Grunewald, 9.6.12
Sehr geehrter Herr Wedekind,
vor Allem: ich freue mich herzlich Ihrer ErfolgeMaximilien Harden gratuliert zum ersten Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) zu Berlin (1. bis 16.6.1912) mit Frank und Tilly Wedekind in den Hauptrollen ‒ seit dem 1.6.1912 insgesamt 9 Vorstellungen („So ist das Leben“, „Hidalla“, „Musik“, es folgten vom 10.6.1912 bis 16.6.1912 „Erdgeist“, „Oaha“, „Marquis von Keith“); er war bei Publikum und Kritik ein großer Erfolg.. Vivant sequentes!(lat.) die Nachfolgenden sollen leben!
Ich hatte gewartet, weil ich hoffte, über „Franziska“ mit
Ihnen mündlich mich verständigen zu können. Nun haben Sie die „Blätter fürs
D.Th.“ vorgezogenWedekind hatte dem Herausgeber der „Zukunft“ das Manuskript der Szene II/4 aus der neuen Fassung von „Franziska“ [KSA 7/I, S. 341-344] geschickt und für den Druck angeboten [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 26.4.1912], die nun anlässlich des Wedekind-Zyklus am Deutschen Theater (siehe oben) soeben in der Wedekind-Nummer der „Blätter des Deutschen Theaters“ erschienen war [vgl. Frank Wedekind: Franziska. Ein modernes Mysterium. Umarbeitung in Versen. In: Blätter des Deutschen Theaters. Nr. 19, 1.6.1912, S. 289-291]; vorangestellt war eine Zusammenfassung des Stücks und der Hinweis: „Wir bringen hier die Hauptszene dieses Aktes in einer bisher unveröffentlichten Umarbeitung.“ (was ich Ihnen gewiß nicht verdenke). Aber ich hoffe noch,
mit Ihnen darüber reden zu können. Ich muß Sie ja auch auf der Bühne sehen.
Und vielleicht läßt sichs ermöglichen, daß Sie, trotz Ihrer Riesenarbeit, mit
Ihrer verehrten Frau, die ich herzlich zu grüßen bitte, einmal hier
frühstücken, zu einer frühen Stunde, die Ihnen die Theaterstimmung nicht verdirbt.
Aber natürlich, wie es Ihnen bequem ist.
Glückauf! Ich denke, bald ins Theater kommen zu können.
Herzlich grüßt
Ihr
Harden