Kennung: 1156

Halensee, 27. Februar 1906 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Gerhäuser, Emil

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Berlin-Halensee, Kronprinzendamm 20.


Lieber Frank!

Ich komme heute Abend gegen 10 hWedekind verbrachte die Nacht vom 27. auf den 28.2.1906 im Café Bauer, scheint jedoch Gerhäuser – vermutlich weil dieser nur bis 22 Uhr 30 wartete – nicht angetroffen zu haben [vgl. Tb 27.2.1906 und Hinweise zur Datierung des Briefs]. ins Café Bauer I Stock. Vielleicht sehen wir uns? Ich werde bis 10½ h warten.

Unsere neuliche UnterredungDer Hochzeitplan mit Tilly Newes, mit der Wedekind sich am 18.2.1906 verlobt hatte, dürfte bei einem der beiden Treffen mit Gerhäuser besprochen worden sein, die Wedekind in seinem Tagebuch für den 22.2.1906 („Abends mit Gerhäuser im Nürnberger Hof“) bzw. den 23.2.1906 („Mit Gerhäuser im Nürnberger Hof“) festhielt; vermutlich war es die zweite dieser beiden Gelegenheiten. Auf den Inhalt der Unterredung zwischen Gerhäuser und Wedekind, deren kontroversen Charakter der vorliegende Brief nur andeutet, bezieht sich vermutlich auch die folgende Erinnerung von Tilly Wedekind (in deren Memoiren Gerhäuser unter dem Pseudonym ‚Otto Fehr‘ firmiert): „Es trug auch nicht gerade dazu bei, ihn [Gerhäuser] mir sympathischer zu machen, daß Frank mir wiedererzählte, wie Fehr reagiert hatte, als Frank ihn in unseren Heiratsplan einweihte […]. ‚Na‘, hatte Fehr skeptisch geäußert, ‚zehn Jahre wird’s wohl gut gehen –‘ Damit hatte Fehr natürlich gleich von Anfang an Franks wundesten Punkt getroffen und ihn in seinen schlimmsten Befürchtungen bestärkt. Es war, als säße mit Otto Fehr schon bei unserer Hochzeit das Verhängnis unserer Ehe mit am Tisch.“ [Wedekind 1969, S. 70f.] Bei der Hochzeit von Frank und Tilly Wedekind am 1.5.1906 fungierte Gerhäuser als Trauzeuge für Wedekind., bei welcher wohl die Phantasie uns einen Streich gespielt hat, hat der helle Tag und nüchterne Betrachtung wohl längst als überflüssig erscheinen lassen. Nach wie vor sage ich: heirate Deine Tilly. Du bist gegenwärtig so in Deinem Innern von ihr abhängig, dass nur eine Kur hilft: die Ehe. Dann gibt sich alles wieder von selbst. Was kannst Du Dir besseres wünschen als das liebliche und exzentrische Wesen vereint? – Grüsse Sie von mir u. sag ihr, ich sei ein Dummkopf!

Noch eins! Ich kann von München erst gegen Ende der Woche wieder Geld bekommen u. meine Moneten haben bald ein Ende. Kannst Du mir eventuell bis wenigstens 1. März 100 M. leihen? Anfrage sans façon(frz.) zwanglos, unbefangen. – Antwort ohne Rücksicht erwünscht. Herzlichsten Gruss

Dein
Emil.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 1 Seite beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 14 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 27.2.1906 wird als Ankerdatum gesetzt. Der Brief entstand jedenfalls zwischen dem 18.2.1906 – dem Tag der Verlobung von Wedekind mit Tilly Newes – und dem 1.3.1906, bis zu dem Gerhäuser sich im vorliegenden Brief von Wedekind 100 Mark auserbat. Eine weitere Eingrenzung erlaubt Gerhäusers Hinweis auf ein Treffen mit Wedekind („[u]nsere neuliche Unterredung“) in den Tagen unmittelbar vor der Niederschrift des Briefs. Im Tagebuch hielt Wedekind für die Abende des 22. und 23.2.1906 jeweils ein Treffen mit Gerhäuser allein fest, beidemale im Hotel Nürnberger Hof. Es ist anzunehmen, dass bei einer dieser Gelegenheiten – vermutlich am 23.2.1906 – auch Wedekinds geplante Hochzeit mit Tilly Newes erörtert worden war. Ein Aufenthalt Wedekinds im Café Bauer, das Gerhäuser im vorliegenden Brief als Treffpunkt vorschlägt, ist während des infragekommenden Zeitraums nur für die Nacht vom 27.2.1906 – dem vermutlichen Schreibdatum – auf den 28.2.1906 dokumentiert: „Bis 4 Uhr [morgens] im Café Bauer.“ [Tb 27.2.1906] Da Wedekind hier den Namen Gerhäusers nicht erwähnt, haben die beiden sich jedoch vermutlich verfehlt.

  • Schreibort

    Halensee
    27. Februar 1906 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Halensee
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 49
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Emil Gerhäuser an Frank Wedekind, 27.2.1906. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (19.05.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

06.08.2020 16:31