Kennung: 2054

München, 27. September 1904 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Hirschfeld, Elly

Inhalt

Hochverehrte liebe Frau Elly!

Wenn ich Ihnen beichte, daß wir, mein Bruder und ich, Montag frühFrank Wedekind, der während seines Aufenthalts in Berlin (22. bis 26.9.1904) den Prolog zum „Erdgeist“ gesprochen hat, notierte am 25.9.1904, seinem letzten Abend in der Stadt, zu einer Zechtour mit seinem Bruder Donald Wedekind drei Lokale, die Bar des Restaurant Riche (Unter den Linden 27), die Künstlerklause Carl Stallmann (Jägerstraße 14) und das Weinlokal von Clara Helmer (Jägerstraße 19): „Abends Prolog. [...] dann bei Wedel Stallmann und Witwe Helmer mit Donald“ [Tb]. Die erste Hälfte des nächsten Tages ist im Tagebuch nicht skizziert. erst gegen neun Uhr zu Bett gekommen sind und ich erst um drei Uhr nachmittags mit einem schweren Katzenjammer | und einer Fülle von Geschäften, die noch bis zum AbendWedekind notierte am 26.9.1904 in Berlin im Tagebuch: „Abschied im Neuen Theater. Ich packe. [...] Abfahrt nach München.“ besorgt werden mußten, aufgestanden bin ‒ habe ich dann eine schwache Aussicht auf Ihre Verzeihung? Es wäre mir aufrichtig gestanden sehr schmerzlich wenn Sie und Herr Hirschfeld mein NichterscheinenWedekind war in Berlin offenbar am 26.9.1904 mit Elly und Georg Hirschfeld verabredet, erschien aber nicht, wofür er sich im vorliegenden Brief entschuldigt. anders auffassen wollten als das SymtomSchreibversehen, statt: Symptom. eines Menschen | der die ganze Nacht und den halben Morgen verbummelt hat und im Bewußtsein seiner Hinfälligkeit nicht mehr wagt, sich in geordneten Verhältnissen zu presentierenSchreibversehen, statt: präsentieren.. Ich werde wie ich Ihnen schriebnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Elly Hirschfeld, 26.3.1904., diesen Winter voraussichtlich auch auf längere Zeit nach BerlinWedekind kam im Winter 1904/05 nicht nach Berlin. kommen und mein erster | Gang wird mich dann zu IhnenWedekind traf sich dem Tagebuch zufolge erst im Jahr darauf in München mit Elly und Georg Hirschfeld, am 18.3.1905 („mit Hirschfelds im Parkhotel und in der Bar“), am 19.3.1905 („mit Hirschfelds im Parkhotel und der Torggelstube“) und dann wieder am 29.4.1905 („Treffe Georg Hirschfeld und Frau“); in Berlin traf er sie erst am 15.9.1906 („mit [...] Hirschfeld und Frau bei Treppchen“) – da lebten sie bereits in Dachau bei München (seit 1905). führen. Zu meiner großen Freude hörte ich, daß „Nebeneinander“ wie es das Stück verdient, in Hamburg einen sehr großen ErfolgGeorg Hirschfelds Schauspiel „Nebeneinander“ hatte unter der Regie von Carl Heine am 15.9.1904 am Deutschen Schauspielhaus (Direktion: Alfred von Berger) in Hamburg Premiere, den Presseurteilen zufolge erfolgreich: „Das neue Stück von Georg Hirschfeld [...] errang bei der gestrigen Erstaufführung einen starken Erfolg.“ [F.R.: Deutsches Schauspielhaus in Hamburg. In: Altonaer Nachrichten, Jg. 55, Nr. 436, 16.9.1904, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Herr Dr. Heine hat das Werk mit Glück und Liebe einstudiert; die Aufführung war prächtig.“ [Paul Bornstein: Deutsches Schauspielhaus. „Nebeneinander“, Schauspiel in drei Akten von Georg Hirschfeld. In: Neue Hamburger Zeitung, Jg. 9, Nr. 435, 16.9.1904, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Die Donnerstag mit außerordentlichem Beifall aufgenommene Novität ‚Nebeneinander‘ von Georg Hirschfeld ist für Sonntag, Dienstag und Freitag angesetzt.“ [Deutsches Schauspielhaus in Hamburg. In: Altonaer Nachrichten, Jg. 55, Nr. 440, 18.9.1904, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Wedekind dürfte über den Erfolg der Hamburger Premiere durch Carl Heine oder Beate Heine informiert worden sein. Er hatte die Uraufführung des Stücks am 25.3.1904 im Münchner Residenztheater wohl besucht [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 24.3.1904] und dürfte bei dieser Gelegenheit dem Verfasser begegnet sein, der dazu nach München angereist war, wie die Presse meldete: „Im Residenztheater fand gestern die Uraufführung des dreiaktigen Schauspiels ‚Nebeneinander‘ von Georg Hirschfeld eine sehr freundliche Aufnahme [...]. Der anwesende Autor konnte nach dem zweiten und dritten Akte wiederholt mit den Darstellern erscheinen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 145, 26.3.1904, Morgenblatt, S. 3] gehabt hat. Wollen Sie Herrn Hirschfeld bitte meinen aufrichtigen Glückwunsch dazu aussprechen.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12 x 20 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 27.9.1904 ist als Ankerdatum gesetzt – orientiert am Briefinhalt. Die erwähnte Premiere von Georg Hirschfelds Schauspiel „Nebeneinander“ am 15.9.1904 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg dürfte nicht allzu lange zurückgelegen haben. Mit der erwähnten durchzechten Nacht von einem Sonntag auf einen Montag („Montag früh“) dürfte die Kneipentour von Frank und Donald Wedekind am 25.9.1904 (Sonntag) in Berlin gemeint gewesen sein, für die Frank Wedekind im Tagebuch drei Lokale aufzählt („dann bei Wedel Stallmann und Witwe Helmer mit Donald“); eine andere durchzechte Nacht mit dem Bruder von einem Sonntag auf einen Montag ist im Tagebuch nicht belegt. Frank Wedekind, der am 21.9.1904 von München nach Berlin gefahren ist, wo Elly und Georg Hirschfeld wohnten [vgl. Adreßbuch für Berlin 1905, Teil I, S. 807], mit denen er offenbar am 26.9.1904 (Montag) verabredet war, der Verabredung aber nicht nachkam, reiste dem Tagebuch zufolge bereits am Abend des 26.9.1904, der Abend nach jenem im Brief geschilderten verkaterten Tag, von Berlin wieder ab („Abfahrt nach München“) und traf am 27.9.1904 morgens in München ein („Ankunft in München“) – somit das wohl früheste mögliche Schreibdatum des vorliegenden Briefs, der den Ausklang des Kurzaufenthalts in Berlin resümiert.

  • Schreibort

    München
    27. September 1904 (Dienstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Wedekind, Frank A I/46
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Elly Hirschfeld, 27.9.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.08.2021 16:09