Sexten 14. August. 1914.
Mein lieber Frank!
Heute, da so große UnruhenMit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28.7.1914 begann der 1. Weltkrieg. jeden besseren schnelleren
Verkehr untergraben, bitte ich Dich, daß Du so gut sein wolltest und Du die
Zeit unseres Wiedersehens bestimmen möchtest. Für den Vorschlag einer
AusspracheFriedrich Strindberg hatte in seinen Briefen mehrfach um eine Aussprache mit seinem Vater gebeten [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 9.5.1914 und 14.5.1914], nachdem es Anfang Mai zum Zerwürfnis gekommen war. Wedekind brach den Kontakt zu seinem Sohn jedoch stattdessen ab. In seinem Brief vom 29.7.1914 hatte er dann offenbar eine „Einladung“ dazu ausgesprochen [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 30.7.1914]. Zwischenzeitlich hatte Wedekind sich mit Joachim Friedenthal beraten: „HTR mit Friedenthal. Wir sprechen über ‚Menschenrecht‘“ [Tb, 11.8.1914]. Kurz darauf zeigt er ihm vermutlich den vorliegenden Brief Friedrich Strindbergs: „Friedenthal zu Tisch Spaziergang mit ihm. Ich zeige ihm Brief von Fr. Strbg.“ [Tb, 16.8.1914] bin ich Dir um so dankbarer, als es mein längstgehegter Wunsch war
und er mich vor/n/ einer nicht ganz überlegten Tat – nämlich
durchzubrennen – | abhielt. Hoffentlich ist mein Dankesbriefvgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 30.7.1914. Tatsächlich datierte Friedrich Strindberg den Brief nicht wie hier auf den 29.7.1914, sondern auf den Tag darauf., datiert von 29.
Juli nicht verlorengegangen, wie viele andre Postsendungen der letzten Zeit!
Um also jede Unsicherheit der Zeit über unsere Begegnung zu
vermeiden, bitte ich Dich, (da ich annehmen muß, daß sich unter den jetzigen
politischen Verhältnissen auch Deine Zeitverfügungen geändert haben) mir den
Tag unserer Zusammenkunft zu bestimmen. Unsere Schule dürfte erst etwas später,
Ende September beginnen.
Mit meiner Großmama stehe ich | etwas besser. Doch
bewahrheitete sich meine Ansicht, daß s/S/ie mir sofort die
ErpressungWedekind erhielt Anfang Mai einen anonymen Erpresserbrief wegen einer angeblichen Affäre mit einer Münchner Kellnerin [vgl. Unbekannt an Wedekind, 4.5.1914; Wedekind an Friedrich Strindberg. 8.5.1914]. Er führte dies auf Friedrich Strindbergs Stück „Menschenrecht“ zurück und nahm offenbar an, es sei als Schlüsseldrama gelesen worden. in die Schuhe, schob. „Es ist ein Komplott, von mir angeregt, um mit
der Summe die Drucklegung meines geheimnisvollen Dramas –“ meine Großmama weiß
nicht, daß es das lächerliche „Menschenrecht“ ist – „zu bewerkstelligen“.
Im Anschluß daran wird mir selbst mein Stück immer – ich muß
es gestehen – eckelhafter: Das Stück selbst und die Folgen und ich danke Dir,
daß Du mir dennoch eine Aussprache gewährt hast. Wir bleiben hier in Sexten bis
20. Dann reisen wir nach Salzburg. Ich | weiß noch nicht, ob mich Großmama zu
sich kommen läßtMarie Uhl hatte ihrem Enkel in ihrem Brief vom 25.7.1914 das Haus in Mondsee verboten: „mein Haus darfst du nie mehr betreten“ [Beilage zu Friedrich Strindberg an Wedekind, 27.7.1914].. Auch über den Ort unserer Aussprache bitte ich Dich zu
verfügen, da Dir Zeit und Dauer (von
mehr) wohl weniger zur Verfügung
stehen als mir. Auch freue ich mich, mich Dir anvertrauen zu können, daß wir
uns hoffentlich wieder etwas näher kommen. Näher in Liebe und Freundschaft.
Auf ein fröhliches Wiedersehen mit Handküssen an die gnädige
Frau und vielen Grüßen an die lieben Kleinen
in Liebe Dein
Friedrich.