Zürich 28 VI.87.
Liebe Mama,
als ich das letzte Malnicht ermittelt; vermutlich war Wedekind zwischen seinem letzten Brief [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 10.6.1887] und dem vorliegenden auf Schloss Lenzburg gewesen. zu Hause war und du mir zum Abschied das
freundliche AnerbietenWie aus dem weiteren Brief hervorgeht das Angebot Emilie Wedekinds, ihren Sohn gegebenenfalls aus ihren Mitteln finanziell zu unterstützen. machtest, da glaubt ich nicht daß ich so bald in den
Fall kommen würde, wo ich genöthigt wäre mich auf deine Worte zu berufen. Es
wird mir schwer genug, zumal ich weiß, daß es auch dir nicht leicht sein wird.
Aber mir ist, als sei es angenehmer für jemand anders Geld zu borgen als für
sich selbst.
Ich hoffe du werdest nicht daran zweifeln | daß ich arbeite so
weit meine Kräfte reichen. undSchreibversehen, statt: reichen. Und. kein Geld nutzlos verschwende. Wenn man keins
hat, hört das von selbst auf. Aber du wirst sagen, das könne so nicht weiter
gehen, denn was hilft die Arbeit, wenn sie nichts einbringt. Und das sag’ ich
auch, und werde deshalb von Beginn nächsten Monats an Stunden geben in Latein
und Deutsch. Es ist so weit schon alles in Ordnung.
And/Zw/ar würd’ ich auch darauf natürlich nie meine
Zukunft gründen. Aber ich möchte nur noch eine kleine Weile zum Probiren, zur
freien Arbeit haben. Eine Stelle ist dann rasch gefunden, wenn alles nicht
geht; aber ich mag so rasch ni bald noch nicht verzweifeln. Ich
hege noch Hoffnung. Wenn | du auch mitleidig lächelst, du wirst den Wahn doch
begreiflich finden. Geht es dann nicht, so will ich mich ja gern wieder einspannen.
Es handelt sich um 100 Fr die ich bis zum auf den 1 VII haben sollte. Vielleicht daß du sie hier und
oder dort bekommst. Binnen wenigen Monaten werd’ ich sie abzahlen können. An meinem
f/F/leiß soll es dann nicht fehlen. Bedenke daß ich letzten WinterWedekind war von November 1886 bis April 1997 bei der Firma Maggi und Co. als „Vorsteher des Reclame- und Preßbureaus“ [Wedekind an Jaroslav Kvapil, 24.4.1901] fest angestellt gewesen. die
Summe in zwei Monaten bequem erspart haben würde.
Sollte es dir nicht gelingen, so bitte schreib mir. Ich
erhalte sie hier in Zürich bereitwillig. Aber weil du es mir angeboten, dacht’
ich, will ich zuerst zu dir kommen.
Wenn du meinen letzten Briefvgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 10.6.1887. noch einmal aufmerksam durchliest,
so | wirst du nichts respectwidriges darin finden. Zum mindsten war die Absicht
gut. Du hast dich an den einzelnen Worten gestoßenvermutlich gesprächsweise bei Wedekinds eingangs erwähntem letzten Besuch in Lenzburg..
Und nun leb wol, Liebe Mama, und verzeih deinem treuen Sohn.
Franklin.