Hottingen, den 21 Februar 1888.
Sehr geehrter Herr!
Es war meine Hoffnung, gelegentlich mit Ihnen
mündlich reden zu können. Da die Erwartung nicht in Erfüllung gegangen, erlaube
ich mir, Ihnen schriftlich zu sagen, daß es mir unbegreiflich ist, weßhalb ich ungünstig
von Ihnen denken sollte. Meine Gefühle für SieEmil Frey, Bruder von Wedekinds ehemaligem Deutschlehrer Adolf Frey an der Kantonsschule in Aarau, war „Wedekinds Kontaktperson in der Redaktion“ [KSA 1/II, S. 1801] der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Wedekind hat dort 1887/88 Beiträge veröffentlicht); er war zuletzt bis zum Jahresende 1887 in der Chefredaktion, wie die Zeitung mitteilte: „An unsere Leser. Die vorliegende Nummer ist die letzte, die Herr Emil Frey unterzeichnet. Er verläßt mit Neujahr die Redaktion dieses Blattes, um seine Kräfte mehr als bisher der Kaufmännischen Gesellschaft Zürich zuzuwenden, deren Sekretariat er seit einer Reihe von Jahren geführt hat. [...] Zum Glücke wird unser Freund aber in engem Zusammenhange mit der Neuen Zürcher Zeitung bleiben“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 67, Nr. 364, 31.12.1887, 2. Blatt, S. (1)]. sind diejenigen
freundschaftlicher Hochachtung u wenn Ihr Lebensziel Sie über Wege führt, auf
denen nur Wenige gehen, so verstehe ich dies doch sehr wohl u hoffe für Sie das
Beste davon. Was die Lappalienicht ermittelt. betrifft, die Ihnen Kummer zu machen scheint, so
möchte ich Sie bitten, zu glauben, daß ich mein Urtheil über Leute nicht von
dergleichen Kleinigkeiten bestimmen laße. Begleichen Sie diese kleine Sache
ganz wann u wie Sie mögen, u glauben Sie mir, | daß es absolut keine Eile hat.
Machen Sie mir einmal das Vergnügen, Sie bei mir
zu sehen u empfangen Sie die Versicherung meiner steten Hochachtung.
Ihr
Emil Frey