München,
21. Januar 1915.
Sehr
verehrter Herr HofratHofrat Dr. phil. Paul Schlenther in Berlin-Wilmersdorf (Kaiserplatz 14) [vgl. Berliner Adreßbuch 1915, Teil I, S. 2741]; der Titel eines k.u.k. Hofrat war ihm 1910 seitens der österreichischen Krone verliehen worden.!
Wollen
Sie gestatten, Ihre Zeit für einen Moment in Anspruch zu nehmen. Während eines mehrwöchentlichen KrankenlagersWedekind war am 29.12.1914 am Blinddarm operiert und am 9.1.1915 aus der Klinik entlassen worden; er notierte am 21.1.1915 – an dem Tag, an dem er den vorliegenden Brief schrieb – den Besuch seines behandelnden Arztes Dr. med. Friedrich Scanzoni von Lichtenfels: „Skanzoni verbindet mich“ [Tb]. war es mir vergönnt, mich eines Tages an Ihrer
fesselnden Besprechung „Roman eines Würzburgers“ zu erfreuen. Mitten in Ihrer
Besprechung stieß ich auf die Zusammenstellung | von vier NamenAugust Strindberg, Frank Wedekind, Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann. Paul Schlenther schrieb in seiner Besprechung von Leonhard Franks mit dem Fontane-Preis ausgezeichneten Roman „Die Räuberbande“ (1914): „Der Roman erschien bei Georg Müller, München, dem Verleger Strindbergs und Wedekinds, aber ein anderer moderner Verleger, S. Fischer, der Verleger Ibsens und Hauptmanns, hat diesen Roman des Fontane-Preises gewürdigt.“ [Paul Schlenther: Roman eines Würzburgers. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 645, 19.12.1914, Abend-Ausgabe, S. (2-3), hier S. (2)], aus der ich
auf ein ganz außergewöhnliches, ich muß wohl sagen, auf das denkbar größte
Wohlwollen schließen mußte, das bei Ihnen, verehrter Herr Hofrat, gegenüber
meiner Arbeit obwaltete. Verzeihen Sie mir bitte die Eitelkeit, daß ich mir
sagte: Sollte mein Zustand jetzt kritisch werden, dann würde er mir durch den
Gedanken an die in Ihrer Besprechung gefundene | Zusammenstellung um ein
Beträchtliches erleichtert, und ich hätte Ihnen für diese Erleichterung
vielleicht nicht mehr danken können. Um so mehr drängt es mich, das
nachträglich zu tun mit der ergebenen Bitte, nichts unstatthaftes darin
erblicken zu wollen.
Mit
ehrerbietigem Gruß
Ihr
alter
Frank
Wedekind.