Leipzig, 21.I.1898.
Lieber Hans,
Ihre Cartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Richard Weinhöppel an Wedekind, 20.1.1898. hat mir eine sehr große Freude bereitet. Kommen Sie
doch bitte mit am 1. Febr.am 1.2.1898, an dem Sophie Schröter (siehe unten) in Leipzig ein Konzert gab, bei dem sie auch Lieder von Hans Richard Weinhöppel (Pseudonym: Hans Richard) sang, wie angekündigt war: „Alberthalle. Dienstag, den 1. Februar, Abends 7½ Uhr: VII. Philharmonisches Concert. Leitung: Hans Winterstein. Solisten: [...] Fräulein Sophie Schröter aus München (Gesang). [...] 4. Lieder: [...] c. Geheimnis, d. Schlummre, Kind, v. Hans Richard.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 53, 31.1.1898, Morgen-Ausgabe, S. 770] damit wir
uns endlich wieder aussprechen können. Was soll ich Ihnen sonst noch schreiben?
Worte, Aussichten, Versprechungen? Nach dem Fiasco vom letzten WinterWedekinds erfolglose Versuche Anfang 1897 in Berlin, seine noch nicht aufgeführten Stücke auf die Bühne zu bringen. ekelt mir
davor. Frl. S.die Konzertsängerin Sophie Schröter aus München, eine Freundin von Hans Richard Weinhöppel [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 23.12.1897], die Wedekind am 7.1.1898 persönlich kennengelernt hat, als sie Leipzig besuchte [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 7.1.1898]. wird Ihnen alles erzählt haben und das finde ich viel hübscher
als das entsetzliche Schreiben. Grüßen Sie Frl. S. herzlichst von mir und seien
Sie lieb zu ihr, sonst bekommen Sie es mit mir zu thun. Eben bin ich im
Begriff, in die zweite Probe von ErdgeistWedekinds Tragödie „Der Erdgeist“ (1895) wurde von der Literarischen Gesellschaft in Leipzig unter der Regie von Carl Heine an dessen neugegründetem Ibsen-Theater am 25.2.1898 im Theatersaal des Leipziger Kristallpalastes uraufgeführt (die erste Wedekind-Inszenierung überhaupt); angekündigt war: „Die Litterarische Gesellschaft veranstaltet Freitag den 25. Februar ihren fünften Theaterabend. Zur Aufführung gelangt: Der Erdgeist, eine Burleske von Frank Wedekind. Der Erdgeist, der an diesem Abend seine Première erlebt, stellt eine völlig neue Gattung der modernen Dramatik dar. Das Drama ist für seine hiesige Aufführung vom Dichter einer Umarbeitung unterworfen worden, die der Bühnenwirkung des Stückes zum Vortheil gereichen dürfte. Die Aufführung findet im Theatersaale des Krystall-Palastes statt und beginnt pünctlich um 8 Uhr.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 96, 23.2.1898, Morgen-Ausgabe, 5. Beilage, S. 1415] Weiter wurde erklärt: „Das zur Aufführung gelangende Stück ‚Der Erdgeist‘ von Frank Wedekind (Verlag von Albert Langen, München) giebt eine Mischung von schwerem Lebensernst und souveränem Humor. Die weibliche Hauptrolle liegt in den Händen von Leonie Taliansky. Die männliche Hauptrolle wird von Frank Wedekind gespielt, der längere Zeit hindurch in der Schweiz und in Paris an der Bühne thätig war und unter seinem Theaternamen Heinrich Kammerer in der Literarischen Gesellschaft in Leipzig gastiert.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 100, 25.2.1898, Morgen-Ausgabe, 4. Beilage, S. 1470] zu fahren. Ob etwas daraus wird? Ich
habe aufgehört zu glauben, wenigstens glaube ich nur noch an das was geschehen
istAnspielung auf eine nicht zustande gekommene Inszenierung, die bereits vorbereitete Uraufführung der Tanzpantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ durch die literarische Gesellschaft in Leipzig, die nicht realisiert wurde [vgl. KSA 3/II, S. 794]., ebenso wie bei Frauen.
Sprechen Sie Frl. S. bitte auch meinerseits meinen
Dank dafür aus, daß sie Ihre Lieder singtSophie Schröter sang bei dem Konzert am 1.2.1898 in Leipzig zwei von Hans Richard Weinhöppel komponierte Lieder: „Geheimniß“ und „Schlummre, Kind“ (siehe oben).. Unsereiner muß Glück
haben, weil er nun einmal kein Streber ist. Und glauben Sie mir das eine,
lieber Freund: Ihr Glück ist Frl. S. Seien Sie kein Kindskopf,
der sein Leben verplempert. Nehmen Sie die Dinge ernst. Wir sind grade in den
Jahren, wo es sich entscheidet, ob man zum Teufel geht oder ob man die Welt
unterkriegt. Aus allem was ich aus Ihrer Vergangenheit kenne, glaube ich nicht,
daß sich die günstige Stunde noch einmal für Sie wiederholt. Ebenso steht es
augenblicklich mit mir.
Herzliche Grüße Ihr
Frank.
Auf Wiedersehn am 1. Febr!