Kennung: 2626

München, 27. Dezember 1911 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Polizeidirektion München, (Behörde)

Inhalt

[1. Briefentwurf:]


An die Kgl. Polizeidirektion
München.


An die kgl. Polizeidirektion richtet der Ergebenst Unterfertigte das Gesuch, seine Komödie „Oaha“ für die öffentliche Aufführung in München freizugeben nachdem das Verbot erwähnten Schauspiels von der Ggesammten Presse einstimmig als ungerechtfertigt und unverständlich charakterisiert worden ist. Der ergebenste Unterfertigte ist Der auf den Ertrag seiner schriftstellerischen Thätigkeit und wird durch das seit vier Jahren bestehende Verbot materiell auf das schwerste geschädigt. Angewiesen ist wird und durch das erlassene Verbot seit drei Jahren auf das schwerste geschädigt wird, ist nicht imstande diese materielle Schädigung länger zu ertragen.


RothDr. Christian Roth war seit dem 1.12.1911 der für die Theaterzensur zuständige Referent bei der Polizeidirektion München (Weinstraße 18) unter dem Polizeipräsidenten Julius von der Heydte [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil III, S. 28]; er war der Nachfolger von Dr. Dietrich Bittinger auf diesem „wichtigen Posten“ [Personalveränderungen in der Polizeidirektion. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 535, 16.11.1911, Vorabendblatt, S. 4]. Wedekind war wenige Tage vor dem vorliegenden Brief auf ihn hingewiesen worden [vgl. Ludwig Strauß an Wedekind, 23.12.1911].

ab 3 UhrDie Notiz dürfte sich auf den Zensor Christian Roth beziehen; was genau ab 15 Uhr markiert war, ist unklar (auch, ob die Uhrzeit sich auf ein bestimmtes Datum bezog oder generell gemeint war).


[2. Briefentwurf:]


An die Kgl. Polizeidirektion
München.


An die Kgl. Polizeidirektion München richtet der ergebenst Unterfertigte das Gesuch, seine Komödie „Oaha“ für die öffentliche Aufführung in München frei zu geben, nachdem das Verbot dieses Schauspiels von der gesammten Presse einstimmig als ungerechtfertigt und unverständlich charakterisiert worden ist. Da Der ergebenst Unterfertigte, der auf den Ertrag seiner schriftstellerischen Thätigkeit angewiesen ist und wurde er durch das erlassene auch seiner Ansicht nach ungerechtfertigte Verbot seit drei Jahren auf das schwerste materiell geschädigt wird, ist nicht imstande diese materielle Schädigung noch länger zu ertragen.


[3. Abgesandter Brief:]


An die
Königliche Polizeidirektion
München.


An die königliche Polizeidirektion München richtet der ergebenst Unterfertigte das Gesuch, seine Komödie „Oaha“ für die öffentliche AufführungNachdem die Direktion des Lustspielhauses (Eugen Robert) am 12.7.1912 eine Fassung mit Regiestrichen bei der Polizeidirektion München eingereicht hat, genehmigte diese unter Auflagen am 25.7.1912 die öffentliche Aufführung und die öffentliche Münchner Premiere von „Oaha“ konnte am 6.8.1912 unter der Regie von Eugen Robert am Lustspielhaus mit Frank und Tilly Wedekind in Hauptrollen stattfinden [vgl. Meyer 1982, S. 207; KSA 8, S. 606]. Eugen Robert hatte bereits die vom Neuen Verein veranstaltete geschlossene Uraufführung von „Oaha“ am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus inszeniert. in München freizugeben, nachdem das Verbot dieses Schauspiels von der gesamten PresseDie Presseresonanz auf die wenige Tage zuvor in geschlossener Vorstellung erfolgte Uraufführung von „Oaha“ am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus war gemischt; ausdrücklich hat Richard Braungart am 21.12.1911 in der „Münchener Zeitung“ das Verbot einer öffentlichen Aufführung kommentiert: „Die Polizei hat dieses Stück, dessen Kern also eigentlich eine Anklage gegen den ‚Witz als Metier‘ ist, bis jetzt für öffentliche Aufführungen nicht freigegeben. Weshalb, das wird wohl nur sie allein wissen; denn niemand sonst wird einen Grund hiefür angeben können.“ [KSA 8, S. 624] einstimmig als ungerechtfertigt und unverständlich charakterisiert worden ist. Da der ergebenst Unterfertigte auf den Ertrag seiner schriftstellerischen Tätigkeit angewiesen ist, wurde er durch das erlassene, auch seiner Ansicht nach ungerechtfertigte Verbot seit drei JahrenDie Polizeidirektion München erließ am 25.11.1908 ein erstes Aufführungsverbot für „Oaha“ (Georg Stollberg hatte am 12.10.1908 für das Münchner Schauspielhaus um eine Aufführungsgenehmigung für das Stück ersucht) [vgl. KSA 8, S. 605] – das war rund drei Jahre her. auf das schwerste materiell geschädigt.

Hochachtungsvoll ergebenst
Frank Wedekind.


München, Prinzregentenstr. 50

den 27. Dezember 1911Wedekind hat am 27.12.1911 – eine Woche nach der geschlossenen Uraufführung von „Oaha“ am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus – notiert: „Besuch bei Strauß wegen Polizeigesuch“ [Tb]; er dürfte sich mit dem Münchner Rechtanwalt Ludwig Strauß auch über den vorliegenden Brief beraten haben, der ihn kurz zuvor darüber informiert hat, Dr. Christian Roth wünsche das zensurierte Manuskript von „Franziska“ zu sehen [vgl. Ludwig Strauß an Wedekind, 23.12.1911]..

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
1. Briefentwurf: Bleistift. 2. Briefentwurf: Feder. Tinte. 3. Abgesandter Brief: Feder. Tinte.
Schriftträger:
1. Briefentwurf: Liniertes Papier. Ringbuchblatt. 9 x 14,5 cm. Gelocht. 1 Blatt. 1 Seite beschrieben. 2. Briefentwurf: Papier. 14 x 22,5 cm. Gelocht. 1 Blatt. 1 Seite beschrieben. 3. Abgesandter Brief: 19 x 30 cm. 1 Blatt. 1 Seite beschrieben.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der 1. Briefentwurf ist in ein Ringbuch geschrieben [Aa, Wedekind-Archiv B, Nr. 171], der 2. Briefentwurf mit einer Notiz zum Adressaten mit einer Uhrzeit auf einem Einzelblatt [Mü, FW B 208] – wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau) und der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe der Korrespondenzstücke. Der abgesandte Brief ist mit einem Eingangsstempel – 28.12.1911 – der Polizeidirektion München und diversen Aktennotizen versehen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Empfangsdatum ist durch den Eingangsstempel auf dem abgesandten Brief belegt.

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Staatsarchiv München

Schönfeldstraße 3
80539 München
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Bestand Polizeidirektion München
Signatur des Dokuments:
Pol. Dir. Mü. 4595
Standort:
Staatsarchiv München (München)

Danksagung

Wir danken dem Staatsarchiv München für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Behörde) Polizeidirektion München, 27.12.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

23.04.2022 15:02