Lenzburg
7.10.95.
Lieber Herr Eisenschitz,
empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen
RathschlagHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Otto Eisenschitz an Wedekind, 5.10.1895.. Sie schreiben, die Directoren möchten wie Piraten über das StückWedekinds von Albert Langen in München verlegte Tragödie „Der Erdgeist“ (1895), keine drei Wochen zuvor vorangekündigt [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 19.9.1895], lag seit einigen Tagen als Buch vor – „Franz Wedekind: Der Erdgeist: eine Tragödie. Paris, Leipzig, München, Albert Langen 1895“ [Bibliographie. In: Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 226, 1.10.1895, S. 8] – und wurde kurz darauf als erschienen verzeichnet [vgl. Wöchentliches Verzeichnis der erschienenen und der vorbereiteten Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, Nr. 41, 10.10.1895, Sparte 17].
herfallen. Jetzt, nachdem Sie es gelesen, halten Sie die Gefahr vielleicht
selbst nicht mehr für so dringend. Ich rechne darauf, daß das Stück in der literarischen Welt, in der Presse
einiges Aufsehen er|regt und auf diesem Wege trotz seiner Extravaganz auf die
Bühne gelangt.
Was aber die Agentur
betrifft, so hat sich mein VerlegerWedekinds Verleger war nun Albert Langen (Privatwohnung in München: Steinsdorfstraße 10), der Albert Langen Verlag von Leipzig nach München (Kaulbachstraße 51a) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1896, Teil I, S. 267] übergesiedelt, wie in der Verlagsankündigung von „Der Erdgeist. Eine Tragödie“ angezeigt war: „Kaulbachstr. 51 A (vorher: Leipzig, Ross-Str. 9).“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 209, 9.9.1895, S. 4748] Er firmierte als „Verlag von Albert Langen“ oder unter „Albert Langen, Verlag für Litteratur und Kunst, in Paris, Leipzig, München.“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 213, 13.9.1895, S. 4837] nämlich das Recht des BühnenvertriebesWedekind hatte sich, als er Albert Langen sein Drama „Der Erdgeist“ zum Verlag übergab, damit einverstanden erklärt, „Abmachungen mit den Theaterdirectoren“ [Wedekind an Albert Langen Verlag, Albert Langen, 10.7.1895] übernehme der Albert Langen Verlag.
vorbehalten. Albert Langen ist ein rühriger Mensch und ich habe einiges
Vertrauen in seine Unternehmungen. Auf jedenfall muß ich erst abwarten, wie er
sich dazu stellt. Auf Ihre freundliche Cartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Otto Eisenschitz an Wedekind, 9.9.1895. Wedekind hatte um Adressen von Wiener Theatern gegebenenfalls „auf einer Carte“ [Wedekind an Otto Eisenschitz, 7.9.1895] gebeten. In der verschollenen Postkarte dürfte der Bühnenvertrieb von Wedekinds Stücken angesprochen gewesen sein. hin habe ich ihn um Zustellung des
ContractesHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Albert Langen, 30.9.1895. Wedekind hat seinen Verleger gebeten, ihm den „Erdgeist“ betreffenden Vertrag zu senden. gebeten. Wenn die Überein|kunft mit ihm nicht zustande kommt, werde
ich von Ihrer Empfehlung an BlochOtto Eisenschitz hatte Wedekind in seinem Schreiben (siehe oben) offenbar geraten, sich mit Blick auf eine „Erdgeist“-Aufführung an Felix Bloch Erben, Theateragentur in Berlin (Dorotheenstraße 61) [vgl. Neues Adreßbuch für Berlin 1896, Teil I, S. 85], zu wenden. Gebrauch machen.
Für meine Person habe
ich die Überzeugung, daß das Stück auf der Bühne Erfolg haben würde, auch wenn
es von schlechten Kräften gegeben wird. Aber ich bezweifle, daß ohne AnregungOtto Eisenschitz erzählte später, er habe Emmerich von Bukovics, Direktor des Deutschen Volkstheaters in Wien [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 7.9.1895], vorgeschlagen, den „Erdgeist“ aufzuführen: „Aber mein Versuch mißglückte gründlich.“ [Otto Eisenschitz: Briefe von Frank Wedekind. Aus seinen Anfängen. In: Neues Wiener Journal, Jg. 26, Nr. 8749, 12.3.1918, S. 3]
irgend ein Director den Muth finden wird, es aufzuführen.
Von Donald höre ich, daß
Sie eine große Tournée vorhaben über London Paris, ect. Ich beneide Sie und
wünsche Ihnen von Herzen alles Glück und besten Erfolg. Ich habe meinen Bruder
nur einige Stunden gesehen, als er auf der | Durchreise nach ItalienDonald Wedekind kam von Berlin und reiste über Zürich nach Rom. über Zürich
kam. Ich selber werde nächster Tage in Zürich mit einem Wandervortragwohl am 10.10.1895 angetretene Vortragsreise [vgl. Wedekind an Otto Eisenschitz, 24.10.1895], wobei unklar ist, wohin genau sie führte. Wedekind jedenfalls trat in Zürich als Ibsen-Rezitator unter dem Namen Cornelius Mine-Haha auf, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. So bot er sich dem Lesezirkel Hottingen in Zürich an [vgl. Wedekind an Hans Bodmer, 24.10.1895]. Seiner Mutter hat er über einen der Vorträge berichtet [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.10.1895]. beginnen
von dem ich gleichfalls hoffe daß er mich ein Stück weit durch die Welt trägt.
Empfangen Sie meine
herzlichsten Grüße. Wer weiß, wo man sich wieder begegnet
In größter Hochschätzung
Ihr
Frank Wedekind.
[Druck:]
Lenzburg, 7./10. 95.
Lieber Herr Eisenschitz,
empfangen Sie meinen besten Dank für Ihren freundlichen Ratschlag. Ich rechne
darauf, daß das Stück in der literarischen
Welt, in der Presse einiges Aufsehen erregt und auf diesem Wege trotz seiner
Extravaganz auf die Bühne gelangt.
Was aber die Agentur
betrifft, so hat sich mein Verleger nämlich das Recht des Bühnenvertriebes
vorbehalten. Albert Langen ist ein rühriger Mensch, und ich habe einiges
Vertrauen in seine Unternehmungen. Auf jeden Fall muß ich erst abwarten, wie er
sich dazu stellt. Wenn die Uebereinkunft mit ihm nicht zustande kommt, werde
ich von Ihrer Empfehlung an Bloch Gebrauch machen.
Für meine Person habe
ich die Ueberzeugung, daß das Stück auf der Bühne Erfolg haben würde, auch wenn
es von schlechten Kräften gegeben wird. Aber ich bezweifle, daß ohne Anregung
irgend ein Direktor den Muth finden wird, es aufzuführen.
Ich werde nächster Tage
in Zürich mit einem Wandervortrag beginnen, von dem ich hoffe, daß er mich weit
durch die Welt trägt.
Empfangen Sie meine
herzlichsten Grüße. Wer weiß, wo man sich wieder begegnet.
In größter Hochschätzung
Ihr Frank Wedekind.