Tit. Redaktion des „Wiener Extrablattes“
Wien.
Sehr geehrter HerrJulius Bauer in Wien (IX, Porzellangasse 13) war „Chef-Redakteur d. ‚Illustrierten Wiener Extrablatt‘“ [Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien 1910, Teil VII, S. 48] und unter der Redaktionsadresse zu erreichen (Wien IX, Berggasse 31) [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger für Wien 1910, Teil VI, S. 931].!
Zu meinem großen Bedauern fand ich vor meiner
AbreiseWedekind, der vom 15. bis 19.12.1909 ein Gastspiel am Wiener Lustspieltheater hatte (gespielt wurde „Musik“ sowie „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“), reiste am 22.12.1909 abends von Wien zurück nach München [vgl. Tb]. von Wien nicht mehr Gelegenheit, Ihnen für das große weitherzige
WohlwollenWedekinds Gastspiel vom 15. bis 19.12.1909 am Lustspieltheater in Wien ist im „Illustrirten Wiener Extrablatt“ wohlwollend besprochen worden; zunächst die Premiere von „Musik“ (15.12.1909) – „Ein echter Wedekind. [...] glitzernd von Geist, knisternd von witzigen Einfällen, durchtränkt von satanischer Laune, gespickt mit teuflischen Bosheiten. Eine blutige Satire auf Theater- und Musikschulen. [...] der weitaus größte Teil des Publikums rief den Dichter stürmisch vor die Rampe. Wedekind verkörperte selbst die Hauptrolle.“ [Illustrirtes Wiener Extrablatt, Jg. 38, Nr. 345, 16.12.1909, S. 10] – und dann die Premiere der Einakter „Die Zensur“ und „Der Kammersänger“ (17.12.1909), wobei das zuerst gespielte Stück besonders gewürdigt wurde: „‚Zensur‘, eine von Wedekinds neuesten Dichtungen und jedenfalls zum merkwürdigsten, zum tiefgründigsten gehörig, das aus seiner Feder geflossen ist. [...] Es ist ein Dialog von vielen letzten und allerletzten Dingen, eine Rechtfertigung und eine Anklage, ein Bekenntnis und eine Abrechnung. [...] Der Dichter [...] setzt sich mit Welt, Kunst, Liebe und Leben auseinander, mit dem lieben Gott und seinem irdischen geistlichen Zensor. Ein Gespräch mit dem Zensor – das ist’s! – doch lieblich poetisch, blumenhaft umrahmt von ein paar [...] Liebeszenen, in die es nur beiläufig grotesk hinein wetterleuchtet. Von der Freigabe der ‚Büchse der Pandora‘ für die Bühnen nimmt das Zwiegespräch seinen Ausgang. Doch die Perspektive erweitert und vertieft sich zusehends – bis ganz ins Unendliche und Erhabene hinein.“ [Illustrirtes Wiener Extrablatt, Jg. 38, Nr. 347, 18.12.1909, S. 10] Die Zeitung brachte dann noch ein Resümee des Gastspiels, in dem es heißt: „Die Wedekind-Abende im Lustspieltheater sind vorüber. [...] Es bot mehrfaches Interesse, den Dichter-Schauspieler während der Proben und im Verlaufe der Vorstellungen zu beobachten Während Wedekind bei der Vorbereitung seiner Werkte eine gewisse Behendigkeit entfaltete und wertvolle Winke den Mitwirkenden erteilte, hüllte er sich während der Aufführungen in tiefes, undurchdringliches Schweigen, ging nervös hinter den Kulissen auf und nieder und enthielt sich mit Delikatesse jeder Bemerkung.“ [Wedekind im Lustspieltheater. In: Illustrirtes Wiener Extrablatt, Jg. 38, Nr. 353, 24.12.1909, S. 11] zu danken, das Sie meinem Gastspiel in Wien entgegenbrachten. Ich
hoffe bei der nächsten Gelegenheit die Ehre zu haben, Sie persönlich kennen zu
lernen.
In vorzüglicher Hochschätzung
Frank Wedekind.
München, den 28. Dezember 1909.