Mein vielgeliebter Babeinnerfamiliärer Kosename Frank Wedekinds (häufig auch: Bebi).!
Weihnachten, mit seinen Leiden und Freuden ist vorüber und nun
mahnt einemSchreibversehen, statt: einen. der Anblick der Geschenke, als Beweise der Liebe, den Gebern zu
danken. Den Nahen hat man seinen warmen Dank schon lange ausgesprochen allein
Dir und der lieben guten Tante PlümacherOlga Plümacher wohnte seinerzeit in Stein am Rhein. muß man zu dem Zweck schreiben,
damit Ihr gewahr werdet, daß Eure Absicht, Freude zu machen vollkommen erreicht
worden ist. Die beiden Partiturenvgl. Frank Wedekind an Emilie und Friedrich Wilhelm Wedekind, 21.12.1885. haben mich sehr erfreut. Zwar ist es für mich
etwas schwierig und nur mit Mühe gebe ich auf dem Clavier diese Kunstwerke
wieder. D/E/igentlich stottere ich sie ungeschiktSchreibversehen, statt: ungeschickt. genug auf die/en/
Tasten herunter, aber dennoch erfüllt es mich mit großer Freude, wenn ich nach
langem vergeblichem Suchen | altbekannte, liebe Melodien heraushöre, die mir
ebenso willkommen sind, wie die Gesichter alter lieber Freunde, die man erst
nach langem Sinnen unter den Runzenln wiedererkennt welche ihnen vom
Alter gezogen wurden. Von Papa wirst Du wohl auch noch hören, wie sehr ihn das wunderschöne Bildeine Reproduktion von Raffaels Madonna della Sedia [vgl. Frank Wedekind an Emilie und Friedrich Wilhelm Wedekind, 21.12.1885].
erfreute. Nicht nur ihnSchreibversehen, statt: Nicht nur ihm. sondern uns allen war der Anblick ein hoher Genuß.
Deßhalb danke ich Dir auch dafür tausendmal und zuletzt, aber nicht zum
Wenigsten für Deinen, an uns Alle gerichteten schönen Briefvgl. Frank Wedekind an Emilie und Friedrich Wilhelm Wedekind, 21.12.1885., der so sehr seinen
Zweck erfüllte, daß Alle davon gerührt und ergriffen waren. Deine Sendung kam am 24. Vormittags. Wir
öffneten es aber erst Abends bei der Bescheerung.
Unser Weihnachtsfest ging ganz nach altem Herkommen und
Brauch von statten. Armin kam | mit Papa am Mittwochden 23.12.1885. und machte sich sehr
nützlich durch das Schmücken des Baumes und andere kleine Gefälligkeiten. Was
uns der Weihnachten alleSchreibversehen, statt: alles. für Herrlichkeiten gebracht hat will ich den AndernVon den Briefen aus der Familie mit Bezug auf das Weihnachtsfest sind erhalten: Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 31.12.1885; Armin Wedekind an Frank Wedekind, 1.2.1886. überlassen
Dir genau zu schreiben nur so viel sei Dir kund und zu wissen, daß ich, auf Donalds
beharrliche Bemühungen von Papa einen herrlichen neuen Wintermantel bekam,
welchen ich wirklich mit wahrem Entzücken begrüßt habe.
Unser Mati hat sich an den Gütsi’s„im Allg. Zuckerbackwerk, Confect, Naschwerk, Süssigkeit, süsser Kram, Bonbon (bes. für Kinder)“ [Schweizerisches Idiotikon 2, S. 554]. den Magen verdorben und
liegt seit gestern zu Bett. Am letzten Sonntagam 27.12.1885. kamen die LisaLisa Jahn, für die Wedekind zeitweise schwärmte und die seine Gefühle im Herbst 1885 erwidert haben soll [vgl. Kutscher 1, S. 112], war die älteste Tochter der Lenzburger Apothekerwitwe Bertha Jahn – Wedekinds ‘erotischer Tante’ [vgl. die Korrespondenz]. An die 2 Jahre jüngere Freundin adressierte Wedekind die Gedichte „Lisa Jahn“ [KSA 1/I, S. 188; vgl. KSA 1/I, S. 966f.], „An Lisa“ [KSA 1/I, S. 202; vgl. KSA 1/II, S. 1810f.] und „An Francisca de Warens“ [KSA 1/I, S. 417; vgl. KSA 1/I, S. 1917f.]. und Hanni JahnHanna Jahn, die 25jährige Tochter von Bertha Jahn.s,
wurden um 7 Uhr von VictorVictor Jahn, der Bruder von Lisa und Hanna Jahn. abgeholt, der aber noch bis 11½ Uhr
geduldig wartete. Es wurde getanzt und SpielerSchreibversehen, statt: Spiele. gemacht aber eigentlich war es
doch ziemlich langweilig. ––
Von Minna habe ich eine brillante Photographie mit Briefnicht überliefert. erhalten.
| Ist die PhotogrphieSchreibversehen, statt: Photographie. gut, dann kann sich Minna gratulieren, den dannSchreibversehen, statt: denn dann.
ist sie beinahe hübsch geworden.
Tante Plümacher schickte mir ein weiches, sehr
orginell gearbeitetes Rückenkissen damit ich mein theures Haupt nicht mehr auf
die harten Seitenlehnen unseres Sofäle’s im Wohnzimmer zu legen brauche. Mein
lieber, guter Armin, welcher mir kurz vor seiner Ankunft noch einen rührenden
VersöhnungsbriefDer Brief Armin Wedekinds an seine Mutter ist nicht überliefert; der Zusammenhang nicht ermittelt. geschrieben hatte überraschte mich mit einer prachtvollen
Palme, die wie ich mir schon lange eine gewünscht hatte auf meinen
Blumentisch. Somit siehst Du, mein lieber Franklin, daß ich wohl Ursache hatte
von den Freuden des Weihnachtsfestes zu sprechen und dieses mal überwiegen sie
wohl die Leiden die hauptsächlich in der Angst bestanden, daß die Kinder sich
an den Kuchen den Magen verderben könnten, eine | Befürchtung, die nun unser
Mati auch richtig bestätigt hat. ––
Ar Miezchen hat, neben vielem Anderem den Göthe
bekommen. Gestern nun, indem er die Pflege bei Mati übernahm, las mir Armin
mehrere Stunden daraus vor und zwar aus Wahrheit und Dichtung. Ich habe innerlich
dem Altmeister Abbitte gethan, denn diese Bekenntnisse aus seiner Jugend haben
mich wahrhaftig entzükt. Es kam so mancher recht menschlicher Zug darin vor, so
kernig und liebenswürdig erzählt daß mir dieses/r/ Theil seiner Werke
denselben Eindruck machte, wie das Gedicht von J unserm Herrn JesusJohann Wolfgang Goethes Ballade „Legende“ (1798). und
seinen Jüngern mit seiner reizenden behaglichen Naivität. – Ich wollte, ich
könnte Dir noch mehr schreiben über Gelesenes und Erlebtes. Allein da ist der
Schreckensjunge Doda mit seiner Katze, dem Goldigen,
der einem keinen ruhigen Augenblick läßt. | Ich würde Gefahr laufen, Dir
allerlei ungereimtes Zeug zu schreiben daher will ich lieber schließen. Zum
neuen Jahre kann ich Dir nichts anderes wünschen als was ich Dir tagtäglich
wünsche. Alles Glück und Gottes Seegen. Bleibe brav und gesund und erfreue uns
bald wieder mit Deinen Nachrichten. Tausend Grüße von Allen. Ich aber küsse
Dich und bleibe Deine Dich zärtlich liebende Mutter
Emilie
Wedekind.