Sehr geehrter Herr
Martens,
mein Programm für die Vorlesung am 26. NovemberGemeint ist Wedekinds Vorlesung vor den Mitgliedern der Litterarischen Gesellschaft in Leipzig. Auf Anraten von Martens, der auch Szenen aus dem Drama „Frühlings Erwachen“ sowie lyrische Texte wünschte, änderte Wedekind das Programm noch einmal [vgl. Wedekind Brief an Martens vom 4.11.1897]. wäre folgendes:
1. Rabbi Esra.
2. Das Gastspielursprünglicher Titel des Einakters „Der Kammersänger“ (1899). Wedekind schrieb die erste Fassung des Stückes während seines Aufenthaltes in Dresden zwischen Mitte August und Mitte Oktober 1897 nieder. Das unten erwähnte Manuskript von „Das Gastspiel“, das Martens von Wedekind zur Einsicht erhalten hatte, ist nicht überliefert [vgl. KSA 4, S. 323 f. u. 331]..
Sie warnen mich davornicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Martens an Wedekind, 27.10.1897., etwas Dramatisches vorzulesen. Leider besitze ich aber nichts novellistisches als was in der Fürstin RussalkaWedekinds Sammelband „Die Fürstin Russalka“ (1897) enthält u. a. die Erzählungen bzw. kleineren Prosaskizzen „Der Brand von Egliswyl“, „Rabbi Esra“, „Der greise Freier“, „Die Fürstin Russalka“, „Das Opferlamm“, „Die Liebe auf den ersten Blick“, „Bei den Hallen“ und „Ich langweile mich“. Ein Teil der Texte, darunter auch die Titelerzählung sowie „Rabbi Esra“, war zuvor bereits im ersten Jahrgang der Zeitschrift „Simplicissimus“ (1896) veröffentlicht worden. enthalten ist. Und zweitens bin ich so ziemlich sicher mit dem Gastspiel mindestens einen ebenso großen Erfolg zu haben, wie mit irgend etwas Novellistischem, da die | scenischen Bemerkungen kaum der Rede werth sind und das Stück genau genommen nur aus drei Dialogen besteht. Ich glaube, wenn Sie es durchblättern werden Sie dieselbe Überzeugung bekommen. Anstößiges findet sich nichts darin, allerdings auch nicht viel Poesie. Ich hätte weit dichterischere Sachen vorzulesen, wie mein SonnenspectrumDas ursprünglich auf drei bis vier Akte angelegte Drama „Das Sonnenspectrum. Ein Idyll aus dem modernen Leben“, an dem Wedekind mit Unterbrechungen zwischen 1894 und 1901 arbeitete, blieb Fragment, wohl auch weil unter den Bedingungen der Zensur eine öffentliche Aufführung des Stückes, das in einem Bordell spielt, wenig aussichtsreich war. Den fertig gestellten ersten Akt hatte Wedekind bereits im Juni 1896 vor kleinem Publikum in der Münchner Vereinigung „Die Nebenregierung“ vorgelesen [vgl. KSA 3/II, S. 1449]. , die aber für einen größeren unvorbereiteten Kreis entschieden zu stark sind.
Den Rabbi Esra, obwohl ihn vielleicht viele meiner Zuhörer kennen, würde ich doch gerne voranschicken, da er eine wirkungsvolle Entree-Nummer ist. |
Beide Stücke zuzammen nehmen etwas länger als eine Stunde in Anspruch.
Ich lege Ihnen eine kleine Komödie „Die junge Welt“ bei, die ich schon vor mehreren Jahren geschrieben und die jetzt eben im DruckWedekinds Lustspiel „Die junge Welt“, eine stark überarbeitete Fassung seines Stücks „Kinder und Narren“ (1891), mit der er bereits 1895 begonnen hatte, erschien Ende Oktober 1897 im Verlag von W. Pauli’s Nachf. (H. Jerosch; Berlin) [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 248, 25.10.1897, S. 7743]. erscheint.
Da ich von dem Gastspiel nur das eine Manuscript besitze, darf ich Sie ersuchen, es mir eingeschrieben und wenn möglich bald zurückschicken zu wollen.
Ich bitte Sie, mich auch Herrn Dr. Heine bestens zu empfehlen und bin mit herzlichem Gruß in vorzüglichster Hochschätzung
Ihr
Frank Wedekind.
Dresden, Walpurgisstraße 14.II. – 28. Okt. 97.