Herrn
Wilhelm von Scholz
Hohenschäftlarn
im Isarthal
Verehrter Herr von Scholz!
Ihr VortragDie Presse hatte angekündigt: „Der nächste große Vortrags-Abend des Neuen Vereins findet Freitag, 8. Januar, Abends 8 Uhr im Hotel Russischer Hof statt. Wilhelm v. Scholz wird einen Vortrag mit dem Thema: ‚Das Drama‘ halten.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 1, 1.1.1909, S. 2] Wedekind notierte am 8.1.1909: „Witzvortrag.“ [Tb] Hanns von Gumppenberg besprach den Vortragsabend: „Wilhelm v. Scholz [...] sprach über ‚Das Drama‘. Einleitend rechtfertigte er die Wahl eines so umfassenden Themas für die kurze Zeitspanne einer Rednerstunde damit, daß er seine persönlichsten Anschauungen über die Bühnenkunst just bei so elementarer Fassung des Gegenstandes am besten zum Ausdruck bringen könne; dann gab er eine ästhetisch-psychologische Analyse vom Wesen des Dramas, wobei er Punkt um Punkt aus den Erwartungen des Zuschauers vor Beginn einer Erstaufführung entwickelte. Er konstatierte auf diese Art die Notwendigkeit eines Vordergrund- Geschehens im weiteren Raum-Rahmen eines besonderen Milieus und im weitesten einer lebensvollen Weltvorstellung, ferner Gegensatz, inneren Konflikt und äußeren Kampf als die Faktoren der Handlung, das freie Spiel als deren Sondercharakter der Wirklichkeit gegenüber, die Mitarbeit des ‚betrachtenden Willens‘ der Zuschauer, endlich die dienende, nur repräsentative Stellung des Dichters, der als Wortführer der ganzen Menschenwelt ihre Gesetzmäßigkeit und ihren Gesamtwillen zu objektivieren und sich daher zur untrüglichen Fühlung mit diesen bestimmenden Großmächten menschlichen Daseins zu erziehen habe. Wesentlich Neues förderte Scholz mit diesen Feststellungen nicht zutage, eigenartig und für den Redner sehr charakteristisch war aber die verhältnismäßig umständliche, bald grüblerisch überspitzte, bald mystisch umwölkte Form der Darlegung. Jenen Zuhörern, die mit der Ausdrucksweise des Vortragenden noch nicht vertraut waren, dürfte es manchmal schwer geworden sein, ihm zu folgen. Doch erntete er lebhaften und einmütigen Beifall.“ [H.v.G. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 13, 10.1.1909, S. 3] war mir eine wirkliche Freude und ich
habe manches was mir neu war mit nach Haus genommen. Ich bedauerte ebenfallsHinweis auf eine nicht überlieferte schriftliche Mitteilung (kenntlich durch das „ebenfalls“); erschlossenes Korrespondenzstück: Wilhelm von Scholz an Wedekind, 10.1.1909.
sehr daß wir uns nicht mehr trafen. Aber hoffentlich findet sich ja bald
Gelegenheit dazu.
Mit ergebensten Grüßen Ihr FrWedekind. |
München
Mariensäule