Sehr geehrter Herr Harden!
Eben komme ich aus der ProbeWedekind notierte am 12.1.1912: „Generalprobe Zorn des Achill“ [Tb]; er besuchte den Abend darauf die Premiere der Tragödie „Der Zorn des Achilles“ (1909) von Wilhelm Schmidtbonn unter der Regie von Felix Hollaender am Deutschen Theater zu Berlin (siehe unten)., sehr schöne BühnenbilderDie Bühnenbilder zur Berliner Inszenierung von Wilhelm Schmidtbonns Tragödie „Der Zorn des Achilles“ stammten von Ernst Stern, der auch die Kostüme entworfen hat., sehr
schöne Sprache. Das Stück konnte mir kaum einen Eindruck hinterlassen, da ich
nur das letzte Drittel sah. Ich vermute sehr starke Originalität. Morgen AbendWedekind notierte am 13.1.1912: „Premiere von Der Zorn des Achilles“ [Tb]; die Vorstellung begann um 19 Uhr [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 20, 13.1.1912, Morgen-Ausgabe, S. 12].
werde ich es ganz sehen. KahaneArthur Kahane war Dramaturg am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 283]. sagte mir, daß Reinhardt am 16.Die Presse berichtete: „Max Reinhardt, der von Mitte Dezember ab einen vierwöchigen Urlaub dazu benutzte, um in London die Vorstellung von ‚Miracle‘ und die englische Aufführung des ‚Oedipus‘ zu inszenieren, wird von Beginn der Woche die Proben von Strindbergs ‚Totentanz‘ leiten.“ [Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 22, 14.1.1912, Morgen-Ausgabe, S. 6] Max Reinhardt war am 15.1.1912 (Montag) noch in London, wie ein Telegramm vom 16.1.1912 meldete – „London, 16. Jan. (Telegr.) Im Convent Garden-Opernhaus wurde gestern abend König Oedipus, in Szene gesetzt von Max Reinhardt, mit großem Erfolg zum ersten Male gegeben. Reinhardt wurde mehrere Male gerufen“ [Kölnische Zeitung, Nr. 54, 16.1.1912, Mittags-Ausgabe, S. (2)] – und er dürfte am 16.1.1912 zurück in Berlin gewesen sein, wo Wedekind ihn nicht mehr hat treffen können, da er am 14.1.1912 zurück nach München gereist ist [vgl. Tb]. also nächste
Woche zurückkommt. Über meinen GastspielvorschlagWedekind wollte dem Deutschen Theater ein Gastspiel vorschlagen; ob und mit wem er darüber gesprochen hat, ist unklar (siehe unten), das Deutsche Theater zu Berlin veranstaltete jedenfalls vom 1. bis 16.6.1912 einen Wedekind-Zyklus. sprach ich bis jetzt noch mit
niemandem, da alles sehr beschäftigt war. Morgen AbendWedekind rechnete mit Gesprächen mit Mitgliedern des Deutschen Theaters zu Berlin nach der Premierenvorstellung von Wilhelm Schmidtbonns Tragödie (siehe unten), die offenbar nicht stattfanden, denn er notierte am 13.1.1912 nach dem Theaterbesuch: „Nachher allein Habsburgerhof“ [Tb]; er war in seinem Hotel nicht in Gesellschaft. wird wol die Rede darauf
kommen. Seien Sie noch einmal herzlich bedankt für die große Freundlichkeit,
mit der Sie mich heute wieder empfingenWedekind hielt am 12.1.1912 fest: „Besuch bei Harden.“ [Tb].
Mit den besten Empfehlungen an Ihre verehrte Frau Gemahlin
und herzlichem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
Berlin, 12.1.12.