Kennung: 5190

Berlin, 7. Mai 1902 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Meine liebe Mama!

zuSchreibversehen, statt: Zu. Deinem heutigen GeburtstageAm 8.5.1902 hatte Emilie Wedekind ihren 62. Geburtstag. sende ich Dir meine herzlichsten Glückwünsche und hoffe, daß Du ihn froh und in bestem Wohlsein verbringst. Ich bin seit zwei Tagenseit dem 5.5.1902. hier in Berlin, wo ich DemnächstSchreibversehen, statt: demnächst. wieder auftreteSo auch die Presse: „In E. v. Wolzogens Buntem Theater wird in den nächsten Tagen Frank Wedekind ein Gastspiel absolviren. Zunächst wird Wedekind als Darsteller in seiner eigenen Dichtung ‚Rabbi Esra‘ auftreten.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 229, 7.5.1902, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Der Auftritt erfolgte eine Woche später, am 14.5.1902: „In Wolzogens Buntem Theater fand gestern ein Novitätenabend statt. Er brachte eine besondere Sensation: Frank Wedekind trat zum ersten Mal im Rahmen des Ueberbrettls vor das Berliner Publikum. Freilich zeigte er nur einen Theil dessen, was er kann. Anstatt uns einen zwar pointenreichen, aber doch gequälten Prolog zu sprechen (im Kostüm des Menageriedirektors, wie man ihn auf Jahrmärkten zu treffen pflegt), anstatt uns in Verbindung mit Frau Elsa Laura v. Wolzogen, die sich übrigens im Ton beträchtlich vergriff, seinen unmöglichen, aber geistreichen Dialog ‚Rabbi Esra‘ vorzuführen, hätte er besser gethan, wie er es sonst pflegt, zu Guitarrenbegleitung eines seiner kecken, prächtigen Lieder zu singen. […] Das Publikum hatte das Gefühl, daß ihm Wedekind etwas schuldig blieb, und verhielt sich darum einigermaßen reservirt.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 31, Nr. 242, 15.5.1902, Morgen-Ausgabe, S. (2)] Wedekinds Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ wurde nicht gegeben., vielleicht auch die Kaiserin von Neufundland zur Aufführung bringe. Donald habe ich noch nicht gesehen, denke ihn aber heute Abend noch zu treffen. | Nach allem was ich höre geht es ihm gut. Auf jeden Fall befindet er sich in aufsteigender Linie. Ich hatte sehr gehofft, Dich diesen Winter einmal zu sehen. Jetzt vertröste ich mich damit auf meine Rückreise nach München, die vermutlich in ein oder zwei MonatenWedekind kehrte bereits Ende Mai, Anfang Juni nach München zurück. statt findet. Mieze sah ich in München einige Minuten, später traf ich dann am gleichen Tagevermutlich der 23. oder 24.3.1902. Erika Wedekind war vom 24. bis 27.3.1902 zu Gast am Nürnberger Stadttheater [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 138, 23.3.1902, S. 4]. mit ihr in Nürenbergveraltet für Nürnberg. ein, wo ich mit Max Halbe in Geschäftenvermutlich ein Treffen mit Emil Meßthaler, dem Direktor des Intimen Theaters in Nürnberg, der bereits Ende 1900 die Uraufführung des „Marquis von Keith“ als Gastspiel in Berlin geplant hatte [vgl. Wedekind an Beate Heine, 29.12.1900], die er aber nicht realisierte. Von ihm wurde das Stück erstmals am 31.10.1903 in Nürnberg inszeniert [vgl. KSA 4, S. 534]. | weilte aber die dortigen Theaterverhältnisse ermöglichten es uns nicht, ihrer habhaft zu werden. Mein neues Stück „So ist das Leben“ befindet sich augenblicklich im DruckWedekinds Schauspiel „So ist das Leben“ erschien bei Albert Langen Ende Juni [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 148, 30.6.1902, S. 5327]. und wird in einigen Wochen erscheinen. Von Karl Henckell hörte ich vor einem halben Jahr, daß Du und Mati wieder nach Lenzburg ziehenEmilie Wedekind lebte seit der Geburt ihrer Enkelin Eva Oschwald im August 1899 bei ihrer Tochter Erika in Dresden. Als die Hauslehrerinnenstelle von Emilie (Mati) Wedekind bei der Familie Hamburger in Pettighofen im Juli endete, zogen die Mutter Anfang Juli und die Tochter Emilie Mitte Juli wieder nach Lenzburg [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Armin Wedekind, 11.6.1902; AfM Zürich, PN 169.05.105]. wolltet. Wenn das richtig wäre, so würden Halbe und ich Euch vielleicht diesen Sommer besuchen, da wir eine Radtour | durch die Schweiz projectiert haben. Übermorgenam 9.5.1902; tatsächlich fand der Auftritt erst am 14.5.1902 statt (siehe oben). spiele ich hier mit der neuesten Frau Baronin von WolzogenElsa Laura von Wolzogen (geb. Seemann von Mangern), Lautenliedsängerin, Komponistin und Schriftstellerin, hatte Ernst von Wolzogen, Direktor des Bunten Theaters (Überbrettl), am 25.1.1902 in Berlin geheiratet. Sie war seine dritte Ehefrau; in erster Ehe war er mit Marinka (Maria Leopoldine Anna Hermine) von Wolzogen (geb. Catel) verheiratet gewesen (Heirat am 15.10.1882, Scheidung 1893), mit Klara von Wolzogen (geb. Hackenthal) in zweiter Ehe (Heirat am 14.4.1894 in München, Scheidung 1901). Wedekind war mit der geschiedenen zweiten Gattin Klara Freifrau von Wolzogen in München (Werneckstraße 9) [Adreßbuch von München für das Jahr 1901, Teil I, S. 684; 1902, Teil I, S. 717] bekannt [vgl. Wedekind an Max Halbe, 30.3.1902]; mit der dritten Gattin Elsa Laura von Wolzogen sollte er am 14.5.1902 gemeinsam auftreten (siehe oben). zusammen den „Rabbi Esra“. Trotzdem glaube ich, daß es mit der ganzen Überbrettelei bald ein Ende nehmen wird.

Herzliche Grüße an Mieze und Walter. Mit dem herzlichen Wunsch daß Du den heutigen Tag noch recht oft in Gesundheit und Frische feiern wirst grüßt Dich Dein
getreuer Sohn
Frank.


7.V.02.
Berlin, Köpenickerstraße 109, bei Frau SchwabeWedekind wohnte bei der Kaufmannswitwe Louise Schwabe in der Köpenickerstraße 109, 1. Stock [vgl. Berliner Adreßbuch 1903, Teil I, S. 1663], in der gleichen Straße wie das Bunte Theater (Köpenicker Straße 67/68). Das Zimmer hatte ihm Carl Rößler vorübergehend überlassen [vgl. Wedekind an Max Halbe, 7.5.1902]..


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Dresden=Strehlen
p. a. Frau Kammersängerin Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinsicher Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm. 4 Seiten beschrieben. Gelocht. Kuvert 16 x 12 cm. 1 Seite beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke von 10 Pfennig frankiert, deren oberer Teil abgerissen ist. Die Adresse wurde von fremder Hand mit lila Tinte korrigiert: „Strehlen“ ist gestrichen, darunter steht: „Elisenstr 30“. Auf der Kuvert-Rückseite wurde mit schwarzer Tinte der Zustellvermerk: „Verz. nach Elisenstraße 3. l. Hüttler 9/5“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Postausgangsstempel Berlin (Ort erschlossen): „4–5 V.“ (= 4 bis 5 Uhr). Uhrzeit im Zwischenstempel Dresden: „5–6 N.“ (= 17 bis 18 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Dresden: „12–1 N.“ (= 12 bis 13 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

(Band 2)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
89-90
Briefnummer:
201
Kommentar:
Im Erstdruck ohne die Adressangabe am Briefende. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 330-331 (Nr. 164).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1902. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

31.10.2024 17:11