Kennung: 2929

Mondsee, 24. Juni 1915 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mondsee, 24. Juni 1915.


Mein lieber Frank!

Hoffentlich hast Du meine Kartevgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 18.6.1915. erhalten, die Dir den so unerwartet günstigen Verlauf meiner Prüfung anzeigte. Seit letzten Sonntagden 20.6.1915. halte ich mich nun in Mondsee auf, um mich von den letzten Studien und für die kommende Militärzeit gründlich auszurastenösterreichisch für auszuruhen.. Ich warte noch auf die legalisierte BewilligungDa Friedrich Strindberg sich als Einjährig-Freiwilliger melden wollte [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 24.4.1915 und 30.5.1915], galt für ihn folgende Regelung: „Jünglinge, die das 17. Lebensjahr erreicht haben und freiwillig zum Militär gehen wollen, haben ein diesbezügliches Gesuch an das Kommando jenes Regiments zu richten, in welches sie einzutreten wünschen. Dem Gesuch haben sie beizulegen: Den Eintrittschein der zuständigen politischen Bezirksbehörde und die schriftliche, von der Bezirksbehörde des Aufenthaltsorts beglaubigte Zustimmung des Vaters oder des Vormundes.“ [Unser ist Sieg. In: Welt-Blatt, Jg. 42, Nr. 74, 1.4.1915, S. 17] meines Vormunds, um dann der Meldung meines, in der Allgemeinheit schon eingezogenen JahrgangesÜber die Abfolge von Meldung, Musterung und Einberufung berichtete die Presse: „Die Musterung der Achtzehnjährigen das sind die im Jahre 1897 Geborenen, findet in der Zeit vom 16. Juni bis 1. Juli 1915 statt. Da über diese Landsturmpflichtigen noch keine Landsturmrolle besteht, muß zunächst ihre Verzeichnung erfolgen. Es haben sich daher alle in der Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1897 geborenen männlichen Personen, die österreichische oder ungarische Staatsbürger sind oder ausländische Staatsangehörigkeit nicht nachzuweisen vermögen, bis längstens 10. Juni 1915 im Gemeindeamte (beim Magistrat) ihres Aufenthaltsortes zur Zeit der Erlassung der betreffenden Einberufungskundmachung – d. i. am 24. Mai 1915 – zu melden. […] Bei der Meldung erhält jeder ein Landsturm-Legitimationsblatt, welches auch als Bestätigung der Meldung dient, sorgfältig aufzubewahren und zur Musterung mitzubringen ist. Die Einberufung der bei der Musterung geeignet befundenen wird für einen späteren Zeitpunkt erfolgen.“ [Volksfreund, Jg. 26, Nr. 22, 29.5.1915, S. 8] nachzukommen. |

Die letzten Tage in Salzburg zählten nicht zu den angenehmsten; es galt sehr viel zu lernen und ich bitte Dich zu entschuldigen, wenn ich Dir so wenig schreiben konnte. Auch über den Stand Deiner Gesundheit bin ich so wenig orientiert. Hoffentlich geht es Dir schon besser, als Deine letzte liebe Karte vom Krankenlagernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück Wedekind an Friedrich Strindberg, 23.4.1915. es befürchten ließ! Ich verweile jetzt noch 10–14 Tagn/e/ in Mondsee bei Großmama. Dann werde ich einrücken müssen, voraussichtlich nach Steiermark in derie Nähe von Graz. (FrohnleitenIn Frohnleiten war im April 1915 eine neue Abteilung von k. k. freiwilligen Schützen eingerichtet worden [vgl. Grazer Volksblatt, Jg. 48, Nr. 220, 1.4.1915, Morgen-Ausgabe, S. 6].?)

Und nicht wahr, Du bist mir nicht böse, wenn ich Dich nun frage, ob sich Dein Gesundheitszustand schon soweit gebessert hat, daß wir in Sbg. zusammenkommen könntenein Treffen Friedrich Strindbergs mit seinem Vater kam, soweit bekannt, vor dessen Tod am 9.3.1918 nicht mehr zustande.. Froh mitsammen verlebte Stunden, wenn es Deinem Genesen ja nicht nachteilig wäre, würden für mich vor meinem Einrücken die größten Freude bedeuten. Du könntest mir ja – worum ich Dich in dem Falle recht bitte – D die Zeit Deiner Ankunft schreiben oder falls die Zeit dazu nicht mehr reicht, drahten, daß ich mit Rad oder Bahn noch rechtzeitig die kleine Strecke von Mondsee nach Salzburg komme. Aber nicht wahr, Du zürnst mir nicht, wenn meine Bitte übereilt war, da Du vielleicht noch krank bist, oder Deine Erholung unsrer Zusammenkunft durch Reisebeschwerden im Wege steht.

Eben habe ich Th. Manns Novelle „Der Tod in Venedig“ gelesen, wovon mir Kerstin so viel vorgeschwärmt hatte. Wie Du vielleicht weißt, schildert er den | Tod eines Schriftstellers, der sich durch die Liebe zu einem Knaben abhalten läßt, das Choleradurchwütete Venedig zu verlassen. Mann zergliedert die Seele und bemüht sich nun durch Zusammensetzen der einzelnen Teile ein möglichst oft verschiedenes, disharmonisches Ganzes in recht komplizierter Form zu finden. Dabei sehr kunstvoller Satzbau und halbseitenlange Perioden. Ich konnte mich dafür nicht begeistern. Seinem Bruder schien erversehentliche Zusammenschreibung durch einen Schrägstrich in Sofortkorrektur aufgehoben. mir weit nachzustehen.

Nun aber muß ich leider schließen. Hoffentlich sehen wir uns nochmals,

mit recht herzlichen Grüßen
wünscht Dir eine baldige Besserung
Dein
Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Mischschrift (Kurrent und lateinische Schrift).
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 16 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Das aufgeklappte Doppelblatt hat auf Seite 1 und 4 eine umlaufende zweifache grüne Zierlinie.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Mondsee
    24. Juni 1915 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Mondsee
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 24.6.1915. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

06.07.2022 18:18