Kennung: 4643

Lenzburg, 10. Februar 1890 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Donald (Doda)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Schloß Lenzburg 190. Febr. 1890


Lieber Bebi!

Gestern Abendam 9.2.1890. bekam ich deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 8.2.1890. und die Sendung von frs 50.–. Ich habe natürlich nichts davon verlauten lassen und werde auf die Anweisung von frs 100.– warten und sonst nach in deinem Sinn verfahren. Vorgestern bekam ich deinen Brief von HamiDer beigelegte Brief Armin Wedekinds vom 7.2.1890 ist nur als Abschrift („Hammi an Doda“) in Frank Wedekinds Tagebuch überliefert. Armin Wedekind schrieb: „Mein Bruder! Leider muß ich wieder hören, daß Rohheit und feige Ängstlichkeit noch immer die Triebfedern deines Benehmens sind. Deine eigene Erbärmlichkeit ist aber so groß, daß man sich ein Gewissen daraus machen müßte, an Charakter oder Vertrauen bei dir zu appeliren und so ist es sowohl Mamas als mein Entschluß, dir wenigstens aus der Angst über dein Vermögen, das dir ja gewiß noch einige Jahre Nichtsthun fristen kann, wenn es dir einmal zufällt, hinwegzuhelfen. Dein Antheil am Vermögen basirend auf dem Status vom 31. Dec. 1889 wird abgesondert verwaltet und zur Bewirthschaftung des Schlosses nicht weiter beansprucht werden. Dein Antheil an diesen Kosten wird dir aufgeschrieben und nach einem einstigen Verkauf der Liegenschaften in Lenzburg von deinem Antheil an denselben abgezogen werden. Ich hoffe mit dieser Zusicherung deinen rohen Gefühlsausbrüchen und erbärmlichen Anschuldigungen gegen Mama den Boden entzogen zu haben. – Daß du dich jemals wie ein anständiger Mensch betragen werdest, scheinen wir von dir nicht erwarten zu dürfen, sondern du scheinst deiner Nichtswürdigkeit immer noch durch Frechheit und Rohheit gegen diejenigen die deinetwegen schon so viel haben leiden müssen, einen Mantel umhängen zu wollen. Allerdings ein schöner Zug bei einem Menschen von 18 Jahren, daß er sich noch gebärdet wie ein | ungezogener Flegel. – Ist vorläufig noch keine Aussicht auf eine Versorgung vorhanden, so ist es besser du kommst hierher damit wenigstens diejenigen vor deiner Rohheit sicher sind, deren Wohlergehen am kleinen Finger mehr werth ist als ein ganzes Dutzend Menschen wie du zusammengenommen. – Armin.“, demSchreibversehen, statt: den. ich diesem beilegen werde. Ich bemerke daneben, daß das ohne meinen Antrag gemacht worden ist, sondern vollständig Mama die Initiative nur/daz/u trägt. Ich finde die einzig richtige Art

Aus dem Briefe läßt sich schließen, das/ß/ man mir nur den siebten TeilDie sechs Geschwister und die Mutter erbten nach dem Tod des Vaters am 11.10.1888 zu gleichen Teilen das hinterlassene Vermögen sowie gemeinschaftliche Schloss Lenzburg mit Inventar. Das vorwiegend in Wertpapieren angelegte Vermögen wurde von Armin Wedekind verwaltet und durch ihn ausgezahlt. des jetztigen Vermögens zu geben gewillt ist, allerdings auch dien Theil der Kosten an der Schloßresteau|rirungIm Herbst 1889 waren die Wasserversorgung auf Schloss Lenzburg vom Brunnen auf ein neues Leitungssystem umgestellt und die Sanitäranlagen erneuert worden [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 27.11.1889]. vergütten will, nicht aber das von Willy bezogene GeldDie Auszahlung William Wedekinds war notwendig, da er mit seiner Frau im Herbst 1889 nach Südafrika auswanderte. Armin Wedekind hatte in der Sache bereits im Frühjahr mit Frank Wedekind korrespondiert [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 30.5.1889]. und anderweitige Ausgaben mit einrechnet. Ferner scheint mir dann auch jeder Anteil am Schloß, Steinbrüchli und Inventar wegzufallen; was doch kaum auf eine Weise zu begründen ist, wie, wenn ich kein Risiko daran tragen wolle, ich auch meines Anteiles an den Liegenschaften verlustig gehe. Daß ich von allfälligem Gewinn keinen Teil bekäme, wäre natürlich, alles AnddereSchreibversehen, statt: Andere. ist Unrecht. Überhaupt scheint mir eine solche Absonderung n/v/om Kapital nur berechtigt, wenn sie gleich nach Papas Tod o/s/tatt gefunden hätte, nicht aber jetzt, nachdem schon immense bedeutende Ausgaben gemacht worden, und zumal ich nie so einen Antrag gestellt habe, sondern allerhöchstens vor zu großer | Kapitalanlagerung im Schloß gewarnt habe.

Ich kann ja natürlich weder mit Mama noch mit Hami über das sprechen, da mich beide für vollständig rechtlos erklärt haben und eine Unterredung mit ihnen nur zu endlosen Diskussionen führen würde.

Schreibe du einmal, wenn du Zeit hast, über die Sache an Mama und Hami. PressiertEilig. ist es nicht, denn so bald denke ich mir wird Halmi das Geld nicht teilen. Auch wär ich einer Vermögensablösung unter wichtigen Umständen durchaus nicht zu wider. So aber nicht. bin ich dagegen.

Ich hüte mich mit Mama über die Sache zu sprechen und komme so ganz gut mit ihr aus, so daß wir sogar h diese Nacht in Gesellschaft von Mieze, Sophie MartiSophie Marti, eine Freundin von Frank Wedekind und Minna von Greyerz, pendelte wie Erika Wedekind mit dem Zug zwischen Lenzburg und Aarau, um dort das Lehrerinnenseminar zu besuchen., und EugèneEugène Perré, Sohn des gleichnamigen Wein- und Champagnerhändlers aus Reims (Rue Coquebert 45), wohnte von Sommer 1889 bis September 1890 auf Schloss Lenzburg, um Deutsch zu lernen [vgl. Miranda Ludwig-Zweifel: Freundschaft mit dem Familienkreis Wedekind. In: Lenzburger Neujahrsblätter, Jg. 38, 1967, S. 20f.] und war später wiederholt Pensionsgast auf Schloss Lenzburg; er heiratete 1910 Frank Wedekinds Schwester Emilie (Mati) Wedekind. auf dem Ball waren, woselbst | ich viel getanzt habe und viel Freude empfand. Augustnicht identifiziert. war trotz seines Darmkattarhs da mit seinen zwei Schwesternnicht identifiziert. da. SadiSpitzname des Schriftstellers Karl Henckell aus Hannover, der zu seinem Bruder, dem Konservenfabrikanten Gustav Henckell, nach Lenzburg übergesiedelt war. ist noch zu Hause und wird wahrscheinlich seinen Aufenthalt in Zürich nehmen. Schicke die Anweisung an Hami bald.

Dein treuer Bruder
Donald.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 21 x 27 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Lenzburg
    10. Februar 1890 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 304
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Donald (Doda) Wedekind an Frank Wedekind, 10.2.1890. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

06.07.2023 17:28