München, 4.V.1914.
Lieber Herr Doctor FriedenthalDr. jur. Joachim Friedenthal, Schriftsteller, Redakteur und Korrespondent des „Berliner Tageblatt“ in München (Georgenstraße 53) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 172].!
Einliegend die Breslauer BesprechungenBesprechungen der Inszenierung „So ist das Leben“ am 26.4.1914 am Lobe-Theater in Breslau (siehe unten), die dem Brief beilagen (nicht ermittelt). Die Inszenierung war kein Erfolg. „Die Resonanz, die das Werk im vollbesetzten Hause fand, [...] war [...] eine schwache.“ [Breslauer Bühnenbrief. In: Der Humorist. Zeitschrift für die Theater- und Kunstwelt, Jg. 34, Nr. 13, 1.5.1914, S. 5] über So ist das
Leben. Ich frage mich allen Ernstes: Ist das Stück nicht vielleicht wirklich
so schlecht? ‒ Wenn
ja, wie steht es denn dann aber mit meiner dilettantischen Schauspielerei, mit
der ich allein in München dem Stück mehr als zwanzig MalWedekind rechnet hier offenbar die insgesamt zwanzig Vorstellungen vom 1.7.1909 bis zum 20.7.1911, die in München im Rahmen der Wedekind-Zyklen von 1909, 1910 und 1911 von „König Nicolo oder So ist das Leben“ gegeben wurden und in denen er die Hauptrolle des König Nicolo spielte. zu lauten Erfolgen
verholfen habe und nota bene(lat.) wohlbemerkt, übrigens. nachdem es vorher ohnemeine Mitwirkung ganz genau denselben jämmerlichen Eindruck gemacht hatte, wie
vor einigen TagenWedekinds Stück „So ist das Leben“ wurde ‒ veranstaltet von der Freien literarischen Vereinigung zu Breslau ‒ am 26.4.1914 als Matinee am Lobe-Theater (Direktion: Hans Meyer) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 356] in Breslau aufgeführt: „Robert Marlitz spielte den König Nicolo mit wechselndem Geschick. Vieles war sehr klug erfaßt, aber häufig fehlte der heiße Atem, den diese schwierige Rolle unbedingt verlangt.“ [Breslauer Bühnenbrief. In: Der Humorist. Zeitschrift für die Theater- und Kunstwelt, Jg. 34, Nr. 13, 1.5.1914, S. 5] in Breslau. Für mich liegt die Rechnung also höchst einfach:
Spiele ich in meinen Stücken selber, dann bin ich wenigstens ein geachteter
Schriftsteller.
Spiele ich meine Stücke nicht, dann bin ich auch heute noch
als Schriftstellerein jämmerlicher Dilettant.
Ich sage Ihnen noch herzlichen Dank für den gestrigen AbendWedekind notierte am 3.5.1914: „Mit Friedenthal Bauerngirgl.“ [Tb] Nach dem Besuch im Restaurant Bauerngirgl (Residenzstraße 19/20) notierte Wedekind noch den Ratskeller (Marienplatz 8), wobei unklar ist, ob Joachim Friedenthal in das Weinlokal mitging.. Schade, daß er
nicht länger dauerte. Mit schönstem Gruß Ihr
Frank Wedekind.