Solothurn 26 Januar 1891
Lieber Bebi!
Zweck meines Briefes ist mich informiren zu lassen zu
welcher Art der Tiere beiliegendes Biestdas beigelegte tote Insekt ist nicht überliefert; wie die weitere Korrespondenz zeigt, handelte es sich um einen Befall mit Filzläusen. gehört, das ich zu meiner
großen Bestürzung jetzt eben bei Zubettegehen in meiner Achselhöhle gefunden
habe. Eine weitere Nachforschung blieb erfolglos, doch da ich schon seit
einigen Tagen durch ein eigentümliches Krabelnveraltete Schreibung für: Krabbeln. aufmerksam gemacht worden bin, so fürchte ich, daß dies nicht das einzige Exemplar sein mag. Ich bitte dich nun, in deinem mediz. Lexicon nach der
Bedeutung dieser schmarotzenden Tiere sucheSchreibversehen, statt: suchen. zu wollen, und mir dieselbe in
wenigen Worten zu schildern. Auch wäre es mir erwünschtSchreibversehen (Auslassung), statt: erwünscht zu erfahren., wie man dieselben am
besten los werden kann. Ich würde mich hier an einen Arzt wenden, wenn ich die
Sache für sehr bedeutend hielte, aber ich mag mich nicht wegen einer all|fälligen(schweiz.) eventuellen. Kleinigkeit compromittirenbloßstellen.,
was ich bei der kleinstädtischen Schwatzhaftigkeit der Leute unbedingt Gefahr
liefe. Ich würde mich an Hami wenden, wenn ich nicht dächte, daß er als treuer
Gatte die Sache seiner Hälfte mitteilte und ich so wiederum, wenn die Sa
es e/t/ieferedurch den Rückschluss vom Parsasitenbefall auf den Übertragungsweg – in der Regel Geschlechtsverkehr – und damit auf den Besuch von Prostituierten. Bedeutung hätte, als nur das Reinlichkeitsinteresse,
ziemlich blamirt dastände. Schreibe mir, sobald du dir einige Minuten rauben
kannst, über die Wichtigkeit des Tieres, nach welchem Berichte ich mich dann richten werde, und,
falls dein Wissen nicht so weit reicht, doch noch einen Arzt consultirenum Rat fragen, aufsuchen. muß.
Die Sache liegt ja auf der Hand. Es fragt sich nur ob das Tier verheerend
wirken kann, was ich bei der Harmlosigkeit seines bisherigen Auftretens nicht
vermute, und welche Maßregeln zu seiner Vernichtung zu nehmen sind. Hielte mich
der Kostenpunkt nicht ab, so würde ich doch morgen gleich einen Arzt
consultiren, aber da ich | vollständig am Grunde meiner Kasse angelangt bin, so
wäre mir die Ankreidunghier: das Notieren des ausstehenden und damit gestundeten Honorars. einer solchen Consultation doch zu unangenehm.
Für die PensionssendungFrank Wedekind hatte seinem Bruder zur zusätzlichen Versorgung jenseits der Schulkost 10 Mark geschickt [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 3.11.1890]. vom Monat November bin ich dir
jetzt noch dankbar und denke mir, daß du sicherlich sehr knapp daran bist, daßSchreibversehen, statt: da.
bis jetzt keine weitere erfolgt ist. Ich empfand das Ausbleiben derselben auch
nicht sehr, indem ich ein so ungemein ruhiges und
abgeschlossenes Leben führe, daß ich, wenn auch keinen Überfluß, so doch immer
ausreichend Geld hatte, um meinen bei der schmalen Soldatenkost bisweilen sehr
empfindlichen Hunger stillen zu können. Nun beginnt aber hier mit Anfang
Februar die Zeit des Carneval’s,
der an der Kantonsschule mit außerordentlichen Freiheiten und Festlichkeiten
gefeiert wird und wo sich Professoren und Schüler, wenn auch ge|rade keiner
südlich wilden, immerhin doch einer solothurnisch lauten Ausgelassenheit
hingeben, die man aber nur feiern kann, wenn man etwas BaaresSchreibversehen, statt: baares. Geld hat, so wäre
mir deine Pension wirklich nicht nur ein Tropfen auf einen heißen Stein,
sondern eine ganz bedeutende Unterstützung. Meine Bitte ist eigentlich ganz
überflüssig, da ich ja weiß, daß wenn du hast, ich auch habe, aber das
Schreiben allein gewährt mir eine gewisse Freude und ich hoffe dann immer mit
Doppelstärke bis der Monat um ist. Wenn du bis im Sommer in München bleibst, so
wäre es wol möglich, daß wir dann wiedersehenSchreibversehen, statt: Wiedersehen. feiern. Dein treuer Bruder
verbleibe ich in Erwartung einer baldigsten Antwort wegen obiger „Sache“.
Donald