Kennung: 214

München, 27. März 1913 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Jessner, Leopold

Inhalt

Sehr verehrter Herr Jeßner!

Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für die freundliche Übersendungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Jessner an Wedekind, 1.3.1913. Weder ein Druck noch eine Aufführung des Stückes konnten ermittelt werden. der „Heiligen Eitelkeit. Ich habe das Werk sofort gelesen und mich sehr darüber gefreut. Daß ich Ihnen heute erst dafür danke ist Nervenangelegenheit. Mein objektives Urtheil ist folgendes. Ein künstlerisch und literarisch sehr vornehmes Werk, überreich an Stimmung. Die drei Personen sind ebenso scharf wie intim charakterisiert. Durch und durch echtes warmes Leben, das an den besten Ibsen und Strindberg erinnert pulsiert im Dialog. Die beabsichtigte Wirkung, die natürlich keine grobe und laute sein | soll kann auf der Bühne unmöglich ausbleiben. Das ist mein objektives Urtheil über ihre „Heilige Eitelkeit“ dem sicherlich jeder moderne Kritiker zubeistimmen wird.

Daß ich es Ihnen so spät schreibe liegt an einer gewissen Nervenerschöpfung, die ich jetzt hoffentlich hinter mir habe. Mein Veit Kunzmännliche Hauptfigur in Wedekinds Stück „Franziska“. ist die anstrengendste Rolle, die ich bis jetzt geschrieben habe und ich habe sie diesen Winter über 30 mal gespieltDie Uraufführung der „Franziska“ erfolgte am 30.11.1912 in den Münchener Kammerspielen. Die Inszenierung wurde ebendort 30 Mal aufgeführt, hinzu kamen fünf Gastspiele [vgl. Seehaus 1973, S. 730]..

Ich würde mich ungemein freuen wenn ich die „Heilige Eitelkeit“ bald auf der Bühne sehen könnte. Die Mitwirkung der Betheiligten hätte natürlich mit Kunst nichts zu schaffen, sondern wäre eine Sensation | der Sie sicherlich aus dem Wege gehen werden. Schade! Indessen bin ich fest überzeugt daß daßSchreibversehen, statt: das. Stück auch ohne diese Sensation auf der Bühne seinen Weg machen wird.

Wollen Sie Frau Franck-WittKäthe Franck-Witt spielte am Thalia-Theater Hamburg sowohl in der „Erdgeist“-Inszenierung von 1906 als auch in der Inszenierung von „Die Büchse der Pandora“ von 1911 die Rolle der Lulu. bitte meine ergebenste Empfehlung aussprechen. Unser Spaziergang am AlsterbassinVom 30.8. bis 2.9.1912 hielt sich Wedekind in Hamburg auf, am 31.8. notierte er in seinem Tagebuch: „Spaziergang mit Jeßner und Käthe Frank-Witt an der Alster“. ist mir in lebhaftester Erinnerung erstens durch die schöne Künstlerin und zweitens durch die ernsten Fragen, die Sie mit ihr erörterten. Ich wünsche und hoffe nur, daß von der unheimlichen Attaque, an d/unter/ der Frau Franck-Witt kurz darauf zu leiden hatte keinerlei Nachwirkung zurückgeblieben ist.

Ihnen, verehrter Herr Jeßner, | wünsche ich von Herzen große, schöne neue Erfolge. Bei dem lebhaften Bühnenumsatz, der gegenwärtig herrscht, kann es bis zu Ihrer künstlerischen äußeren Selbstständigkeit nicht mehr lange währen. Ihre künstlerische Selbstständigkeit ist ja allerdings vielleicht gar nicht mehr oder nur an einer Berliner Bühne zu überteffenSchreibversehen, statt: übertreffen..

Mit schönsten Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


27.3.13.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Laut seinem Tagebuch hielt sich Wedekind am 27.3.1913 in München auf.

  • Schreibort

    München
    27. März 1913 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Königsberg
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Senate House Library, University of London

Malet Street
London
Großbritannien

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
William Rose Archive
Signatur des Dokuments:
GB 367 WRO.5.WED
Standort:
Senate House Library, University of London (London)

Danksagung

Wir danken der Senate House Library der University of London für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Leopold Jessner, 27.3.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (09.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Cordula Greinert

Zuletzt aktualisiert

18.08.2020 08:55