Sehr verehrter Herr Presber!
Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für Ihre
warmherzigen Wortenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Rudolf Presber an Wedekind, 22.7.1910. Es handelte sich wohl um ein Begleitschreiben einerseits zu einem übersandten Aufsatz (siehe unten) sowie andererseits zu einem vorab geschickten Text einer demnächst erscheinenden Besprechung (siehe unten) von Wedekinds Broschüre „Schauspielkunst“ (1910).. Ich hatte den interessanten Aufsatznicht ermittelt. Rudolf Presber dürfte seinen Aufsatz, der wohl Wedekind behandelte, ohne Verfassernamen oder unter Pseudonym veröffentlicht und nun ein Exemplar davon unter Hinweis auf seine Autorschaft an Wedekind geschickt haben. vorher schon gelesen, ohne
mir träumen zu lassen, daß er von Ihnen ist. Jetzt habe ich Ihnen auch noch für
die Ehre zu danken, die Sie meiner kleinen SchriftWedekinds Broschüre „Schauspielkunst. Ein Glossarium“ (im Georg Müller Verlag in München) erschien dem Autor zufolge am 18.6.1910 „im Handel.“ [Tb] f/d/urch diese AusführlicheSchreibversehen (irrtümlich Großschreibung), statt: ausführliche.
empfehlende BesprechungIn Rudolf Presbers Besprechung von Wedekinds Broschüre „Schauspielkunst“ (1910) heißt es: „Von Dramatikern erwartet man keine Dramen in dieser Sommerzeit; Dramen sind Herbst- und Winterfrüchte. [...] Da überrascht Frank Wedekind durch ein Büchlein, das er [...] in die Stickluft dieser Tage als kecken Schuß senden zu müssen glaubt. Schauspielkunst, ein Glossarium heißt es. [...] über die Kunst des Darstellers erfährt der aufmerksame Leser nicht viel. Aber über Wedekind manches und sein Verhältnis zu Direktoren, Darstellern, Kritikern. [...] Wedekind [...] möchte die Berufsverdrossenheit, aus der er die Fälschung der öffentlichen Meinung in der Kritik herleitet, aus der Welt schaffen. Ob er Glück mit seinen Vorschlägen hat? Gleichviel, das Schriftchen verdient gelesen zu werden; denn es zeigt uns den Verfasser der Pubertäts- und Hochstapler-Dramen von einer ganz neuen Seite. Keiner unsympathischen. Denn sein Eifer ist gut und reinlich, sein Groll wird nie persönlich, und sein Dank – an Reinhardt, Harden, die Eysoldt [...] – findet schöne, gefühlswarme Worte. Und wer im hitzigen Kampfe des schuldigen Dankes nicht vergißt, verdient Achtung als Mensch und Kämpfer.“ [Rudolf Presber: Glossen zu einem Glossarium. In: Württemberger Zeitung, Jg. 4, Nr. 175, 30.7.1910, S. 2-3] erweisen.
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochschätzung
und ergebenstem Gruß
Ihr
Frank Wedekind.
München 23.7.10.
[Kuvert:]
Herrn
Dr. Rudolf Presber
Berlin S.W. 11.
Königgrätzer Strasse 99Wedekind adressierte nicht an die Privatadresse des Schriftstellers und Redakteurs Dr. phil. Rudolf Presber im Grunewald (Trabener Straße 24) [vgl. Berliner Adreßbuch 1911, Teil I, S. 2264], sondern an die Filiale der Deutschen Verlags-Anstalt (Stuttgart) in Berlin (Königgrätzer Straße 99) [vgl. Berliner Adreßbuch 1911, Teil III, S. 426], dem Verlag der illustrierten Zeitschrift „Über Land und Meer“ (Redaktion: Rudolf Presber)..