Berlin-Grunewald
16/18 Wernerstrasse 7.7.16
Lieber Herr Wedekind,
ich bin erschreckt: zu hören, daß Sie sogleich fort wollen.
Als ich Sie sahMaximilian Harden hat Wedekind am 25.6.1916 bei Walther Rathenaus Schwager Fritz Andreae gesehen und gesprochen, wie Wedekind notierte: „Zu Tisch bei Andree mit Harden“ [Tb]., sagten Sie, daß Sie jedenfalls noch einige Tage nach dem Spiel
hier sein werden. Darauf hatte ich gerechnet. Während der Riesenanstrengung
wars ja eine arge Zumuthung, Sie hierher zu bitten. Sie müssen wohl, Beide, arg
müde sein. (Im TheaterMaximilian Harden sah Wedekind in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in einer der „Erdgeist“-Vorstellungen (die letzte von insgesamt zwölf fand am 6.7.1916 statt) im Rahmen des laufenden Wedekind-Zyklus. wars, freilich, nicht merkbar. BeideFrank und Tilly Wedekind. schienen ganz
frisch und Ihre Leistung stand geistig viel höher als die Steinrücks, den ich,
vor Jahren, in der Rolle sahAlbert Steinrück hatte in der Berliner Inszenierung des „Erdgeist“ am Neuen Theater in Berlin (23.9.1904 bis 8.11.1904) die Rolle des Dr. Schön gespielt. Wedekind schrieb in „Schauspielkunst“ (1910) über die Darstellung: „Übrigens war mir Albert Steinrücks Dr. Schön von jeher das Faszinierendste, was ich mir unter einer brutalen Raubtierintelligenz vorstellen konnte.“ [KSA 5/II, S. 370]. Ich selbst war so lahm u trüb, daß ich nicht den
Versuch machen konnte, Sie nachher zu sehen.) Als Kraftprobe wars noch nicht.
Eigene Dichtung, RegieFrank Wedekind führte bei allen drei für den Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe unten) inszenierten Stücken („Marquis von Keith“, „Erdgeist“, „Simson“) die Regie. unter schweren Umständen, HauptrollenFrank und Tilly Wedekind spielten in allen drei Stücken, die während des Berliner Wedekind-Zyklus (siehe unten) aufgeführt wurden, die Hauptrollen (im „Marquis von Keith“ die Titelrolle und die Rolle der Anna Werdenfels, im „Erdgeist“ Dr. Schön und Lulu, im „Simson“ die Titelrolle und Delila)., vier WochenDer dritte Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) mit insgesamt 25 Vorstellungen fand vom 9.6.1916 bis 6.7.1916 statt. lang!
Ein bißchen innere Freude müssen Sie empfinden. Trotz Allem, was draußen ist.
Wie der MarathonboteAnspielung auf den Boten, der nach antiker Überlieferung von Athen nach Sparta lief, um den Sieg über die Perser zu verkünden (nach diesem sagenhaften Lauf allerdings vor Erschöpfung starb). kehren Sie heim. Aber, ich hoffe, noch nicht. | Sagen Sie
mir, bitte, wann Sie fahrenWedekind notierte am 8.7.1916 seine Abreise von Berlin: „Schöne Fahrt nach München.“ [Tb] und obs gar nicht möglich ist, Sie zuvor noch einen Augenblick zu sehen.
Tief herzliche Wünsche Ihnen und der Anmuthreichen
Gefährtin.
Ihr
Harden