Paris, 12.VII.1914.

Lieber Richard!

Darf ich Dich bitten, Deiner verehrten Frau Gemahlin meiner Frau und mein herzlichstes Beileid zu dem schweren Verlustnicht ermittelt. zu übermitteln, von dem sie betroffen wurde.

Mit großer Freude hörte ich von Deiner Panizza-AusgabeGemeint ist ein Band mit Erzählungen von Oskar Panizza, der Mitte Mai 1914 unter dem Titel „Visionen der Dämmerung“ im Verlag von Georg Müller (München/Leipzig) erschienen war. Weinhöppel schrieb dazu unter seinem Pseudonym Hannes Ruch eine biografische Einleitung („Wer ist Oskar Panizza?“), während der Herausgeber Hanns Heinz Ewers ein Nachwort beisteuerte. Das Buch erlebte etliche Auflagen und freue mich besonders über Deine gemeinsame Arbeit mit Hans Heinz Ewers. Hoffentlich gehen noch weitere Schöpfungen aus dieser Verbindung hervor.

Dieser TageWedekind war am 26.6.1914 allein von München nach Florenz gereist und von dort am 1.7. weiter über Mailand nach Paris, wo er im Grand Hôtel abstieg. Bis zu seiner Abreise am 13.7.1914 absolvierte er hier, wie sein Tagebuch dokumetiert, ein umfangreiches touristisches Programm. besuchte ich hier wiederholt die Stätten unserer einstigen Wirksamkeit1892 hatten Weinhöppel und Wedekind längere Zeit gemeinsam in Paris verbracht.. Moulin RougeDas berühmte Cabaret Moulin Rouge auf dem Montmartre (Boulevard de Clichy) besuchte Wedekind ausweislich seines Tagebuchs zweimal, am 5. und am 10.7.1914. An beiden Abenden wurde dort die Aufsehen erregende, von Wedekind auch im Tagebuch erwähnte Revue „Cache ton nu“ in 40 Bildern gespielt. Eine einzelne Szene des Stücks hatte zeitnah, am 9.7.1914, zu einer Anklage wegen Verstoßes gegen die Sittlichkeit gegen den Direktor des Moulin Rouge Jean Fabert und einer seiner Künstlerinnen geführt [vgl. Pousuites contre deux music-halls. In: Le Figaro (Paris), Jg. 60, Nr. 190, 9.7.1914, S. 5]. Die anderen im Brief genannten Örtlichkeiten, werden in Wedekinds Tagebuch nicht explizit erwähnt., Café Vetzel, Rue de Provence, Rue Gonmartinwohl fehlerhafte Lesung des Erstdrucks, statt: Caumartin.. MorgenAm Montag, den 13.7.1914 notierte Wedekind: „Abfahrt von Paris“. fahre ich nach München zurück. Es wäre sehr schön, wenn Ihr dorthin kämtEin Wiedersehen mit Weinhöppel in München ist durch Wedekinds Tagebuch erst für den 5.10.1915 dokumentiert: „Weinhöppel Friedenthal und Martens zum Abendessen bis zwei Uhr“.. Sollte es der Fall sein, dann laß es mich bitte rechtzeitig wissen. |

Mit der Bitte, Frau Aenne meine ergebenste Empfehlung auszusprechen, und herzlichen Grüßen, Dein alter

Frank.