Kennung: 4319

München, 3. Juni 1905 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Kraus, Karl

Inhalt

Lieber Herr Kraus,

hier ist der Brief wieder. Die ursprüngliche Fassungnicht überlieferter Brief; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Karl Kraus, 1.6.1905. ‒ Karl Kraus merkte im Erstdruck an: „Der telegraphisch angekündigte Dankbrief an die Gesamtheit der Mitwirkenden war nicht eingetroffen.“ [Kraus 1920, S. 112] war besser und frischer. Ich verstehe den Vorfall nicht; das erste Mal dasSchreibversehen, statt: Mal, daß. – Karl Kraus hat die Korrektur im Erstdruck ausgeführt. mir ein Brief verloren geht! Und nun gerade dieser! Ich hab ihn mit einem andern zusammen selbst | in den KastenBriefkasten. geworfen. Dessen bin ich vollkommen sicher. Was werden Sie über mein vollständiges Schweigen gedacht haben!

In Eile Ihr
Wedekind.


[Beilage:]


Lieber Herr Kraus!

Die Aufführung der „Büchse der Pandora“ in Wien, die Sie mit Aufbietung so großer künstlerischer Arbeit und einer Energie ins Werk setztenKarl Kraus veranstaltete die Wiener Premiere von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903), die als geschlossene Vorstellung „vor geladenem Publikum“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15] am 29.5.1905 stattfand (eine zweite Vorstellung am 15.6.1905), in einem Trianon-Theater genannten Saal im Nestroyhof (Wien II, Praterstraße 34) [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien, Bd. 1, Teil I, S. 70], den er „für diesen Zweck gemietet hatte.“ [Nottscheid 2008, S. 141] Das war eine Bühne „mit etwa vierhundert Plätzen“ [Fischer 2020, S. 127], die erst hergerichtet und die Schauspielerinnen und Schauspieler erst gewonnen werden mussten. Karl Kraus fand dabei zwar Unterstützung, trug aber (auch finanziell) „die Hauptlast der Vorbereitungen“ [Nottscheid 2008, S. 142]. Er äußerte sich später über seinen „Anteil“ an der Inszenierung: Es habe ihm „in keinem Augenblick leid getan, mich in die Sache eingelassen zu haben“; es „war mir innerhalb eines Monates so wenig Zeit gegönnt wie zum Schlafengehen, denn ich war [...] Theaterdirektor, Mitregisseur, Dramaturg, Schauspieler und Conferencier, und als Theaterdirektor hatte ich es nicht etwa mit dem Ensemble und dem Inventar einer vorhandenen Bühne zu tun, sondern ich mußte einen Saal in ein Theater verwandeln, und außer den Schauspielern, die zwanzig verschiedenen Ensembles angehörten und zum Teil im Ausland wirkten, die Kulissen, die Dekorationen, die Kostüme, die Perücken, die Schminktöpfe und den Souffleurkasten zur Stelle schaffen.“ [Die Fackel, Jg. 14, Nr. 370-371, 5.3.1913, S. 26] Karl Kraus, der auch die kleine Rolle des Kungu Poti spielte, sprach vor Beginn der Vorstellung eine im Programmzettel „Vorlesung“ genannte „Einleitung zu der Aufführung“ unter dem Titel „Die Büchse der Pandora“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 1-15], zu der Wedekind am 28.5.1905, dem Vorabend der Premiere, notierte: „Kraus liest mir seine Conference vor.“ [Tb], um die ich Sie stets beneiden werde, ist ganz ohne Zweifel einer der bedeutungsvollsten Zeitpunkte in der Entwicklung meiner literarischen Thätigkeit. Der uneingeschrenkteSchreibversehen, statt: uneingeschränkte. – Karl Kraus hat die Korrektur 1905 im Erstdruck und im Druck von 1920 ausgeführt. Beifall, der der Vorstellung folgte, löste bei mir ein Empfinden der seelischen Erleichterung aus, für das ich wol Zeit meines Lebens Ihr Schuldner | bleiben werde.

Darf ich Sie nun aber auch bitten, unseren verehrten lieben Künstlern und Künstlerinnen, und KünstlernKarl Kraus hat in der „Fackel“ den Programmzettel der Wiener „Büchse der Pandora“-Inszenierung – der „Besetzungszettel ist legendär“ [Fischer 2020, S. 128] – faksimiliert abgedruckt, Kopf: „TRIANON-THEATER (Nestroyhof) Wien, 29. Mai 1905“, abschließend die Hinweise: „Der erste Akt spielt in Deutschland, der zweite in Paris, der dritte in London. Die Vorstellung findet vor geladenem Publikum statt. Anfang präzise ½8 Uhr“, dazwischen vor dem Personenverzeichnis: „Einleitende Vorlesung von Karl Kraus“, dann: „Hierauf: DIE BÜCHSE DER PANDORA Tragödie in drei Aufzügen von Frank Wedekind. Regie: Albert Heine.“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15] Die Darstellerinnen und Darsteller sind im Personenverzeichnis in dieser Reihenfolge aufgeführt: Tilly Newes („Lulu“), Ossip Demetrius Potthof („Alwa Schön“), Alexander Rottmann („Rodrigo Quast, Athlet“), Albert Heine („Schigolch“), Tony Schwanau („Alfred Hugenberg, Zögling einer Korrektionsanstalt“), Adele Sandrock („Die Gräfin Geschwitz“), Anton Edthofer („Marquis Casti-Piani“), Gustav d’ Olbert („Bankier Puntschu“), Wilhelm Appelt („Journalist Heilmann“), Adele Nova („Magelone“), Ida Orloff („Kadéga di Santa Croce, ihre Tochter“), Dolores Stadlon („Bianetta Gazil“), Claire Sitty („Ludmilla Steinherz“), Irma Karczewska („Bob, Groom“), Egon Friedell („Ein Polizeikommissär“), Ludwig Ströb („Herr Hunidey“), Karl Kraus („Kungu Poti, kaiserlicher Prinz von Uahubee“), Arnold Korff („Dr. Hilti, Privatdozent“), Frank Wedekind („Jack“)., die in so selbstloser Weise ihre Zeit und ihr Können in den Dienst der Aufführung stellten und deren prachtvolle Gestaltungen in allererster Linie den Beifall hervorriefen, meinen aufrichtigen und herzlichen Dank aussprechen zu wollen. Ich bitte Sie, denKarl Kraus hat 1905 im Erstdruck und im Druck von 1920 ergänzt: Sie – in der Reihenfolge des Verzeichnisses –, den. Damen Tilly NewesTilly Newes, die in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle der Lulu spielte, war Schauspielerin am Kaiserjubiläums-Stadttheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603]; sie sollte zuerst die „Hosenrolle“ des fünfzehnjährigen Liftboy Bob“ [Wedekind 1969, S. 40] spielen, die dann Ida Orloff übernahm, da die Rolle der Lulu, deren Besetzung das „schwierigste Problem bei den Vorbereitungen“ [Fischer 2020, S. 1289] und lange unklar war, wer sie spielen könne, mit ihr besetzt wurde, die, wie sie später schrieb, „entscheidend für mein ganzes Leben werden sollte.“ [Wedekind 1969, S. 40] Ein persönlicher Dankbrief an sie ist erhalten [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.6.1905]. Wedekind heiratete sie am 1.5.1906 in Berlin., Adele SandrockAdele Sandrock, die in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle der lesbischen Gräfin Geschwitz spielte, war Schauspielerin am Kaiserjubiläums-Stadttheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603]; sie hatte einen großen Namen noch von ihrer Zeit am Burgtheater her, war aber nicht einfach. Karl Kraus merkte zur zweiten Vorstellung am 15.6.1905 an: „Jene war noch in letzter Stunde in Frage gestellt, da morgens eine Absage der großartigen Darstellerin der Geschwitz eingelangt war. Albert Heines und meiner Anstrengung gelang es schließlich, Adele Sandrock, die unter allerlei Einflüssen die Mitwirkung, und zwar aus Sittlichkeitsgründen, verweigern wollte, zum Auftreten zu bestimmen, das zugleich ihr Abschied von einem dem großen Theater fremd gewordenen Wien war.“ [Kraus 1920, S. 115] Sie ging dann nach Berlin. Beim Wiederabdruck seiner Conference (siehe oben) erinnerte er auch an die eigenwillige Schauspielerin „Adele Sandrock (die am Tage der zweiten Aufführung aus Moralgründen einen ihrer außerordentlichsten Erfolge vereiteln wollte)“ [Die Fackel, Jg. 27, Nr. 691-696, Juli 1925, S. 43]. Ein persönlicher Dankbrief an sie ist überliefert [vgl. Wedekind an Adele Sandrock, 5.6.1905]., Adele NovaAdele Nova, die in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle der Magelone (1903 in der Buchausgabe: Madelaine de Marelle) spielte, war Schauspielerin am Jantsch-Theater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 608]., Iduschka OrloffIda Orloff, die in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle der Kadéga di Santa Croce (später: Kadidja) spielte, im Theaterzettel „Iduschka Orloff“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15], mit Tilly Newes befreundet, im Frühjahr 1905 noch in der von Albert Heine geleiteten Schauspielschule am Burgtheater „seine begabteste Schülerin“ [Wedekind 1969, S. 40], die er als Regisseur für die Rolle engagierte, wurde dann Schauspielerin am Lessingtheater in Berlin (Direktion: Otto Brahm) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 274] – ein Karrieresprung. Der Direktor saß im Publikum und Ida Orloff hat „einen solchen Eindruck auf den Zuschauer Otto Brahm“ gemacht, „daß er sie nach Berlin holt.“ [Leppmann 1989, S. 239] Durch ihren Auftritt in der Privatvorstellung „Die Büchse der Pandora“ in Wien – so Tilly Wedekind im Rückblick – „ergab sich damals für sie ein Engagement nach Berlin“ [Wedekind 1969, S. 40, Dolores StadlonDolores Stadlon spielte in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle der Bianetta Gazil; über sie ist Näheres nicht bekannt., Claire Sitty,Schreibversehen (überflüssiges Komma), statt: Sitty. – Karl Kraus hat die Korrektur 1905 im Erstdruck und im Druck von 1920 ausgeführt. Claire Sitty, die in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle der Ludmilla Steinherz spielte, war Schauspielerin am Theater in der Josefstadt in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 607]. und Irma KarczewskaIrma Karczewska, die in der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Bob spielte, eine ‚femme enfant‘, zu der Karl Kraus „eine besondere Neigung“ [Fischer 2020, S. 157] hatte und sie „später an das Cabaret ‚Nachtlicht‘ vermittelte“ [Wagner 1987, S. 136], hatte Karl Kraus wohl „unmittelbar während der Vorbereitung der Aufführung“ [Fischer 2020, S. 158] kennengelernt; er schätzte sie sehr und nannte sie „ein ungewöhnlich begabtes Geschöpf, auf dessen Entdeckung für die Bühne – sie trat vor einem Jahr in der ‚Büchse der Pandora‘ auf – ich stolz bin: die kleine Ingrid Loris (Irma Karczewska), die mit einem Blick ins Publikum mehr Leben in die Bude bringt als ein Dutzend ausgewachsener Chansonnièren mit einem Repertoire wohlstudierter Gesänge.“ [Die Fackel, Jg. 8, Nr. 203, 12.5.1906, S. 19], so wieSchreibversehen, statt: sowie. – Karl Kraus hat die Korrektur 1905 im Erstdruck und im Druck von 1920 ausgeführt. den Herren O. D. PotoffSchreibversehen, statt: Potthoff. – Karl Kraus hat die Korrektur 1905 im Erstdruck und im Druck von 1920 ausgeführt. Dr. phil. Ossip Demetrius Potthoff, der in der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Alwa Schön spielte, im Theaterzettel unter seinem Pseudonym „O. D. Potthof“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15] ausgewiesen, war Schauspieler am Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 600]., Alexander RottmannAlexander Rottmann, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Athleten Rodrigo Quast spielte, war Schauspieler am Kaiserjubiläums-Stadttheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603]., Albert HeineAlbert Heine, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Regie führte und die Rolle des Schigolch spielte, war Schauspieler am Wiener Burgtheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 593]., Arnold KorffArnold Korff, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Privatdozenten Dr. Hilti spielte, war Schauspieler am Wiener Burgtheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 593]. In der zweiten Wiener Vorstellung am 15.6.1905 übernahm er zusätzlich die Rolle des Marquis Casti-Piani (1903 in der Buchausgabe: Graf Casti Piani). Karl Kraus merkte im Erstdruck dazu an: „Spielte in der zweiten Aufführung außer dem Dr. Hilti auch den Casti Piani.“ [Kraus 1920, S. 113], Tony SchwanauAnton (Toni) Schwanau, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Alfred Hugenberg spielte, im Theaterzettel „Tony Schwanau“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15], der am Intimen Theater in Wien aufgetreten ist [vgl. Deutsches Volksblatt, Jg. 16, Nr. 5700, 15.11.1904, Morgen-Ausgabe, S. 10] und im Frühjahr 1905 wohl ohne Engagement, war dann als Schauspieler am Stadttheater in Bonn (Direktion: Otto Beck) engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 304], kehrte aber nach Wien zurück und spielte am Theater in der Josefstadt [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 622]., | Anton EdthoferAnton Edthofer, der in der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Marquis Casti-Piani (1903 in der Buchausgabe: Graf Casti Piani) spielte, war Schauspieler am Intimen Theater in Nürnberg [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 516], wo unter der Regie von Emil Meßthaler Wedekinds Tragödie am 1.2.1904 uraufgeführt worden war. Die Rolle des Casti Piani übernahm in der zweiten Wiener Vorstellung am 15.6.1905 Arnold Korff., Gustav d’OlbertGustav d’Olbert, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Bankiers Puntschu spielte, war Schauspieler am Jantsch-Theater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 608]., Wilhelm AppeltWilhelm Appelt, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Journalisten Heilmann spielte, war Schauspieler am Wiener Kaiserjubiläums-Stadttheater sowie am Intimen Theater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603, 610]., Egon FridellSchreibversehen, statt: Friedell. – Karl Kraus hat die Korrektur im Druck von 1920 ausgeführt, nicht aber 1905 im Erstdruck; im faksimiliert wiedergegebenen Theaterzettel zur Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) ist der Name „Egon Fridell“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 15] geschrieben. Dr. phil. Egon Friedell, Journalist und Essayist, der die Rolle des Polizeikommissärs spielte, stand in der Wiener Premiere von Wedekinds Tragödie am 29.5.1905 als „Hobbyschauspieler“ auf der Bühne, „Karl Kraus bei der Vorbereitung dieser Aufführung assistierend und ihm damals recht eng verbunden.“ [Fischer 2020, S. 130], Ludwig StröbLudwig Ströb, der in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des Herrn Hunidey (1903 in der Buchausgabe: Mr. Hopkins) spielte, war Theaterinspizient und Schauspieler am Kaiserjubiläums-Stadttheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603]. und nicht in letzter Linie sich selbstKarl Kraus spielte in der Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) die Rolle des „Negerprinzen“ [Wedekind 1969, S. 40] Kungu Poti, an die Berthold Viertel, der im Publikum saß, sich erinnerte: „Woran ich mich erinnere, ist das sprungartige Auftreten und Abgehen der grotesken Figur, das Grinsen des pausbäckigen Knabengesichts unter der dunklen Schminke, die weißen blitzenden Zähne in diesem Gesicht und die jähe ausfahrende Bewegung des langen Armes beim Niederschlagen Alwas, nicht zuletzt aber die naiv-sinnliche Galanterie, die mit der Brutalität des Ungeheuers zusammen ging. Es war etwas Grauenhaftes, aber auch Frechheit und Witz in dieser blitzschnellen Szene.“ [Nachlassmanuskript, zit. nach: Fischer 2020, S. 132] Karl Kraus bezog die Stelle auf Wedekind, der die Rolle des Frauenmörders Jack spielte, und merkte im Erstdruck dazu an: „An erster Stelle unter den Mitwirkenden stand Frank Wedekind als Jack, den er mit einer ruhigen und umso furchtbareren Sachlichkeit sprach.“ [Kraus 1920, S. 113] den Ausdruck meiner Verehrung und steten Dankbarkeit zu übermitteln. Wollen Sie bitte Herrn HofschauspielerSchreibversehen, statt: Hofburgschauspieler. – Karl Kraus hat die Korrektur 1905 im Erstdruck und im Druck von 1920 ausgeführt. Das Burgtheater in Wien hieß offiziell „K. K. Hofburgtheater“ [Neuer Theater-Almanach 1905, S. 591]. Heine für seine herrliche Regie und Herrn Kunstmaler Hollitzer für die künstlerische FörderungCarl Leopold Hollitzer hat für die Wiener Inszenierung der „Büchse der Pandora“ (siehe oben) das Lulu-Porträt als Pierrot gemalt. Karl Kraus merkte im Erstdruck dazu an: „Hatte sein Atelier als Raum für die ersten Proben zur Verfügung gestellt und das Porträt der Lulu im Pierrotkostüm, ein Requisit der Handlung, angefertigt.“ [Kraus 1920, S. 114], die er der Aufführung zutheil werden ließ, noch ganz besonders die Hand drücken.

In Verehrung und Ergebenheit
München, den 3. Juni 1905
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 22,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Karl Kraus hat mit Bleistift diverse Einträge auf der Beilage vorgenommen. Er notierte oben auf Seite 1 der Beilage „Ich erhalte die folgende Zuschrift“ (gestrichen), markierte den zweiten Absatz mit einer vorangestellten öffnenden Kastenklammer, fügte nach „Ich bitte Sie,“ zweifach korrigiert ein: „– in der Reihenfolge des Programm{Personen}-Verzeichnisses“ („Programm“ gestrichen, darüber ersetzt durch „Personen“ – ebenfalls gestrichen, so dass in der letzten Schreibschicht nur „Verzeichnisses“ steht), strich ein Komma (nach „Sitty“), ergänzte Buchstaben („th“ in „Potthoff“, „e“ in „Friedell“), strich einen Namen und stellte ihn durch Unterpunktung wieder her („Arnold Korff“).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    3. Juni 1905 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefe Frank Wedekinds

Titel des Aufsatzes:
Briefe Frank Wedekinds
Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Karl Kraus
Verlag:
Wien: Verlag "Die Fackel"
Jahrgang:
1920
Seitenangabe:
112-114
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Briefe Frank Wedekinds. In: Die Fackel, Jg. 21, Nr. 521-530, Januar 1920, S. 112-114. Im Erstdruck ist zu dem Brief in einer Fußnote angemerkt: „Der telegraphisch angekündigte Dankbrief an die Gesamtheit der Mitwirkenden war nicht eingetroffen.“ Die Beilage ist mit vier Fußnoten versehen. Nach der Anrede ist vermerkt: „Erschienen in der Fackel Nr. 182.“ Nach dem Namen von Arnold Korff ist angemerkt: „Spielte in der zweiten Aufführung außer dem Dr. Hilti auch den Casti Piani.“ Nach dem gleich darauf folgenden „selbst“ ist angemerkt: „An erster Stelle unter den Mitwirkenden stand Frank Wedekind als Jack, den er mit einer ruhigen und umso furchtbareren Sachlichkeit sprach.“ Nach „ließ“ im letzten Satz zu Carl Leopold Hollitzer ist angemerkt: „Hatte sein Atelier als Raum für die ersten Proben zur Verfügung gestellt und das Porträt der Lulu im Pierrotkostüm, ein Requisit der Handlung, angefertigt.“ Die Beilage hatte Karl Kraus bereits 1905 veröffentlicht und das Schreiben einleitend als offenen Brief kenntlich gemacht: „Ich erhielt das folgende, zur Veröffentlichung bestimmte Schreiben:“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 182, 9.6.1905, S. 16] – Neuedition des Briefs mit Beilage: Nottscheid 2008, S. 34 (Nr. 22). Neuedition der Beilage als offener Brief: KSA 5/II, S. 224.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Wienbibliothek im Rathaus

Felderstraße 1
1082 Wien
Österreich

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Karl-Kraus-Archiv
Signatur des Dokuments:
H.I.N. 139705 und 139721
Standort:
Wienbibliothek im Rathaus (Wien)

Danksagung

Wir danken der Wienbibliothek im Rathaus für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstückes.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Karl Kraus, 3.6.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

17.04.2023 09:12