Kennung: 5160

Festung Königstein, 27. Oktober 1899 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Liebe Mama,

würdest du mir erlauben, dich wieder mit einer Besorgung zu behelligen. Ich brauche zu einem notwendigen Geschenk einen kleinen Handspiegel,Der Handspiegel war als Geburtstagsgeschenk für Beate Heine zu ihrem 40. Geburtstag am 31.10.1899 vorgesehen [vgl. Wedekind an Beate Heine, 2.11.1899 und Beate Heine an Wedekind, 5.11.1899]. Wedekind nahm hier irrtümlich ein falsches Geburtsdatum an. Emilie Wedekind delegierte den Auftrag an Walther Oschwald [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 31.10.1899]. ich denke ihn mir so in der Art wie Mieze einen von einer amerikanischen Freundinnicht identifiziert. erhalten hat, in Leder, Elfenbein oder Ebenholz, einfach, patent und geschmackvoll. Den Preis denke ich mir 10-15 Mark kann auch 20 sein. Der betreffende Geburtstag ist am 5 November. Ich muß ihn dann noch verschicken. Außerdem bräuchte ich MomentanSchreibversehen, statt: momentan. höchstens vielleicht ein halbes Pfund Thee. Sonst weiß ich nichts und | DankeSchreibversehen, statt: danke. dir im Voraus für die Besorgung.

Vielleicht schreibst du mir auch wann Donalds und wann Miezes GeburtstagDonald Wedekind hatte am 4.11.1871, Erika Wedekind am 13.11.1868 Geburtstag. ist; der eine ist am 4 und der andere am 13 aber welcher, das weiß ich nicht. Donald hat mir zum Geburtstag ins Gefängnis geschriebenDer Geburtstagsbrief ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Donald Wedekind an Frank Wedekind, 23.7.1899. und ich möchte dafür sorgen, daß er sich an dem Tag wenigstens keinen Flüchen und Verwünschungen hingiebt. Ich werde ihm 10. M. schicken, vielleicht hättest du auch gerade so viel übrig um einem freundlichen Glückwunsch etwas Plastikhier im Sinne von Form, Gestalt. zu geben. Aber ja nicht mehr! Solche unerwartete Kleinigkeiten im rechten Moment wirken erzieherisch, krazenSchreibversehen, statt: kratzen. ihn auf | und fesseln ans Leben. Denn sein Unglück ist nicht daß er kein Geld hat, sondern, daß er keinen Funken Lebensmut mehr hat. Sein Geldmangel ist nur eins der SympthomeSchreibversehen, statt: Symptome. und nicht das schlimmste. Solang man die Sache als eine Geldfrage ansieht schadet man ihm. Ich möchte aber ebenso sehr von jeder Sentimentalität abraten. Im Gegentheil: Vorderhand so wenig Worte wie irgend möglich. Keine Moralpredigten. Sondern so thun als sei nichts geschehn und alles in bester Ordnung. Die Moralpredigten muß er sich selber halten, sonst nutzen sie nichts. Unserer moralischen Unterstützung aber und dessen was man beim Reiten „Hülfen„Hilfen (Hülfen), Einwirkungen des Reiters auf sein Pferd mit Zaum, Schenkel etc.“ [Meyers Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 8. Leipzig, Wien 1895, S. 805].nennt kann er nicht entbehren. Dazu steht es zu schlimm mit ihm. Ich schreibe auch das mit seinem Geburtstag nicht aus Sentimentalität | sondern nur um des praktischen Nutzens willen, und bitte dich liebe Mama, also nicht darüber gekränkt zu sein, daß ich im Strudel der/s/ Lebens Deinen Geburtstag unzählige Male vergessen habe.

Grüße Walther und Mieze aufs beste und sei herzlich gegrüßt und bedankt von deinem treuen Sohn
Frank.


Festung. Königst.

27.X 99.


Über Deinen freundlichen BesuchEmilie Wedekind hatte zuletzt einen Besuch auf der Festung Königstein in Aussicht gestellt [vgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 13.10.1899]. würde ich mich unendlich freuen, ich bin aber momentan tief in der Arbeittief in der Arbeit] Wedekind nutzte die Haftzeit zur Umarbeitung seines Stücks „Der gefallene Teufel“ zum „Marquis von Keith“ [vgl. KSA 4, S. 413]. und der Winter ist ja noch lang. In einigen Wochen werde ich mich freier fühlen und dann mit Freuden darauf zurückkommen.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Festung Königstein
    27. Oktober 1899 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    Festung Königstein
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Dresden
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

(Band 2)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
20-21
Briefnummer:
162
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 312-313 (Nr. 153).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 27.10.1899. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

19.03.2024 15:47