Zürich 20. Juli 93.
Liebe Mama,
darf ich dich um die Gefälligkeit bitten, mir die beiden
beigelegten Briefenicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Unbekannt an Frank Wedekind, 1.7.1893 und 10.7.1893. Um welche Briefe es sich hier handelte, ließ sich nicht ermitteln. Vermutlich bat Wedekind seine Mutter um eine Übersetzung aus dem Englischen, so dass die Briefe möglicherweise aus den USA verschickt wurden. möglichst wörtlich übersetzen zu wollen und mir die
Übersetzungen mit den Briefen hierher zurückzuschicken. Ich wäre dir unendlich
dankbar, wenn du es tun wolltest sobald es dir deine Zeit irgend erlaubt, da
sich die Angelegenheit so wie so schon bedeutend verzögert hat. Der Sinn der Briefe
ist mir im großen Ganzen klar aber | ich möchte in meiner Beantwortung um alles
kein Mißverständniß unterlaufen lassen.
Sag Mieze bitte, daß ich heute an die Fürstin geschriebenDie Adressatin ist nicht identifiziert, der Brief nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an eine Fürstin, 20.7.1893.. Prof.
ForelDer Schweizer Psychiater Auguste Forel, Leiter der Klinik Burghölzli, galt „als Autorität auf dem Gebiete des Hypnotismus“ [Meyers Konversations-Lexikon. 5. Aufl. Bd. 6. Leipzig, Wien 1895, S. 623] und hatte der Hypnose als Behandlungsmethode zum Durchbruch verholfen. 1889 war von ihm das Buch „Der Hypnotismus und die suggestive Psychotherapie“ erschienen, das mehrfach neu aufgelegt wurde. Wedekind dürfte Auguste Forel in seiner Zürcher Studienzeit 1888 über Carl und Gerhart Hauptmann kennengelernt haben [vgl. Hauptmann 1937, S. 410-412]. war, wie ich gefürchtet, bei aller Liebenswürdigkeit, so wenig wie
möglich geneigt, der Neugierde der Dame entgegenzukommen. Er gab mir die
Adresse eines | praktischen Hypnotiseurs hier in Zürich, an/von/ dem
sich die Dame nach Herzenslust hypnotisieren lassen könne.
SadiSpitzname von Karl Henckell. befindet sich ersichtlich auf dem Wege der Besserung und
freut sich sehr auf unsere Vierwaldstätter-ExcursionDer in vier Kantonen gelegene Vierwaldstätter See, an dem sich mit dem Rütli und der Tellsplatte Schauplätze der Wilhelm Tell-Sage befinden, war ein beliebtes Ausflugsziel.. Wir erwarten nur die
Befehle und Anordnungen Miezes. Prof. Forel sagte mir, er werde nun
voraussichtlich für einige Zeit ins Gegen-|TheilVon psychischen Erkrankungen Karl Henckells, der offenbar bei Auguste Forel in Behandlung war, war bereits in früheren Briefen die Rede [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 8.1.1891]. übes/r/schlagen. Es sei
daher nicht angezeigt, ihn nach Paris zu nehmen. Man werde ihn ohnehin eher
etwas dämpfen müssen.
Im Fall Briefe an mich in Lenzburg eintreffen sollten, so hast
du vielleicht die Güte sie mir hierherzuschicken. Dr. JacobiDer sozialistische Lyriker Leopold Jacoby lebte seit 1892 nach einem Schlaganfall in Zürich und wurde dort von Karl Henckell unterstützt [vgl. Mathieu Schwann: Leopold Jacoby. In: Das Magazin für Litteratur, Jg. 65, Nr. 2, 11.1.1896, Sp. 47f.]. habe ich noch
nicht wieder gesehen.
Und nun leb wohl, liebe Mama. Mit bestem Dank im Voraus und
den herzlichsten Grüßen an Mati, Mieze und dich dein ergebenster Sohn
Frank
Hotel
Pfauen Zürich