Dr. Wilhelm
Rosenthal
Ludwig Strauss III
Rechtsanwälte.
Telephonruf Nr. 171.
München, den
3. Octbr. 1907
Fürstenfelderstr.
10/II.
Sehr geehrter Herr Wedekind!
In der AngelegenheitFrida Strindberg verlangte von Wedekind Alimente für ihren gemeinsamen Sohn Friedrich Strindberg, der am 21.8.1897 geboren war. Wedekind wurde in der Sache durch Wilhelm Rosenthal vertreten, Frida Strindberg zunächst von Theodor Löwenfeld. der Frau Strindberg fand sich diese am 1. cr.currentis (lat.) = des laufenden Monats (oder: Jahres). auf
meiner Kanzlei ein, um mit mir über die Angelegenheit auch persoenlich zu
sprechen; ich erklaerte ihr, daß Sie principiell bereit seien, die
Angelegenheit in Güte zu ordnen, daß Sie aber die Meinung haetten, daß das Kind
doch nicht | in unsichere Verhaeltnisse kommen sollte; darauf sprach dann Frau Strindberg, daß das Kind in ein Internatdas städtische Schülerheim Stockerau [vgl. Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 14.11.1907].
mit Realgymnasium in Stockerau bei Wien kommen soll, daß ihr aber vor Allem
daran liege, daß der Familienstand des KindesFriedrich Strindberg galt aufgrund des Zeitpunkts der Scheidung Frida Strindbergs von August Strindberg noch als eheliches Kind dieser Verbindung. Die Ehe wurde am 5.2.1897 geschieden, Friedrich Strindberg am 21.8.1897 geboren. festgestellt werde.
Ich gab ihr zu erkennen, daß dies nach meiner Meinung
sehr schwer sei, daß Sie aber selbstverstaendlich nach Verhaeltnis Ihrer
Mittel, ihr beistehen würden, obwohl Sie wünschen, daß das Kind zu ihrer MutterFriedrich Strindberg war ebenso wie seine Halbschwester Kerstin Strindberg bislang in der Obhut seiner Großmutter Marie Uhl, der Mutter Frida Strindbergs, sowie der Urgroßmutter Marie Reischl aufgewachsen.
kommen soll; dies erklaerte Frau Strindberg | wieder für unmoeglich, da die
Mutter an religiösen Wahnvorstellungen leide; Frau Reichl,
ihre Großmutter, sei verstorbenFriedrich Strindbergs Urgroßmutter Marie Reischl war 1904 verstorben. Vor der Übersiedlung Marie Uhls nach Mondsee wuchs Friedrich Strindberg in Saxen und Dornach bei seiner Großmutter und Urgroßmutter auf [vgl. Marie Reischl an Wedekind, 16.11.1901]., sonst hätte es zu dieser, welche das Kind sehr
gern gehabt habe, kommen koennen.
Als ich bemerkte, daß Sie auch einen mäßigen Betrag für das Kind hinterlegen wollten und
zunächst einen Betrag von 1200 M. nannte, wurde Frau Strindberg
sehr aufgeregt, sprach von Almosen u. A., so daß ich sie nur mit großer Mühe beruhigen konnte.
Sie sagte dann auch, daß ein solches Anerbieten bei Ihren
Einkommensverhaelt|nissen (Sie haetten letztes Jahr 80000 M (!) verdient)
unbegreiflich sei; und es scheint in der That, daß Frau Strindberg diesen Erzaelungen über Ihr
Einkommen Glauben geschenkt hat, wenigstens ließ sie es sich nur sehr schwer
ausreden. –
Ich habe dann mit
ihr vereinbart, mich bei Loewenfeld odern BernsteinDer Rechtsanwalt und Schriftsteller Max Bernstein wohnte mit seiner Ehefrau, der Schriftstellerin Elsa Bernstein, einer Freundin Frida Strindbergs, in München (Briennerstraße 8a) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1906, Teil I, S. 39].
zu einer Besprechung zu treffen, wobei ich auch sagte, daß Sie bereits wieder
verreistWedekind reiste am 3.10.1907 abends von München nach Berlin [vgl. Tb], dem Tag, auf den auch der vorliegende Brief datiert ist. seien; nun scheint es, daß Frau Strindberg
Sie in der Stadt gesehen hat und darauf sandte (S) sie mir einen | maßlos aufgeregten Brief, mit der
Mittheilung, sie werde nun alles Herrn Dr. Frischauer überlassen!
Ich habe Professor Loewenfeld von diesem Zwischenfall
unterrichtet und ihnSchreibversehen, statt: ihm. erklaert, daß ich trotzdem zu einer Besprechung bereit sei und hoffe, die Sache noch in
Güte regeln zu koennen.
Ich wollte nicht verfehlen, Ihnen hiervon Kenntnis zu
geben und grüße Sie bestens
als Ihr Ihnen stets ergebener
DWRosenthal
Rechtsanwalt.