London 29.1.94.
30. Bedford Place
Russell Square.
Lieber Herr BierbaumOtto Julius Bierbaum war inzwischen nach Berlin übergesiedelt, wo er die Zeitschrift „Freie Bühne“ im Verlag S. Fischer redigierte, wie im letzten Heft des vorangegangenen Quartals auf dem Umschlag – „Otto Julius Bierbaum, der die Redaction des Blattes übernommen hat“ – und im Heft vermerkt ist: „Verantwortlich für die Redaction: Otto Julius Bierbaum. Berlin“ [Freie Bühne für den Entwickelungskampf der Zeit, Jg. 4, Heft 12, Dezember 1893, S. 1400]. Er „wohnte zunächst kurze Zeit bei Otto Erich Hartleben“ und fand dann „eine gemütliche Bleibe für sich und seine Frau“ [Raff 2019, S. 36] in Tegel bei Berlin; seine aktuelle Adresse war Anfang 1894 die von Otto Erich Hartleben (Karlstraße 32) [vgl. Berliner Adreß-Buch für das Jahr 1894, Teil I, S. 474], die er auch angab [vgl. Otto Julius Bierbaum an Wedekind, 15.2.1894].,
darf ich Sie bitten mir die beiden Heftezwei von drei Heften (die Hefte 1 und 3), die ein Teilmanuskript von Wedekinds Verskomödie „Elin’s Erweckung“ enthalten. „Erhalten sind drei einzelne Hefte mit blauliniertem (24 Zeilen), randlosem Papier ohne Wasserzeichen im Format 18 x 22,8 cm. Sie überliefern eine vollständige Reinschrift [...] der Szenen 1-3. [...] Es ist anzunehmen, daß es sich [...] um das Manuskript handelte, das Wedekind im Juni 1893 an Otto Julius Bierbaum sandte. Dafür spricht [...], daß das an Bierbaum gesandte Manuskript drei Szenen umfaßte und nachweislich aus mehreren Heften bestand. Heft 2, das vermutlich als Druckvorlage [...] fungierte, dürfte Wedekind zusammen mit den Korrekturfahnen direkt vom Verlag zurückerhalten haben.“ [KSA 2, S. 1142f.] von „Elins
Erweckung“ die noch in Ihren Händen sind, hierhernach London, wo Wedekind am 24.1.1894 eingetroffen ist [vgl. Tb]. zuschicken, aber bitte
recommandirteingeschrieben, per Einschreiben.. Den Musenalmanach habe ich in Paris noch erhaltenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Buchsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Dr. E. Albert & Co. (Verlag) an Wedekind, 1.12.1893. Wedekind reiste am 23.1.1894 von Paris ab und hat zuvor noch ein Exemplar des „Modernen Musen-Almanach auf das Jahr 1894“ (1893) erhalten, das ihm der Verlag in München gegen Ende des Vorjahrs geschickt haben dürfte., und danke
Ihnen noch nachträglich für die Ehre, die Sie mir durch | Aufnahme meines
FragmentesOtto Julius Bierbaums Aufnahme eines Szenenausschnitts aus Wedekinds Verskomödie „Elin’s Erweckung“ in seine Anthologie [vgl. Frank Wedekind: Bruchstück aus der Komödie „Elin’s Erweckung“. In: Moderner Musen-Almanach auf das Jahr 1894. Ein Jahrbuch deutscher Kunst. Hg. von Otto Julius Bierbaum. Zweiter Jahrgang. München (1893), S. 54-61]. erwiesen. Der Einzige unter den MitarbeiternDer „Moderne Musen-Almanach auf das Jahr 1894“ (1893) enthält schriftstellerische Beiträge von Hermann Bahr, Otto Julius Bierbaum, Karl Bleibtreu, Anna Croissant-Rust, Max Dauthendey, Richard Dehmel, Felix Dörmann, Franz Evers, Gustav Falke, Hans Fischer, Cäsar Flaischlen, Marie Eugenie delle Grazie, Ole Hansen, Heinrich Hart, Julius Hart, Otto Erich Hartleben, Franz Held, Max Hoffmann, Ludwig Jacobowsky, Maria Janitschek, Carl Korn, Hans Kraemer, Hedwig Lachmann, Detlev von Liliencron, Anton Lindner, Loris (d.i. Hugo von Hofmannsthal), Ottokar Stauff von der March, Oskar Panizza, Julius Petri, Hermine von Preuschen-Telmann, Stanislaw Przybyszewski, Ernst Rosmer (d.i. Elsa Bernstein), Ludwig Scharf, Richard Schaukal, Julius Schaumberger, Johannes Schlaf, Arthur Schnitzler, Maurice von Stern, Heinz Tovote, Frank Wedekind, Wilhelm Weigand, Bruno Wille, Ernst Ziel., den ich von ganzen
Herzen bedaure ist der VerlegerDr. phil. Eugen Albert war der Besitzer der Münchner Kunst- und Verlagsanstalt Dr. E. Albert & Co. (Schwabinger Landstraße 55) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1893, Teil I, S. 4], kaufmännischer Leiter des Verlags war Reinhold Loebell (Biedersteinerstraße 2) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1893, Teil I, S. 254], mit dem Otto Julius Bierbaum bei der Drucklegung der Anthologie in erster Linie zu tun hatte.. Sie werden voraussichtlich Urtheile die Menge
erhalten haben, die ihn als beneidenswerthen Mann erscheinen lassen, aber ich
kann mir nicht helfen, und Gott auch nicht, ich kann mich weder
dem UrtheilOtto Julius Bierbaum hat im „Modernen Musen-Almanach auf das Jahr 1894“ Johannes Schlafs Prosadichtung „Frühling“ (siehe unten) einen „Brief an Bierbaum“ betitelten Beitrag von Richard Dehmel vorangestellt [vgl. Moderner Musen-Almanach auf das Jahr 1894. Ein Jahrbuch deutscher Kunst. Hg. von Otto Julius Bierbaum. Zweiter Jahrgang. München (1893), S. 269-279], ein veröffentlichter Privatbrief (datiert 13.7.1893, Anrede: „Lieber Ju!“ Gruß: „Dein Richard“), der im Überschwang ein Loblied auf den Beitrag von Johannes Schlaf präsentiert, den Richard Dehmel selbst zur Publikation eingesandt hatte. In einer Besprechung wurde angemerkt: „Von Richard Dehmel bringt der Almanach nur einen Brief an Bierbaum, in welchem dieser seinem Entzücken über die Werke seiner Freunde den trunkensten Ausdruck giebt.“ [Vorwärts, Jg. 10, Nr. 299, 21.12.1893, 2. Beilage, S. (1)] Otto Julius Bierbaum wiederum hat den Brief von Richard Dehmel mit einer überdimensionalen Fußnote versehen, die mögliche Einwände dagegen von vornherein zu entkräften sucht [vgl. Moderner Musen-Almanach auf das Jahr 1894. Ein Jahrbuch deutscher Kunst. Hg. von Otto Julius Bierbaum. Zweiter Jahrgang. München (1893), S. 269f.]. Richard Dehmels | über Schlafs FrühlingOtto Julius Bierbaum hat im „Modernen Musen-Almanach auf das Jahr 1894“ Johannes Schlafs Prosadichtung „Frühling“ im Erstdruck veröffentlicht [vgl. Moderner Musen-Almanach auf das Jahr 1894. Ein Jahrbuch deutscher Kunst. Hg. von Otto Julius Bierbaum. Zweiter Jahrgang. München (1893), S. 280-304], eine „Folge prosalyrischer Erlebnissituationen, die lose miteinander verknüpft sind“, an denen „der dithyrambische Tonfall“ eines „emphatischen Naturgefühls“ auffällt, als dessen „Grundlage [...] ein von darwin-haeckelschen Evolutionsvorstellungen geprägter religiöser Monismus“ [Dieter Kafitz: Johannes Schlaf – Weltanschauliche Totalität und Wirklichkeitsblindheit. Ein Beitrag zur Neubestimmung des Naturalismus-Begriffs und zur Herleitung totalitärer Denkformen. Tübingen 1992, S. 108] dingfest gemacht wurde. Die Buchausgabe „Frühling“ (1896) erschien überarbeitet und erweitert im Verlag Kreisende Ringe (Max Spohr) in Leipzig. noch dem Ihrgeigen
über Richard Dehmels Brief anschließen. Den Brief finde ich
abgeschmackt und den Frühling langweilig. Treiben Sie bitte die HypokrisieHeuchelei, Scheinheiligkeit.
nicht soweit das Publicum in der nächsten AusgabeEs gab keine weitere Ausgabe; der „Moderne Musen-Almanach“ wurde nach dem zweiten Jahrgang eingestellt. dafür zu tadeln, daß es ein
solches Buch nicht kauft. Das hieße, sich in Ihrer Eigenschaft als Schriftsteller
am Publicum versündigen.