München 1 II 8/9/0
Liebe Mama,
eben erhalte ich einen Brief von Dodavgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 31.1. 1890. worin er mir schreibt,
Du habest ihm die Alternative gestellt entweder Buchdrucker zu werden, oder das Gymnasium
in AarauDonald Wedekind hatte 1888 die Kantonsschule Aarau nach der 1. Gymnasialklasse verlassen. zu besuchen, wobei er jeden | Tag nach Hause zu kommen habe. Er
schreibt mir, das eine sei ihm so zu wider wie das andere. Was nun den
Buchdrucker betrifft, so kann davon meiner Ansicht nach von vornherein nicht
die Rede sein da die/je/der Buchdrucker an Bleikolikdurch Bleivergiftung ausgelöste Darmkoliken. leidet und die
meisten an Schwindsucht zu Grunde gehn. Einen Menschen der ohnehin zu Kolik und
Schwindsucht neigt wird man daher nicht gut Buchdruckerei lernen lassen können
|
Wann/s/ nun anderseits Aarau betrifft so wäre das ja
ganz gut wenn du und er euch zu Hause vertragen könntet. Da das aber notorisch
nicht der Fall ist so müßtest entweder du oder er oder ihr müßtet alle beide
darunter leiden. Wenn Doda sich nun hierüber bei mir beschwert oder vielmehr
mich um Erlösung anfleht so kann ich ihm mit dem besten Willen nicht das mein Gehör verweigern. Ich habe
selber noch zu grell in Erinnerung was mir die ewigen heimath|lichen
Katzbalgereien waren und kann, der ich mich sehr gut mit ihm vertrage, ihm nicht
verdenken, daß ihm ein Haus zur Hölle wird, in dem jede Harmlosigkeit, die er sich zu S/s/chulden kommen
läßt als Teufelei bertrachtet wird.
Nun liegt ein dritter Ausweg sehr nahe der mir von
vornherein vorschwebte und zu dem ich Donald nur deshalb nicht
encouragirteermutigte., weil ich voraussetzte dasSchreibversehen, statt: voraussetzte, daß. ein regelmäßiges Gymnasium doch
vielleicht besser sei, nota
bene(lat.) wohlgemerkt., wenn | er nicht
in die seinem Alter entsprechende Classe gelangen könnte. Ich meine die
FremdenmaturitätZulassungsprüfung an der Universität Zürich für Nichtschweizer und Schweizer ohne schweizerische Matura. in z/Z/ürich. Thomar war hierin auch durchaus meiner Ansicht. Dann scheint ihm
ja auch der Rector des Gymnasiums dazu gerathen zu haben und schließlich wart
ja auch ihr, Hammi und Du und Emmchen und die alte Frey und Tante Leemann mit
ihren drei Töchtern,
wenn ich recht unterrichtet bin, anfänglich dem Plan ebenfalls
nicht ganz abhold. | Habt ihr euch aber indessen wie er mir schreibt eines
bessern besonnen, so werde ich Donald die Fremdenmaturität in Zürich auf
meine Kosten
absolviren lassen und ersuche dich daher mich möglichst umgehend Deinen definitiven
Entschluß wissenzulassen eventuell mich darüber aufzuklären ob ich mich nicht
über diesen oder jenen Punkt im Irrthum befinde.
Mit besten Grüßen an dich und Mieze dein treuer Sohn
Franklin
Akademiestraße 21.III.