Verehrter Herr Harden!
eben erhalte ich einen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Artur Landsberger an Wedekind, 22.4.1910. von Dr. Landsberger, aus dem
ich ersehe, daß Sie noch dieselbe Theilnahme für meine AngelegenheitWedekinds Verlagsangelegenheiten, die Konflikte mit seinem Verleger Bruno Cassirer, über die er mit Maximilian Harden dem Tagebuch zufolge am 4.4.1910 („Nachmittag bei Harden“) bereits gesprochen haben dürfte. Die Auseinandersetzungen mit seinem Verleger sind unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ auch in Wedekinds Notizbüchern dokumentiert [vgl. KSA 5/III, S. 126-141]. hegen. Zwischen
J.R. Jonas und Dr. Oskar Meyer schweben seit 14 Tagen VergleichsverhandlungSchreibversehen statt: Vergleichsverhandlungen. Diese führten Wedekinds Anwalt Dr. Paul Jonas, Justizrat, Rechtsanwalt am Landgericht I, II, und III in Berlin und Notar (Kanzlei: Taubenstraße 16-18) [vgl. Berliner Adreßbuch 1910, Teil I, S. 1210], und Bruno Cassirers Anwalt Dr. Oscar Meyer, Rechtsanwalt und Kammergerichtsrat in Berlin (Belle-Alliance-Straße 92) [vgl. Berliner Adreßbuch 1910, Teil I, S. 1840].,
nachdem ich zuvor mein Versprechen geben mußte mich um nichts mehr zu kümmern.
Als Käufer | der Cassirerschen Rechte kam Georg Müller in Betracht. Daß/s/
erste Ergebnis war daß Cassirer seine ohnehin horrende Forderung um 8000 Mark
erhöhte. Ich kann daher kaum mehr glauben, daß Cassirer einen Vergleich
wünscht. Ich glaube, es war ihm nur darum zu thun bis zum Prozeß Ruhe vor mir
zu haben.
Ich weiß nicht, verehrter Herr Harden, wie ich dazu komme,
Sie | mit meinen Existenzfragen zu belästigen, aber wenn Sie Gelegenheit
nehmen, mit Cassirer zu sprechen, würde es mich natürlich im höchsten Grad
interessiren zu wissen wie Sie meine Sachlage ansehen. Ihre Zeit möchte ich
damit gewiß nicht in Anspruch nehmen, aber vielleicht hätten Sie mir irgend
einen werthvollen Wink zu geben.
Auf Dr. Landsbergers VorschlagArtur Landberger meinte in einem Brief an Maximilian Harden vom 26.4.1910, Wedekind sei „bei Justizrat Jonas in den ungeeignetsten Händen. Ich habe ihm zu Philipp geraten, und er acceptierte freudig unter der Bedingung, daß für Jonas ein plausibler Grund gefunden würde.“ [Bundesarchiv Koblenz, Nachlass Maximilian Harden, Nr. 63], Rechtsanwalt Dr. PhilippIn Berlin sind für den fraglichen Zeitraum zwei promovierte Rechtsanwälte mit dem Nachnamen Philipp zu identifizieren [vgl. Berliner Adreßbuch 1910, Teil I, S. 2107; Berliner Adreßbuch 1911, Teil I, S. 2207]: Dr. Hans Philipp (Rechtsanwalt beim Berliner Landgericht I, II und III, Pressemeldungen zufolge eher auf Strafrechtsfälle und Gewaltverbrechen spezialisiert) und Dr. Richard Philipp (wie der andere Rechtsanwalt und wie Wedekinds Anwalt Dr. Paul Jonas am Landgericht II in Berlin tätig [vgl. Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 509, 30.19.1910, Morgen-Ausgabe, S. 2]; er war wohl die gemeinte Person).
zuzuziehen bin ich sofort eingegangenvgl. Wedekind an Artur Landsberger, 23.4.1910.. Er wird mir | mittheilen, wie das, ohne
daß sieSchreibversehen statt: sich. J.R. Jonas verletzt fühlt möglich ist.
Paul Cassirer konnte als mein künftiger Verleger nicht in
Betracht kommen aus dem einfachen Grunde weil ihm seinenSchreibversehen statt: seine. anderen Geschäfte
keine Zeit übrig lassen. An dem Montag als ich bei Ihnen waram 4.4.1910: „Nachmittag bei Harden“ [Tb]. kam es Abends zu
keiner Besprechung weil er plötzlich verreisen mußte. Er blieb dann bis nach
meiner Abreise fort und ist jetzt wieder auf Reisen. Über seine Qualitäten als
Mensch und auch als Geschäftsmann, bin ich durchaus Ihrer Ansicht und schätze
Paul Cassirer sehr als Freund. Leider zwangen mich die einfachsten praktischen
Gründe | mich an Georg Müller zu wenden, da sonst die spärlichen Verhandlungen,
die derweil stattfanden gar nicht möglich gewesen wären.
Wollen Sie bitte Ihrer verehrten Frau Gemahlin meiner Frau
und meine ergebensten Empfehlungen aussprechen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
München, Prinzregentenstraße 50.
23.4.10Wedekind notierte am 23.4.1910: „Briefe an Harden Jonas Landsberger“ [Tb] – das sind der vorliegende Brief sowie Briefe an den Rechtsanwalt [vgl. Wedekind an Paul Jonas, 23.4.1910] und den mit Wedekind befreundeten Schriftsteller [vgl. Wedekind an Artur Landsberger, 23.4.1910]..