Kennung: 123

Baden, 10. April 1906 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Donald (Doda)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Lieber Frank!

Indem ich dir für Deine letzten Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 8.4.1906. herzlich danke, bitte ich dich mi/au/ch um Entschuldigung für die m/M/einenvgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 27.3.1906. , die durch die gereizte Stimmung, in die mich dein Stillschweigen versetzte, vielleicht wirklich, wie Du siehst, beleidigend ausgefallen waren. Wenn ich ein aufrichtiges Bestreben immer hatte, so war es, den Frieden und die Eintracht aufrecht zu erhalten und es tut mir weh, wenn ich sehe, wie die vermehrte Selbstständigkeit eines jeden Einzelnen von uns auch ein vermehrtes Auseinandergehen | und eine stark prononcirtebetonte. Mißachtung des Einen für den Andern zur Folge hat. Ich denke hierbei nicht besonders an uns zwei; sondern an uns alle zusammen als Geschwister.

Ich meinesteils habe mich die letzten vierzehn Tage so gut und redlich durchgeschlagen wie es ging. Meine ArbeitDonald Wedekinds Arbeit an dem Fragment gebliebenen zweiten Roman „Berlin“ [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 2.2.1908]. hat unter der erneuten Unregelmäßigkeit meines Lebens natürlich gelitten, immerhin habe ich sie bis über die erste Hälfte hinaus gebracht und ich könnte sie, würde mir in diesen Tagen von irgend welcher Seite her eine ausgiebige Subsistenz zukommen, wohl im Concept fertig stellen bis zum ersten Mai. Trifft nichts ein, so bleibt mir nur übrig, mich stillschweigend von hier zurückzuziehen, in | Zürich Geld zur Rückreise aufzutreiben und mich langsam über München wieder Berlin zuzuwenden. Das kann aber schon bis im Herbst dauern. Die letzten acht Tage hatte ich in Zürich viele Laufereien in Sachen der Bewerbung um die Redaktion des Fremdenblattesdas von der offiziellen Verkehrskommission Zürich herausgegebene, wöchentlich erscheinende „Zürcher Theater-, Konzert- und Fremdenblatt“. Die Presse berichtete: „Das ‚Zürcher Fremdenblatt‘, das seit Jahren vom Mai an herausgegeben wurde, wird dieses Jahr erst in der zweiten Hälfte Mai erscheinen und zwar im neuen Gewande unter dem Titel ‚Zürcher. Theater-, Konzert- und Fremdenblatt‘. Es haben nämlich der Verkehrsverein Zürich, das Stadttheater und die Tonhalle eine Vereinbarung getroffen, wornach sie an Stelle ihrer bisherigen besonderen Publikationen als gemeinsame Veröffentlichung das neue Zürcher. Theater-, Konzert- und Fremdenblatt herausgeben.“ [Zürcher Wochen-Chronik, Jg. 8, Nr. 19, 12.5.1906, S. 147] Und kurz darauf: „An Stelle des bisher vom Verkehrsverein Zürich im Sommer herausgegebenen ‚Zürcher Fremdenblattes‘ ist am 25. Mai ein neues Blatt in künstlerischer Ausstattung erschienen, welches unter dem Titel ‚Zürcher Theater-, Konzert- und Fremdenblatt‘ auch die bisherigen Publikationen des Zürcher Stadttheaters und der Tonhalle ersetzen wird. Als Redaktoren sind berufen worden die bewährten Schriftsteller Dr. Donald Wedekind und C. Waldvogel, Sekretär der neuen Tonhallegesellschaft.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Nr. 143, 28.5.1906, Morgenblatt, S. 82)] Donald Wedekind hatte die Stelle bis zum 1.5.1908 inne [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.5.1908]., gelingt das, so werde ich Dir sofort telegraphiren. Auf der Rückseite noch einige Zeilen, die Dir den Seelenzustand Deines Bruders. Schriftstellers noch ungefähr schildern und mit den Wünschen, daß Du und Deine Brautdie 19jährige Schauspielerin Tilly Newes. , daß Ihr Beide recht fröhliche FeiertageOstersonntag war am 15.4.1906. verlebt, bin ich dein getreuer
Donad/l/d.


Baden, Kt. Aargau, d. 10. April 1906
Pension Ruhfels |

I. Wehklage.

       –––––––

Die Feiertage rücken heran, sollen sie für mich Trauertage werden?

          ––

Die Sonne strahlt um mich herum, – und ich lebe in der tiefsten Finsterniß.

          ––

Freunde und Verwandte umgeben mich, aber wie kalte Steinsäulen steht Alles um mich her

         ––

Ich fühle meine Brust zerspringen von Lebenslust und mein Blut langsam vom Herzen wegrieseln und im Sand verlaufen.

          ––

Die Welt ist in mir, aber ich kann<Loch: ka> sie nicht bewirten und langgestreckt und schwer liegt sie da, wie ein todter Gast.

          ––

Die Feiertage rücken heran, sollen sie Todtentage werden?


Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt, Seitenmaß 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Frank Wedekind hat auf Seite 1 oben rechts mit Bleistift das Datum „10.4.6“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Baden
    10. April 1906 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Baden
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 304
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Donald (Doda) Wedekind an Frank Wedekind, 10.4.1906. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (09.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

07.11.2023 15:06