehen. Mit bestem Dank im Voraus und ergebenstem Gruß Ihr Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 17,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Name „Eisenschitz“ ist in der Handschrift an zwei Stellen – bei der ersten und letzten Nennung – weggekratzt, aber noch lesbar. Die Gründe dafür sind nicht bekannt, auch nicht, wer die Tilgungen vorgenommen hat. Die Tilgungen waren zum Zeitpunkt des Erstdrucks offenbar noch nicht erfolgt. Neben der Handschrift ist der Erstdruck wiedergegeben, da der Brief vom Empfänger selbst veröffentlicht wurde.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Lenzburg
    7. September 1895 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Neues Wiener Journal

Seitenangabe:
3
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3-4, hier S. 3. Der Erstdruck gibt den Brief gekürzt wieder.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Österreichische Nationalbibliothek

Josefsplatz 1
A-1015 Wien
Österreich

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Sammlung Norbert Hossner
Signatur des Dokuments:
363/9-1
Standort:
Österreichische Nationalbibliothek (Wien)

Danksagung

Wir danken der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Otto Eisenschitz, 7.9.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

17.01.2024 16:06