Kennung: 133

Stein am Rhein, 20. Februar 1884 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Olga

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

                                                                                                                                                                                                               Stein a/Rh., den 20/II.84

Mein lieber Franklin!

Ich danke Dir herzlich für Deinen interessanten Brief und für die Uebersendung Deines Prologes. Ich gratulire Dir herzlichst D zu Deinem Erfolg und möge insbesondere das freundliche Entgegenkommen des Buchhändlers ein gutes OhmenSchreibweise Olga Plümachers. sein, daß Du auch in Zukunft nie die Unannehmlichkeit des Verleger-suchens erfahren müßest. Der Prolog ist „famos“, wie Ihr jungen Musensöhne es auszudrücken pflegt; Du hast Dich brillant aus der Sache gezogen und kein nahmhafterSchreibweise Olga Plümachers. Dichter hätte es beßer machen können, denn eben darin liegt die Schwierigkeit solcher Feltichkeits-Schreibversehen Olga Plümachers. Statt "Feltlichkeits-" muss es "Festlichkeits-" heißen.Prologe, daß sie „gemacht“ werden müßen | und daß es wohl fast eben so schwierig ist „par l‘ordre de mufti“ zu Dichten als zu Lieben. – Mit Deiner Besprechung der Auff. des „Graf Essex“ hast Du mich ganz „glustig“ gemacht; ja, ich erinnere mich all‘ der Lenzburger Haupthähne noch ganz gut und macht es mir immer Freude über deren Kunstleistungen etwas zu vernehmen. Ich habe einmal nur Liebhaber-Theater in Lenz. gesehen, und da ist mir ebenfalls der fatale Accent der Meisten aufgefallen; aber auch an den hohen Stimmen der Damen habe ich mich gestoßen;. Der Lenzburger-Aargauer Dialect bringt eine Stimmbeugung nach der Höhe zu mit sich, bei Männer u. Frauen, ganz besonders aber bei diesen bemerklich. Achte nur einmal darauf, sicherlich wirst Du herausfinden was ich meine, was sich aber nur | schwer beschreiben läßt. –
            Es thut mir nur leid, daß ich Dir nicht sämtliche Bilder von G. Max senden konnte, zu jedem einzeln kann man eine ganze Geschichte voll psychologischer Probleme dichten. – Ich habe unlängst mal einen Traum nieder geschrieben; allerdings – wie das bei dichterischer oder literarischer Verwerthung eines Traumes in der Regel geschieht – sehr mit Wach-Bewußtsein corrigirt. Ich meine er gäbe ein hübsches Gedicht, sogenanteSchreibversehen Olga Plümachers. "sogenannte" statt "sogenante". „Gedankendichtung“, aber natürlich , so, ich kann nicht dichten; so leicht mir der Rythmus kommt, so unmöglich schier ist es mir die Reime zu finden.
            Soll ich es Dir in seiner Prosa Gestalt senden, damit Du beurtheilen kannst ob es in poetische Form gebracht werden könnte? Aber nur wenn Deine Zeit nicht gar | zu sehr in Anspruch genommen ist. Mir liegt natürlich Deine Maturität (summa cum laude) aufSchreibversehen Olga Plümachers. "auf's" statt "auf". angelegentlichste am Herzen, und möchte ja nicht mit daran Schuld sein, daß Du eine dem Realen ge bestimmte Stunde auf den Wildpfaden der Reimerei versäumen solltest. Es handelt sich übrigens um das „Gespenst der Consequenz: um das solipfistischeSchreibversehen Olga Plümachers statt „solipsistische“. Ich.
            Doch nun genug für heute!
            Mögen die Musen Dir allezeit gewogen bleiben Dein Muth aber auch stehtsSchreibweise Olga Plümachers. frisch und rüstig sein die nüchterne Nothwendigkeit zu bewältigen. Bald naht die Zeit der Freiheit – mach‘s wie ein gutes Rennpferd, nimm noch einmal Deine volle Kraft zusammen, damit Du nicht nur das Ziel erreichst, sondern noch um die ehrenvolle „Kopflänge“ Deine Mitrenner am „stop“ überholst.
            Adieu!
                           Deine Dich liebende Tante
                                               O. Plümacher.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 12,2 x 20,4 cm. Klein-Oktav. Gelocht.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Stein am Rhein
    20. Februar 1884 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort


    Datum unbekannt

  • Empfangsort


    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek. Monacensia (München) et Olga Plümacher

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 130
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken dem Literaturarchiv der Monacensia, München, für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Olga Plümacher an Frank Wedekind, 20.2.1884. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (08.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Prof. Dr. Hartmut Vincon

Zuletzt aktualisiert

01.07.2019 09:48