Kennung: 1923

Berlin, 17. Juni 1907 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Reinhardt, Max
  • Deutsches Theater zu Berlin, (Theater)

Inhalt

An die tit. Direktion des Deutschen Theaters
Berlin.


Sehr geehrter HerrMax Reinhardt, Direktor des Deutschen Theaters in Berlin, ist am 17.6.1907 im Tagebuch als Adressat notiert: „Brief an Reinhart.“ Der Briefinhalt dürfte zwei Tage darauf zur Debatte gestanden haben, wie Wedekinds Tagebuchnotiz vom 19.7.1907 nahelegt: „Besprechung mit Reinhardt.“!

Als Sie vor einigen Monaten die Annahme meines SittengemäldesWedekinds Stück „Musik. Sittengemälde in vier Bildern“ war vom Deutschen Theater für eine Aufführung in den Kammerspielen vorgesehen, wie das „Berliner Tageblatt“ am 5.2.1907 meldete und das Stück als Komödie bezeichnete: „Frank Wedekind hat soeben ein neues Stück vollendet. Es ist eine Komödie, die den Titel ‚Musik‘ führt. Das Stück wird zu Anfang der nächsten Saison in den Kammerspielen zum ersten Male aufgeführt werden.“ [Ein neues Stück von Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 64, 5.2.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Das Gattungsetikett ‚Komödie‘ findet sich auch in einer anderen Ankündigung: „Frank Wedekind hat eine neue Komödie vollendet, die den Titel ‚Musik‘ führt und am Anfang der nächsten Spielzeit ihre erste Aufführung in den Kammerspielen des Deutschen Theaters erleben wird.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 61, 6.2.1907, Morgen-Ausgabe, S. 7] Die angekündigte Inszenierung von „Musik“ am Deutschen Theater in Berlin kam nicht zustande.Musik“ öffentlich ankündigten, bezeichneten Sie in der betreffenden Notiz das Stück als Komödie. Ich bat damals ausdrücklich darum, diese Bezeichnung nicht anzuwenden, da sie im Leser eine mir nicht willkommene Vorstellung von meiner Arbeit erwecken würde. Nun sehe ich vor einigen Tagen im „Berliner Tageblatt“ in der Notiz „Reinhardts Pläne“In dem am 12.6.1907 im „Berliner Tageblatt“ veröffentlichten Beitrag über die Programmgestaltung des Deutschen Theaters in der nächsten Saison heißt es: „Die Pläne für den modernen Teil des Repertoires sind weniger umfangreich. Hier dominiert Frank Wedekind mit seiner neuen Komödie ‚Musik‘ und der älteren ‚Die Büchse der Pandora‘.“ [Reinhardts Pläne. In: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 292, 12.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. (3)] nicht nur mein Sittengemälde Musik, sondern auch meine Tragödie „Die Büchse | der Pandora“ als Komödie bezeichnet. Eine Berichtigung erschien mir unmöglich, da dadurch die unerwünschte Wirkung der Veröffentlichung nur gesteigert worden wäre. Ich möchte Sie nun noch einmal dringend ersuchen, weder auf die eine noch auf die andere der beiden erwähnten Arbeiten die Bezeichnung Komödie anzuwenden. Sie werden mir auch zugeben, daß es nicht politischhier: klug berechnend. ist, der Öffentlichkeit gegenüber die künstlerischen Schwierigkeiten, die wir zu überwinden haben, kleiner hinzustellen, als sie in Wirklichkeit sind. Besonders in Anbetracht der CensurschwierigkeitenEine am Deutschen Theater seit dem Vorjahr konkret geplante Aufführung der „Büchse der Pandora“ ‒ Wedekind notierte am 15.6.1906: „Im Deutschen Theater wird die Arrangierprobe der B.d.P. festgesetzt“ [Tb]; er nahm ab dem 27.8.1906 an Proben teil ‒ „scheiterte an der Ablehnung der Berliner Zensurbehörde“ [KSA 3/II, S. 1260], an dem Berliner Polizeipräsidenten Curt von Glasenapp, der sich immer wieder gegen eine Freigabe aussprach, um die Max Reinhardt und sein engster Mitarbeiter Felix Hollaender nachdrücklich bemüht waren., die einer Aufführung der Büchse der Pandora entgegenstehen, halte ich es für unvortheilhaft, die | Komik, die in der Arbeit enthalten ist, als ihren hauptsächlichen Charakterzug hinzustellen.

Da das Deutsche Theater augenblicklich geschlossenDie Spielzeit im Deutschen Theater war eigentlich ganzjährig; gleichwohl waren seine Bühnen seit dem 7.6.1907 geschlossen, wie die Presse mittteilte: „Mit Freitag, den 7. ds., beschließt die Direktion Reinhard sowohl im Deutschen Theater wie in den Kammerspielen ihre diesjährige Spielzeit. Die nächste Saison beginnt in beiden Theatern am 8. August. Die Kammerspiele bleiben in dieser Zeit geschlossen; im Deutschen Theater finden in der Zwischenzeit Possenaufführungen unter Leitung von Meinhard und Bernauer statt.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 255, 4.6.1907, Morgen-Ausgabe, S. 10]. ist, gebe ich diese Zeilen eingeschrieben auf.

Ich bitte Sie, den Ausdruck meiner aller größten Hochschätzung entgegenzunehmen.

Ihr ergebener
Frank Wedekind.


Berlin, den 17. Juni 1907Wedekind notierte am 17.6.1907 im Tagebuch: „Brief an Reinhart.“.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Notizbuchseiten. 10 x 17 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Es handelt sich um einen Briefentwurf im Notizbuch [Nb 41, Blatt 4r, 4v, 5r].

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Brief ist dem Tagebuch zufolge abgesandt worden. Wedekind notierte am 17.6.1907 in Berlin: „Brief an Reinhart.“

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
179-180
Briefnummer:
288
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3501
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Max Reinhardt, (Theater) Deutsches Theater zu Berlin, 17.6.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

04.03.2022 09:32