Kennung: 4620

Hamburg, 4. November 1905 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Arnold, Gertrud

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

ColonnadenStraßenzug in Hamburg; unter der angegebenen Adresse (Colonnaden 44/46) ist der Reisende (Vertreter) Carl Springe gemeldet [vgl. Hamburger Adressbuch 1905, Teil II, S. 625; Teil IV, S. 138], bei dem Gertrud Arnold in Untermiete wohnte (wohl eine Privatpension, die in späteren Jahren als ein von Carl Springe betriebenes Hotel ausgewiesen ist). 44 – 46

b. Springe.


Lieber

gestern Abendam 3.11.1905. Gertrud Arnold feierte am 31.10.1905 in Berlin – „Abschiedsabend von Gertrud Arnold“ [Tb] – ihren Abschied vom Kleinen Theater, wo sie in der „Hidalla“-Inszenierung (Premiere: 26.9.1905) die Rolle der Fanny Kettler gespielt hat (zuletzt am 30.10.1905), und dürfte bald darauf nach Hamburg abgereist sein. kam ich heim, u. dachte auf der Treppe wie nett es doch wäre, wenn ich wenigstens mal einen Gruß von Ihnen kriegte, u. wie ich Licht machte fielen mir die Karten in die Augen – 5 Wortenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Gertrud Arnold, 2.11.1905. ‒ Es könnte sich bei dieser Postkarte (oder Bildpostkarte), eine der „Karten“, die Gertrud Arnold am 3.11.1905 vorfand, um eine spät abends in der Berliner Künstlerklause Carl Stallmann geschriebene Gruppenpostkarte gehandelt haben, die Wedekind mit einem Gruß von fünf Worten versah und mitunterzeichnete; er notierte am 2.11.1905: „Bei Stallmann treffe ich Schönau, Schadt und Else v. Ruttersheim.“ [Tb] Max Schönau, Schriftsteller und Theaterkritiker aus Charlottenburg (Wielandstraße 11) [vgl. Berliner Adreßbuch 1906, Teil I, S. 2022], der im selben Haus wohnte, in dem Gertrud Arnold gewohnt hatte [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 278], und Else von Ruttersheim, Schauspielerin am Trianon-Theater in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 284], waren auch bei einem langen Abend dabei gewesen, den Wedekind mit Gertrud Arnold verbracht hatte, wie er am 2.10.1905 notierte: „Mit Schönau und Gertrud Arnold und Else von Ruttersheim und Albert Heine die Nacht durchgekneipt.“ [Tb] fand ich zuerst – die Ihren – u. schlief in der Erinnerung an sie ein – träumte | wahrhaftig sogar unsere Fahrt zu Steinert u. Hansenzur Berliner Weinstube Steinert und Hansen (Albrechtstraße 24/25); im Tagebuch nicht notiert (insofern ist jener Abend nicht zu datieren). an jenem Abend in greifbarer Deutlichkeit, u. heute kommt ein Brief von m. Gretenicht überliefert; Verfasserin war wohl die Schauspielerin Grete Gallus, am Deutschen Theater Kollegin von Gertrud Arnold [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 285], die dann ein Gastspiel am Stadttheater in Frankfurt an der Oder hatte [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 380]. mit gelben Crysanthemenblättern drin!!! Lauter Erinnerungen, – wie schade, daß Alles vorbei, u. ich in das fremde LandGertrud Arnold war im Begriff, in die USA zu reisen, zu einem viermonatigen Gastspiel am Irving Place Theatre in New York, wie die Presse schon vor Wochen berichtet hatte: „Am Irving Place-Theater“ werde „Gertrud Arnold vier Monate lang spielen“ [Berliner Bühnenkünstler in New-York. In: Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 477, 19.9.1905, Morgen-Ausgabe, S. (3)]; Saisoneröffnung war am 23.11.1905 und Gertrud Arnold hatte dort am 1.12.1905 in einer Hauptrolle Premiere: „Das New-Yorker Irving Place-Theater, dessen neue Saison unter Heinrich Conrieds Leitung am 23. November eröffnet wurde, verfügt auch in diesem Jahre über eine größere Anzahl in Deutschland sehr bekannter Darsteller. So wirkten in einer am 1. December zur Aufführung gelangten Neustudirung von Wilbrandts ‚Arria und Messalina‘ in der Titelrolle Frau Gertrud Arnold [...] und als Marius Harry Walden mit.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 579, 10.12.1905, Morgen-Ausgabe, S. 16] muß; ich möchte in die Haut von Frl. N. schlüpfen, – ob es | mir in der wohl gut ginge? Was macht HidallaGertrud Arnold hatte seit der Premiere von „Hidalla“ am 26.9.1905 wochenlang am Berliner Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky) erfolgreich die weibliche Hauptrolle der Fanny Kettler gespielt, die sie dann an Tilly Newes abgeben musste. denn für Geschäfte? Ich will Sie auf alle Fälle noch mal sehenGertrud Arnold war am 10.11.1905 nochmals in Berlin und im Theater, wo die 34. „Hidalla“-Vorstellung lief (nun mit Tilly Newes in der Rolle der Fanny Kettler), wie Wedekind notierte: „Hidalla 34. Gertrud Arnold erscheint hinter der Kulissen.“ [Tb], – vielleicht sind wir sogar noch mal einen Abend zusammen! – Unnütze Quälerei, aber ich hab doch Freude dran. – Wenn Sie mir übrigens zu Dienstagzum 7.11.1905, an dem Gertrud Arnold in einer Premiere am Hamburger Stadttheater auftrat. Die Presse meldete: „Viktor Hahns Schauspiel ‚Die Byzantiner‘ ging am gestrigen Dienstag im Hamburger Stadttheater zum erstenmal in Szene und erzielte bei vorzüglicher Darstellung durch [...] Gertrud Arnold einen unbestrittenen Erfolg.“ [Dresdner Journal, Nr. 260, 8.11.1905, S. 2064] „Ein Gast [...], Frau Gertrud Arnold, interessierte lebhaft durch ihr sehr nüanciertes Spiel, das in Verbindung mit einem sehr wohlklingenden, gut geschulten Organ eine sehr routinierte Schauspielerin erkennen ließ.“ [Altonaer Nachrichten, Jg. 56, Nr. 526, 8.11.1905, Abend-Ausgabe, S. (2)] Sie trat nur an diesem Abend als Gast auf, wie angekündigt war: „Dienstag Abend gelangt, vom Direktor-Stellvertreter Jelenko inszeniert, das Schauspiel ‚Die Byzantiner‘ von Viktor Hahn zur Uraufführung mit einer Gastin, Frau Gertrud Arnold, die [...] in Berlin in hervorragender Position glänzende Erfolge erzielt hat und hier die Rolle der Kaiserin-Mutter kreieren wird.“ [Hamburgischer Correspondent, Jg. 175, Nr. 565, 5.11.1905, Morgen-Ausgabe, 2. Beilage, S. 8], dem Tage meines Auftretens hier, eine | große Freude bereiten wollen, dann schreiben Sie mir zu dem Tag ein paar Zeilen, – so gräßlich schwer wirds Ihnen hoffentlich nicht; denken Sie an die Laune, wie mir damals weh getan war, die Sie veranlaßte zärtlich zu mir zu sein, – aus der Stimmung heraus bringen Sie auch einen Brief für mich zustande | ja? – Ach Gott, Sie sind doch ein gräßlicher Mensch, ich möchte so gern, daß Sie mir unausstehlich wären! Jeden Abend 5 Min vor ¼ 115 Minuten vor 22.45 Uhr – Anspielung auf die fast allabendlichen gemeinsamen „Hidalla“-Vorstellungen vom 26.9.1905 bis 30.10.1905 am Kleinen Theater in Berlin (Beginn jeweils 20 Uhr), bei denen Gertrud Arnold als Fanny Kettler und Wedekind als Karl Hetmann auf der Bühnen standen und um diese Uhrzeit etwa jeweils zu Ende gewesen sein dürften. fehlt mir ein Kuß!!!

Nicht bös sein über den FleckDer Briefbogen enthält auf der Innenseite einen Fleck nicht identifizierbarer Herkunft., ich weiß nicht wie er auf den | Bogen gekommen! – – Also – Dienstag ja? – Briefe werden nicht ins Zimmer gebracht, ich hole sie mir aus dem KastenBriefkasten in der Hamburger Pension (siehe oben). – nun seien Sie nett – Ekel, ja? Viele herzl. Grüße und – – was Sie sonst noch wollen,
doch Ihre treueste Fanny.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 17,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 4.11.1905 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum, abgeleitet vom Briefinhalt in Verbindung mit dem Tagebuch. Der Schreibort ist durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    Hamburg
    4. November 1905 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Hamburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 123
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Gertrud Arnold an Frank Wedekind, 4.11.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

14.12.2023 18:40